Familie aus dem Kreis Gütersloh gewährt ehrliche Einblicke in besonderen Alltag

Rheda-Wiedenbrück. Andreas und Kerstin Rehage, die mit ihren Kindern Anni (10) und Henri (7) im Bereich des Städte-Dreiecks Herzebrock-Clarholz/Gütersloh/Rheda-Wiedenbrück zu Hause sind, kennen Vorurteile zur Genüge. Schließlich kam ihr Sohn Henri mit Down Syndrom zur Welt. Von oft gutgemeinten, aber unpassenden Ratschlägen einiger Mitmenschen lässt sich das Paar indessen nicht beirren. Die beiden fördern Sohn Henri nach besten Kräften. Ihr Ziel: Dass Henri im Erwachsenenalter fit für den Alltag ist. &bdquo;Wir wollen erreichen“, sagt die aus Wiedenbrück stammende Kerstin Rehage, &bdquo;dass unser Sohn dann sicher im Lesen und Rechnen ist und dass er den Umgang mit Geld beherrscht.“ &bdquo;Henri soll später ein möglichst unabhängiges Leben in weitgehender Selbstständigkeit führen können“, ergänzt Vater Andreas, der beim Betrieb Bauhof der Stadt Rheda-Wiedenbrück als Meister für die Straßenunterhaltung verantwortlich zeichnet. &bdquo;Wir haben uns bewusst gegen diese Untersuchung entschieden“ Doch bis dahin ist es noch ein langer und wohl auch beschwerlicher Weg. Begonnen hat er im Mai 2016. Da kam Henri im Oelder Marienhospital als gesundes Kind ohne irgendwelche Auffälligkeiten zur Welt. Zwei Tage später stellten Ärzte die Diagnose &bdquo;Verdacht auf ein Syndrom“. Nach einer gezielten Untersuchung auf &bdquo;Trisomie 21“ in der Kinderklinik Lippstadt bestätigte sich der Verdacht. Hätten sich Kerstin und Andreas Rehage im Frühstadium der Schwangerschaft zu einer pränatalen Untersuchung entschieden und wäre die Chromosomen-Anomalie dabei entdeckt worden, hätten sie die Schwangerschaft komplikationslos abbrechen lassen können. &bdquo;Bei neun von zehn derartigen Diagnosen machen die betroffenen Paare von dieser Möglichkeit Gebrauch“, sagt Andreas Rehage. &bdquo;Wir haben uns jedoch bewusst gegen diese Untersuchung entschieden, da wir eine Abtreibung sowieso nicht in Betracht gezogen hätten. Und wenn wir heute sehen, wie zufrieden und glücklich Henri ist, der sich im Übrigem selbst in keiner Weise als gehandicapt wahrnimmt, dann haben wir alles richtig gemacht“, ergänzt Kerstin Rehage. Kinder mit Down-Syndrom: 200 Wiederholungen bis zum Lernerfolg Dabei verhehlt das Paar nicht, dass der Entwicklungsprozess eines Kindes mit Down-Syndrom alles andere als ein Spaziergang ist. Da ist zum einen der schwierige Lernprozess, der bei allen Beteiligten viel Zeit und Geduld beansprucht. Kerstin Rehage, die selbst den Beruf &bdquo;Industriekauffrau“ erlernt hat: &bdquo;Man sagt, dass es bei Kindern bis zum Lernerfolg zehn Wiederholungen braucht. Kinder mit Down-Syndrom benötigen entschieden mehr Zeit. Hier sind 200 Wiederholungen bis zum gewünschten Ergebnis nötig.“ Viel Zeit beanspruchen auch die notwendigen und regelmäßigen Arzt- und Therapietermine. Schon vom dritten Monat an ging es zweimal die Woche zur Physiotherapie. Später kamen wöchentliche Logopädie- und Ergotherapietermine hinzu. Mit elf Monaten stand eine erste Intensivtherapiewoche in Baiersbronn an. Über den Jahreswechsel 2018/2019 besuchten sie eine neunwöchige Reha in Meerbusch. 