Finnin im Kreis Gütersloh erklärt: Darum leben in Finnland die glücklichsten Menschen

Rheda-Wiedenbrück. Als kürzlich zum Weltglückstag der Weltglücksbericht veröffentlicht wurde, standen die Menschen in Finnland zum achten Mal in Folge aus Platz eins. Doch was unterscheidet Finnen und Deutsche, die im Weltglücksbericht auf Platz 22 kommen und sich damit immerhin von Platz 24 hochgearbeitet haben? &bdquo;Finnen sind nicht glücklicher, sondern weniger unglücklich“, ist Marjut Ranta-Kuhlbuschs ganz persönliche Meinung. Sie lebt seit mehr als 50 Jahren in Westfalen. Ihren finnischen Pass erneuert sie alle fünf Jahre. &bdquo;Es kostet mich 150 Euro, Finnin bleiben zu dürfen.“ Das ist ihr wichtig, weil sie stolz ist auf alles, was ihre Vorfahren in dem Land im hohen Norden &bdquo;mit viel Beharrlichkeit“ erreicht haben. Die Seniorin schätzt die Selbstständigkeit in ihrem Geburtsland und die Freiheit. Die Bürger zahlen zwar hohe Steuern. Doch die Schulbildung, inklusive Bücher und Mittagessen, sei ebenso kostenlos wie die medizinische Versorgung. Lesen Sie auch: Finnen bleiben die Glücklichsten - Deutschland auf Platz 22 Besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl in Finnland &bdquo;Wir haben das Gefühl, dass sich der Staat für uns interessiert.“ Der biete soziale Gerechtigkeit und Sicherheit. &bdquo;Er gibt viel Geld für die Verteidigung aus.“ Einmal im Jahr besucht die 74-Jährige Familie und Freunde. &bdquo;Der Holzgeruch beim Anheizen einer Sauna, dabei am Ufer zu sitzen, auf die Natur zu schauen und einen Kaffee in der Hand zu haben - das macht mich glücklich“, sind für sie Kleinigkeiten entscheidend. Für sie ist es unwichtig, ob ein teures Auto vor der Tür steht oder die neueste Mode im Schrank hängt. Bei einem Philosophen hat die Finnin gelesen, dass ihre Landsleute sich nicht miteinander vergleichen. Es gebe weniger Sozialneid. 5,5 Millionen Finnen leben in dem Land, in dem Marjut Ranta-Kuhlbusch geboren wurde und wo sie aufgewachsen ist. In Deutschland leben 233 Menschen auf einem Quadratkilometer. In Finnland sind es 18, &bdquo;das schafft ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl“. Finnen seien nicht einsam, &bdquo;sondern gerne alleine, wir haben den nächsten Nachbarn am Sommerhäuschen gerne erst in 500 Metern“, schmunzelt sie. Vielleicht auch darum arbeitet die lebhafte Frau am liebsten wochentags in ihrer Schrebergartenparzelle, die sie &bdquo;meine Lunge“ nennt. In Finnland gelten andere Regeln Die Natur sei wichtig für Finnen, zum Entspannen, zum Regenerieren. Draußen zu sein, relaxe und erhöhe die Kreativität. &bdquo;Finnen sind nicht so gejagt.“ Hierzulande sei alles enger, gebe es weniger Freiraum. Dass deutsche Ungeduld auf sie abgefärbt hat, ist Marjut Ranta-Kuhlbusch vor Jahren aufgefallen. Sie wollte in einem finnischen Dorf in einem Postamt schnell Briefmarken kaufen. Und stand in einer länger werdenden Schlange, weil der Schalterbedienstete mit jedem Kunden gemütlich plauderte. Aus Finnland kehrt sie stets verändert nach Rheda-Wiedenbrück zurück. &bdquo;Meine Kollegen haben immer gesagt, dass ich dann viel ruhiger war“, sagt die Frau, die über 40 Jahre als Buchhalterin bei der &bdquo;GEA Westfalia Separator Group GmbH“ in Oelde gearbeitet hat. Sie erzählt, dass sich in Finnland dank des Jedermannsrechts jeder frei bewegen kann. Es werde nicht vorgeschrieben, wo man laufen darf. &bdquo;Die Regeln trägt jeder in sich, das wird von Generation zu Generation weitergegeben“, spricht sie von Vertrauen und Verantwortlichkeit. Doch offenbar versteht es nicht jeder, so frei zu leben. Marjut Ranta-Kuhlbusch nennt ein Beispiel: Touristen hätten in Lappland Bäume gefällt und aus den Stämmen eine Hütte gebaut. Durch Zufall von Finnland in den Kreis Gütersloh Der Zufall führte die Finnin 1973 nach einem Jahr als Au-Pair in England nach Deutschland, wo sie sich verliebte und blieb. Die ersten Spaziergänge waren für Marjut Ranta-Kuhlbusch eine große Umstellung. &bdquo;Jeder, den man traf, wünschte ,Guten Tag’, und ich fragte mich, ob man hier nirgendwo seine Ruhe hat“, lacht die Finnin. Sie mag Menschen und Begegnungen, hat in Rheda-Wiedenbrück &bdquo;viele tolle, bunte Leute kennengelernt“. Dazu gehören ihre &bdquo;Mädels im Sprachcafé“. Zwei Mal pro Woche bringt die 74-Jährige eineinhalb Stunden lang kurdischen Frauen aus dem Irak Alltagsdeutsch bei. &bdquo;Helfen macht glücklich.“ Zufrieden ist Marjut Ranta-Kuhlbusch also auch in Rheda-Wiedenbrück. Und doch stellt sie auch nach den vielen Jahren noch Unterschiede fest. Sehe sie ein Problem, dann rede sie einmal darüber und handele dann. Deutsche aber würden immer wieder darüber diskutieren, zu dem einen Problemthema kämen weitere über andere Mängel hinzu. Sprich: Hier wird viel lamentiert. &bdquo;Reden ändert aber nichts, man muss einen Missstand angehen, um zufrieden zu sein.“ Was die Deutschen von den Finnen lernen können Im Finnischen gibt es den Begriff &bdquo;Sisu“. Er umfasst innere Stärke, Entschlossenheit und Durchsetzungsvermögen. Lernen könne man diese finnische Glücksformel nicht. &bdquo;Die saugen wir mit der Muttermilch auf.“ Zudem brauche es Freiheit und Kreativität, um anzupacken. &bdquo;Es gibt ja immer nur zwei Möglichkeiten: Etwas ist richtig oder es ist falsch, dann muss man es anders machen.“ Lesen Sie auch: Gütersloherin reist vier Monate durch Skandinavien und lernt Hunderte Künstler kennen Das Glücksgefühl trügen Finnen in sich, erklärt Marjut Ranta-Kuhlbusch und zeigt mit beiden Händen auf ihr Herz. Natürlich fühle sich jeder Finne auch mal schlecht. Sie selbst drehe dann eine Runde durch den Flora-Park. &bdquo;Wir lassen andere nicht an unserer miesen Laune leiden und die ändert sich ja auch nach fünf Minuten wieder.“ Können die Menschen hierzulande etwas von den Finnen lernen, um beim nächsten Weltglückbericht höher platziert zu werden? Die 74-Jährige hat eine Idee: &bdquo;Die Deutschen sind Dichter und Denker - aber sie sollten nicht zu viel denken.“

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