Unterkunft für Hunderte Geflüchtete im Kreis Gütersloh geplant: Erste Sorgen werden laut

Rheda-Wiedenbrück. Ob das Land NRW eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für 450 Geflüchtete in Rheda-Wiedenbrück errichtet, hat der Stadtrat noch nicht entschieden. Doch hat er nach dreistündiger Debatte bei vier Enthaltungen der CDU beschlossen, dass die Verwaltung die Gespräche darüber mit der Bezirksregierung Detmold fortführt. Wem gehört das Grundstück? In der Einwohnerfragestunde wollte ein Bürger wissen, wem das Grundstück &bdquo;Im Mersch“ gehört, das für die Unterkunft in Containerbauweise angedacht ist. Es ist seit Jahren im Besitz der Stadt, so Bürgermeister Theo Mettenborg. Die hat es gekauft, weil es laut Regionalplanung Erwartungsland für gewerbliche Nutzung ist. Bewirtschaftet wird es von seinem Neffen, dem Landwirt Philipp Mettenborg. Warum die Stadt nicht sagt, dass &bdquo;wir keine Flüchtlinge mehr wollen“, fragte eine Frau. Alle Kommunen seien verpflichtet, Geflüchtete nach festgelegten Schlüsseln aufzunehmen, antwortete Ina Epkenhans-Behr, Beigeordnete. &bdquo;Wir haben keine bundespolitische Kompetenz und können nicht entscheiden, ob, sondern nur, wie wir Geflüchtete aufnehmen.“ Öffentliche Informationsveranstaltung Warum nur wenige Bürger in direkter Nachbarschaft zur möglichen ZUE informiert wurden, wollte ein Bürger wissen. Es gibt eine kleine Informationsveranstaltung am Freitag für direkte Anlieger, so Mettenborg. Eine öffentliche Veranstaltung folgt am Donnerstag, 10. Oktober, um 19 Uhr im A2 Forum. Zu Gast ist auch ein ZUE-Leiter. Seit wann die Stadt mit der Bezirksregierung spricht und auf wessen Initiative, fragte ein Mann. Ein Anruf kam im Sommer aus Detmold, dass in Lintel ein Grundstück für eine ZUE mit 320 Geflüchteten betrachtet wird, so Mettenborg. Darüber wurde der Rat informiert. Das Areal kam nicht in Frage, weil es klein ist und Nahversorger sowie ÖPNV schwer erreichbar sind, so Epkenhans-Behr. Es wurde nach einem weiteren Grundstück gefragt. Über das &bdquo;Im Mersch“ wird seit sieben Wochen geredet, so der Bürgermeister. Ob Frust vorprogrammiert ist, wenn 450 Menschen &bdquo;in einem Ghetto“ leben, ob das nicht unmenschlich ist und wie da Integration funktionieren soll, fragte eine Bürgerin. &bdquo;Da wird umfangreich gedacht“, verwies der Bürgermeister auf das Konzept der ZUE. Wie leben Geflüchtete in der Unterkunft? In der ZUE arbeiten 40 bis 45 Personen pro Tag, sagte Martin Hempel, Bezirksregierung. Das sind je sechs Mitarbeitende eines Sicherheitsdienstes in drei Schichten, Personen für Kinder- und Jugendbetreuung, schulnahes Bildungsangebot, Hausmeisterdienste, Sanitätsstation, Catering, Sozialbetreuer und Umfeldmanager. &bdquo;Das ist wie ein kleines Dorf mit 450 Personen.“ Die Geflüchteten bleiben, bis sie einer Kommune zugewiesen werden. Die maximale Aufenthaltsdauer für Alleinreisende ist sechs Monate, für Familien 24 Monate. Sie wohnen in der ZUE getrennt, bekommen Deutschkurse und Sportaktivitäten, auch in Kooperation mit heimischen Vereinen über Umfeldmanager in der Einrichtung – &bdquo;als ersten Schritt Richtung Integration“, so Hempel. Die Containeranlage bleibt bis zu zehn Jahre und ist umgeben von einem Zaun. An dessen Pforte gibt es Chipkartenkontrollen. Erstellt werden Bewegungsprotokolle. Das sei etwa auch für den Brandschutz wichtig. Finanziert werden die Erschließung, der Bau und der Betrieb der ZUE ausschließlich vom Land. Zu 100 Prozent würde die Zahl dort lebender Geflüchteter auf die kommunale Unterbringungsverpflichtung angerechnet. Lesen Sie auch: Hunderte weitere Geflüchtete sollen Notunterkunft am Gütersloher Flughafen beziehen Die aktuelle Flüchtlingslage In Rheda-Wiedenbrück leben 1.300 Schutzsuchende, privat untergebracht und in städtischen Unterkünften. Die bieten 1.080 Plätze. 130 sind frei. Eingerechnet sind die 60 Plätze am Eibenweg. Dort entsteht eine Unterkunft in Containerbauweise für 2,3 Millionen Euro, so Epkenhans-Behr. Würden der Stadt weiter durchschnittlich 15 Geflüchtete monatlich zugewiesen, wären alle Plätze im August 2025 belegt und die Stadt müsste neue schaffen. Die 1:1-Anrechnung verschaffe ihr bei gleichbleibender Zuweisung zweieinhalb Jahre Luft. &bdquo;Sind die Plätze in der ZUE belegt, müssen wir als Stadt wieder Schutzsuchende aufnehmen“, so die Beigeordnete. Eine Erweiterung der Landesunterkunft schließt die Stadt aus. &bdquo;450 Geflüchtete sind für uns das Äußerste, das ist nicht verhandelbar.