Über 300 Jahre alt: Familie im Kreis Gütersloh verkauft saniertes Fachwerkhaus

Rheda-Wiedenbrück. Es ist nicht bloß ein Gebäude zum Wohnen, &bdquo;es ist ein Herzensprojekt“, sagt Ulrike Mell. Sie hat das 1687 erbaute Fachwerkhaus in Rhedas Altstadt gekauft, liebevoll und detailgetreu saniert und mit ihrer Familie bis Ende August sehr gerne darin gelebt. Jetzt trennt die sich davon - schweren Herzens. Ihr Vater Ernst Albien war vor acht Jahren auf das Eckgebäude am Großen Wall 32 aufmerksam gemacht worden. Dort hatte zuletzt die Witwe des ehemaligen Altstadtbürgermeisters Hermann Krink gelebt. Er zeigte es seiner Tochter Ulrike Mell, die von dem Fachwerkhaus begeistert war. Sie kaufte es Ende 2017. Während ihr Vater dachte, &bdquo;die Kinder wollen nur neu tapezieren“, hatten sie &bdquo;ein größeres Bauwerk im Blick“. Sie unterzogen das Haus einer nötigen Kernsanierung. Albien, Vorsitzender des Heimatvereins Rheda, kann viel über das Gebäude erzählen. &bdquo;Wir vermuten, dass der Förster des Fürsten das Haus gebaut hat“, weist der 75-Jährige auf den Türbogen, den Rehe, Eichenlaub und Wappen zieren. Ursprünglich errichtet wurde es als Dreiständer-Wohnhaus. Später kam ein Ständer mit zwei weiteren Gefache rechts neben der Haustür hinzu. Auch ein Kötterhaus war angebaut worden - zu erkennen am niedrigeren Dachfirst. Ein Deelentor hatte das Eckhaus nie, weil der Förster wohl keinen Leiterwagen brauchte, um ein erlegtes Reh hinein zu schaffen. Lesen Sie auch: &bdquo;Wohl eines der schönsten Häuser Güterslohs“ – historische Villa sucht neuen Besitzer Fachwerkhaus im Kreis Gütersloh steht unter Denkmalschutz Etwa 160 Quadratmeter Wohnfläche bietet das Fachwerkhaus. Bis Ulrike und Markus Mell selbst einziehen konnten, dauerte es bis Mitte 2020. Die Sanierung erstreckte sich über mehrere Jahre. Das Gebäude wurde in mehreren Abschnitten komplett entkernt, nur die Balken waren noch stehen geblieben. Von denen waren einige morsch. Wie viele ersetzt werden mussten, zeigen heute an der Fassade die glatten Oberflächen der neuen Eichenhölzer. Weil die Fassade unter Denkmalschutz steht, war die untere Denkmalbehörde stets dabei. &bdquo;Wir wurden positiv unterstützt“, sagt Albien. Manchmal aber waren auch Diskussionen über den Ursprungszustand des Hauses nötig. Da etwa, als die neuen Besitzer durch ein Fenster über der Haupteingangstür mehr Licht in die Deele bringen wollten. Letztlich setzten sie sich durch. Denn ein Fenster gab es vermutlich schon früher, bestätigte ein LWL-Denkmalexperte nach der Untersuchung des Hauses. &bdquo;Viel Idealismus, Muskelhypothek und Geld waren erforderlich“, erzählt Albien. 26 Fenster wurden erneuert. Dafür beziffert der 75-Jährige die Kosten auf circa 1.000 Euro pro Fenster. Er weist auch auf die Eingangstür hin, die etwa 9.000 Euro gekostet habe. Angefertigt wurde sie aus alten Deelen. Die St. Viter Holzbildhauerin Petra Rentrup hat die Verzierungen um die Haustür geschnitzt. Der Denkmalschutz habe die Investitionen mit circa 20 Prozent gefördert. Familie setzt auf Handwerker aus der Region Weil es außen an der Fassade wegen des Denkmalschutzes nicht infrage kam, hat ein Fachmann die Wände von innen gedämmt, mit Lehm und Naturfaserplatten. &bdquo;Das sorgt für ein sehr gutes Raumklima. Der Lehm nimmt Feuchtigkeit auf und gibt sie ab, es ist im Sommer kühl und im Winter warm - das wird nicht umsonst seit Jahrhunderten so gemacht“, erklärt Ulrike Mell. Gearbeitet hat sie mit Handwerkern aus der Region. Wo sie selbst anpacken konnte, hat sie das gerne getan. Die frei gelegten Balken im Haus hat die Apothekerin sauber geschrubbt. Wo sie marode waren, haben Zimmermänner neue Hölzer angeschuht. Gestrichen hat sie die Wände außen und innen. &bdquo;Die sind krumm und schief, das macht ihren Charme aus“, findet die 38-Jährige. Sie hat viele alte Baumaterialien recycelt. Feldbrandsteine aus den Gefachen hat sie abgeklopft und gereinigt. Die Gefache blieben offen, &bdquo;so kann das Haus atmen“. Die Feldbrandsteine dienen heute als Wandverkleidung eines kleinen Esszimmers. Davor hat die Apothekerin einen alten Apothekerschrank gestellt. Ein alter Schwellstein wurde als Übergang zum Esszimmer verwendet. Die vormalige Haustür dient als Küchentür. Oben auf der offenen Empore müssen Menschen, die länger als Ulrike Mell mit ihren 1,67 Meter sind, den Kopf unter den Balken einziehen. Die Haken an der Decke über der Deele hat das Paar gelassen. &bdquo;Da hingen früher die Schinken, darunter fingen Näpfchen das tropfende Fett auf.“ Familie verlässt den Kreis Gütersloh berufsbedingt Daher kommt die Redensart &bdquo;ins Fettnäpfchen treten“, wenn damals etwa eine Nachbarin in die Deele stürmte, um schnell eine Lästerei zu verbreiten. Das hat Albien schon vielen Besuchern des Fachwerkhauses erzählt und bei manchem für einen Aha-Effekt gesorgt. Zuletzt tat er das während des Altstadtfestes. Da erregte das Schild &bdquo;Fachwerkhaus zu verkaufen“ die Neugierde der Passanten. Und die waren im Haus zu Führungen herzlich willkommen. &bdquo;Die Leute waren super interessiert und glücklich, solch ein Gebäude mal von innen zu sehen“, erzählt Ulrike Mell. Sie und ihr Mann Markus haben sich in der Bürgerinitiative Altstadt Rheda engagiert. Darum war es für sie auch eine Ehrensache, ihre Haustür zu öffnen. Schon während der Sanierung hatte das Paar Gästen von außen einen Blick auf die Sanierungsarbeiten gewährt. Sie informierten über den Werdegang ihres Zuhauses und zeigten: &bdquo;Wir wohnen nicht in einem Museum.“ Lesen Sie auch: Diese Villa in Gütersloh birgt Schätze – und Sie können sie ersteigern Das ist nun vorbei. Mit dem Gedanken, ihr Herzensprojekt zu verlassen, musste sich die 38-Jährige langsam anfreunden. &bdquo;Es war schlimm, hier auszuziehen“, gesteht sie, auch wegen der guten Nachbarschaft. Das Paar ist mit seiner kleinen Tochter wegen seiner Arbeit als Apothekerin und als Croupier aus Rheda-Wiedenbrück weggezogen. &bdquo;Aber nicht in ein Fachwerkhaus, das geht wohl nicht noch mal - mein Herz hängt an diesem“, sagt die 38-Jährige.

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