2022 besuchte Vater Andreas zweimal eine Sprach-Reha mit Sohn Henri – für jeweils vier Wochen. Facharzttermine beim Orthopäden, Kardiologen und Co. Um all dies nebst Arbeit und Familienleben organisiert zu bekommen, erfuhr das Ehepaar viel Unterstützung aus dem Freundeskreis – auch und insbesondere von den Eltern der mit Tochter Anni befreundeten Kindergartenkinder. Zum Schwimmenlernen geht es aktuell in das Lehrschwimmbecken nach Clarholz, wo sich eine Schwimmlehrerin der privaten GL-Schwimmschule gefunden hat, die ihre Kurse auf Kinder mit Handicap auslegt. Und der Weg zur wöchentlichen Turnstunde führt nach Spexard, wo der örtliche SV ein auf Kinder mit Handicap zugeschnittenes Programm anbietet. Jährliche Facharzttermine beim Orthopäden, Kardiologen, Augen- und HNO-Arzt sind ebenfalls einzuhalten. All dies ist oft mit längeren Fahrtwegen und Wartezeiten verbunden. Erfreulicherweise, berichten Kerstin und Andreas Rehage, fänden sich immer wieder Vereine mit der Bereitschaft Henri inklusiv in ihr Sportprogramm aufzunehmen. Zwei Stunden mit dem Bulli zur Schule Seit vergangenen August besucht Henri die Freie Waldorfschule in Everswinkel. Zu der 35 Kilometer entfernten Schule ist er täglich annähernd zwei Stunden mit dem schuleigenen Bulli unterwegs. &bdquo;Die Schule in der Münsterland-Kommune ist einst aus dem Inklusionsgedanken heraus entstanden. Dies kommt seinem Lernverhalten durch das epochenweise Lernen und den dadurch resultierenden vielen Wiederholungen sehr entgegen. Deswegen haben wir uns für sie entschieden“, sagt Kerstin Rehage. Henri werde in seiner Klasse toll angenommen und sei bestens integriert. Alles das zu organisieren ist nicht leicht. &bdquo;Das erfordert viel Eigeninitiative und ein gesundes familiäres Umfeld“, erklärt Andreas Rehage. Doch darauf können er und Ehefrau Kerstin bauen. Jederzeit um Unterstützung bitten können sie die im Hause lebende Oma Anneliese Berhorn und die Großeltern Hermann und Christel Rehage in Wiedenbrück. Des Weiteren stehen beiden ihre insgesamt vier Geschwister mit Familien bereit, um im Falle eines Falles hilfreich einzuspringen. Kampf mit Behörden - Irritation um Unterstützungsleistungen Die Kommunikation – um nicht zu sagen den Kampf – mit der Bürokratie kann dem Paar indessen niemand abnehmen. &bdquo;Die notwendigen Anträge für Therapiemaßnahmen und Hilfsmittel kosten Kraft und Energie. Und auch der Gang durch die Instanzen bei der Organisation eines heilpädagogischen Kita-Platzes und der Entscheidung für die gewünschte Schule war lang und beschwerlich. Hinzu kommt, dass man kaum erfährt, welche Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen werden können“, sagt Kerstin Rehage. Doch mehr als entschädigt werden die 42-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Ehemann dafür von Henri selbst. &bdquo;Henri ist ein Kind, das uns genauso viel Freude bereitet wie seine Schwester Anni“, sagt Andreas Rehage. &bdquo;Okay, manchmal hat er seinen eigenen Willen und ist etwas starrköpfig. Doch am Ende zählen sein fröhliches Gemüt und seine aufgeweckte Art“, ergänzt Ehefrau Kerstin und fügt hinzu: &bdquo;Was uns besonders freut, ist seine Bewegungsstärke. Henri hüpft liebend gern auf dem Trampolin und kurvt allein mit seinem Quad über den Hof. Er kann schon seit seinem sechsten Lebensjahr selbständig Fahrrad fahren, und mit großer Wahrscheinlichkeit wird er noch in diesem Jahr das Schwimmen lernen.“

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