“ Mehr Sicherheitspersonal in der Stadt? Ob die Bezirksregierung die Bevölkerungsstruktur Rheda-Wiedenbrücks berücksichtigt, fragte Thomas Mader, fraktionslos, mit Blick auf hier lebende Arbeitsmigranten. &bdquo;Ein Planungsbüro erkundet OWL nach Standorten und wir gucken, ob das Umfeld passt“, sagte Hempel. Andere Kriterien spielen keine Rolle. Da sich Menschen aus der ZUE in der Stadt bewegen, &bdquo;könnte es da möglicherweise zu Konflikten kommen“, so Andreas Gernhold, Move. Ob sich das Land an einer Aufstockung des Sicherheitspersonals in der Stadt beteilige. In Ausnahmesituationen könne über eine Ordnungspartnerschaft nachgedacht werden, so Hempel. Er versicherte: &bdquo;Alle Einrichtungen laufen bisher geräuschlos.“ Lesen Sie auch: &bdquo;Ich gehe nie wieder zurück“: Wie es Flüchtlingen von 2015/16 heute ergeht Kann das Land die Stadt zwingen? Sollte sich der Rat gegen die ZUE aussprechen, kann die Bezirksregierung die Stadt dann zwingen, fragte Patrick Büker, FDP. &bdquo;Juristisch gesehen, haben wir Möglichkeit, mit privaten Eigentümern Grundstücksvermietungen zu vereinbaren, und rein juristisch ist es denkbar, dass wir Genehmigungsanträge stellen und erwirken“, sagte Hempel. Ob die Zahl von 450 Geflüchteten verhandelbar und die ZUE auch kleiner denkbar ist, interessierte Dirk Kursim, SPD. Und ob eine Ausnahme für Rheda-Wiedenbrück denkbar ist, dass weniger alleinreisende Schutzsuchende kämen. Weniger als 450 Geflüchtete schließt die Bezirksregierung wegen ihrer Wirtschaftlichkeitsüberlegungen aus. &bdquo;Wir können nicht woanders eine Einrichtung für 100 Menschen bauen und begleiten“, sagte Hempel. Für die Zuweisung sei die Bezirksregierung Arnsberg landesweit zuständig. &bdquo;Sonderwünsche sind nicht leistbar.“ Geht es auch eine Nummer kleiner? Weil EU, Bund und Land das Migrationsproblem nicht lösen, &bdquo;kommen die Geflüchteten am Ende in den Kommunen an“, sagte Uwe Henkenjohann, CDU. Das Problem der Sondersituation in Rheda-Wiedenbrück mit dem schon veränderten Stadtbild und verängstigten Leuten kann seine Fraktion nicht ausblenden. Darum sprach er für eine Fortsetzung der Gespräche mit der Bezirksregierung, machte aber klar: &bdquo;Die CDU wird einer ZUE in dieser Größenordnung nicht zustimmen.“ Wegen des Ukraine-Krieges kamen mehr Geflüchtete in die Stadt als 2015/16, so Volker Brüggenjürgen, Grüne. Sie seien mit großer Hilfsbereitschaft der Bürger und großem Engagement der Verwaltung sicher und gut aufgenommen und untergebracht worden. Das geschah weitestgehend konfliktfrei – &bdquo;ein großes Verdienst des Bürgermeisters und der Verwaltung“. Nun gerate die Stadt personell und finanziell an ihre Grenzen. &bdquo;Sich eine mittelfristige Atempause zu gönnen und das Land in die Pflicht zu nehmen, ist ein Gebot der Klugheit.“ Verständlich sei, dass 450 Menschen Sorgen auslösten. Doch &bdquo;das kann diese Stadt“. Mit vereinten Kräften &bdquo;wird auch weiterhin ein friedvolles Miteinander möglich sein“. Für die SPD überwiegen die Vorteile. &bdquo;Einen ZUE-Standard kriegen wir in städtischen Unterkünften nicht hin“, so Kursim. Weiter mit der Bezirksregierung zu sprechen, um &bdquo;das Beste für unsere Stadt zu erreichen“, will Stefan von Zons, Offene Liste. Mehr über die Erfahrungen anderer Kommunen hören möchte Günter Arlt, Freie-Linke. Dass es um Menschen auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung gehe, &bdquo;die integriert werden müssen und wollen“, sagte Sergej Gorenbacher, Freie Wähler. Ist die Bezirksregierung kompromissbereit? Rechts- und Planungssicherheit will die FDP, angesichts der Ankündigung der Landesregierung, die Anrechnung der kommunalen Aufnahmepflicht Ende 2027 zu evaluieren. &bdquo;Wir wollen eine Klausel im Mietvertrag, dass sich die 1:1-Anrechnung nicht vorzeitig ändert, sonst sehen wir die ZUE hier nicht.“ Martin Hünten, Move, schloss sich dem Appell von CDU und SPD an die Bezirksregierung an. &bdquo;Fairness und Kompromissbereitschaft gebieten es, dass sie prüft, wie sie in Sachen Größe und Anrechnungszeitpunkt auf Rheda-Wiedenbrück zugeht.“ Entscheiden wird der Rat über die ZUE in einer Sondersitzung Ende Oktober. Der Termin steht noch nicht fest.

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