Eugen Drewermann kritisiert den Rüstungswahn

Schloß Holte-Stukenbrock. Eugen Drewermann hat die Worte seines Vaters nie vergessen. Als er sie ausspricht, kommen ihm die Tränen: &bdquo;Die Seele der Russen ist eine Nachtigall." Dass mehr als die Hälfte der 50 Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges Sowjetbürger waren, das treibt ihn um. Und er wird nicht müde, anzuprangern, &bdquo;dass von deutscher Seite bislang niemand ein Wort der Wiedergutmachung geäußert hat". Damit die Opfer nicht in Vergessenheit geraten, lädt der friedenspolitische Arbeitskreis &bdquo;Blumen für Stukenbrock" seit dem Jahr 1967 alljährlich zu einer Gedenkveranstaltung zum Antikriegstag auf den sowjetischen Soldatenfriedhof ein. In diesem Jahr wurde dort unter Corona-Bedingungen mit 300 Teilnehmern, unter ihnen der stellvertretende Generalkonsul aus Bonn, Valery Siderov, Landtagspräsident André Kuper und Bürgermeister Hubert Erichlandwehr, dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren gedacht. Am 2. April 1945 war das Kriegsgefangenenlager &bdquo;Stalag 326" von der US-Armee befreit worden, am 8. Mai endete der Zweite Weltkrieg. 8. Mai gesetzlicher Feiertag Hubert Kniesburges, Vorsitzender des Arbeitskreises &bdquo;Blumen für Stukenbrock", sprach sich für den 8. Mai als gesetzlichen Feiertag aus. Die Früchte dieses geschichtsträchtigen Datums sieht er allerdings gefährdet. &bdquo;Rassismus, Nationalismus, Chauvinismus, Antisemitismus und Antiziganismus – alle möglichen Ideologien zur Begründung sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Ausgrenzung haben Konjunktur." Die Spaltung der Gesellschaft schreite voran. Kniesburges hatte zuvor das &bdquo;maßlose Elend, die Flucht und Zerstörung ganzer Städte und Dörfer" als Ergebnis des Krieges in Erinnerung gerufen und das Leid der bis zu 65.000 Gefangenen, die im Lager Stukenbrock zu Tode gekommen waren. &bdquo;All diese Toten mahnen uns, Kriege als Mittel der Politik zu verdammen", forderte Kniesburges mit Nachdruck. &bdquo;Es soll nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen", dieser Nachkriegskonsens sei mit dem Wiedereintritt Deutschlands in die Reihe der Krieg führenden Länder gebrochen worden. Ebenso wie Kniesburges sprach sich Eugen Drewermann, der im Juni seinen 80. Geburtstag gefeiert hat, für &bdquo;einen anderen politischen Umgang mit Russland" aus. Frieden könne es nur mit Russland und nicht gegen Russland geben. Immer wieder brach dem Theologen, Kirchenkritiker und Psychoanalytiker zwischendurch die Stimme, wenn er etwa vom Grubenunglück im Jahr 1944 in seiner Heimatstadt Bergkamen erzählte. Etliche sowjetische Kriegsgefangene ließen hier ihr Leben. &bdquo;Eines von vielen Unglücken, die vollkommen verschwiegen wurden." "Mit Russland wäre es möglich gewesen" Im Juni 1989, als Raissa Gorbatschowa den russischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock-Senne besuchte, habe bereits der Vorschlag ihres Mannes Michail, der den Gedanken vom &bdquo;gemeinsamen Haus Europa" vom Ural bis zum Atlantik vorangetrieben hatte, der das Wettrüsten beenden wollte, im Raum gestanden. &bdquo;Frieden durch Abrüstung, wir hätten nur zugreifen müssen", sagt Drewermann. &bdquo;Mit Russland wäre es möglich gewesen." Es kam anders, und Drewermann fragt sich mit drastischen Worten: &bdquo;Was für einen Sprung in der Schüssel haben eigentlich die Leute, die glauben, dass man mit einem mörderischen Atombomben-Potenzial Frieden durchsetzen kann?" Drewermann rief dazu auf, den Rüstungswahnsinn zu beenden und fasste am Ende drei Dinge zusammen, sie es aus seiner Sicht zu beherzigen gilt: &bdquo;Russland ist ein Teil Europas. Frieden kann es nur im Einklang mit Russland geben. Wir müssen Abschied vom Militär nehmen." Mit Applaus wird seine Forderung unterstützt und auch diese: &bdquo;Es muss möglich sein, ohne Kriegsbereitschaft zu leben." Mehrmals zitierte Drewermann den Philosophen Immanuel Kant. Der hatte unter anderem gesagt: &bdquo;Frieden kommt niemals durch Aufrüstung." Das sieht auch Anke Unger, Geschäftsführerin der DGB-Region OWL, so. &bdquo;Deutschland trägt eine besondere Verantwortung für diesen Frieden", betonte sie und forderte dazu auf, sich gegen den Rechtspopulismus zu stellen. Deutliche Worte fand auch eine Teilnehmerin des Workcamps der Antifa-Jugend. &bdquo;Das Haus ist am Brennen und ihr schließt die Feuerwehr aus." Jochen Schwabedissen verlas Grußworte unter anderem von Professor Wladimir Naumov, einem der letzten Zwangsarbeiter des Stalag 326. Der Arbeitskreis &bdquo;Blumen für Stukenbrock" hatte im Frühjahr dessen Erinnerungen in einer Broschüre herausgegeben. Eugen Drewermann äußerte sich am Rande der Veranstaltung kurz zum aktuellen Fall Alexei Navalny. Dass dessen Vergiftung vom Kreml aus gesteuert worden sein könnte, hält er für &bdquo;nicht glaubhaft", denn dafür sei sie viel zu dilettantisch ausgeführt worden. &bdquo;Wäre es so gewesen, hätte man ihn wohl kaum in ein deutsches Krankenhaus überwiesen", glaubt Drewermann.

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