Versuchter Mord im Kreis Gütersloh: Zirkuschef trennt sich von zwei Strafverteidigern

Bielefeld/Rheda-Wiedenbrück.Wenn ein Hauptangeklagter zu Beginn eines Verhandlungstags das Wort ergreift, ist dies schon außergewöhnlich. So geschehen am Dienstagvormittag am Bielefelder Landgericht. Dort müssen sich neben Patrick B., Diego B. und Marie K. auch Zirkusdirektor Henry B. verantworten. Er sitzt seit dem 19. Februar in Untersuchungshaft und soll mit seiner Lebensgefährtin und zwei Familienangehörigen ein Ehepaar aus der Ukraine mit Baseballschläger und anderen Schlagwerkzeugen schwer verletzt haben. Der Mann schwebte sogar in Lebensgefahr. Mit drei Strafverteidigern war der Zirkusdirektor zu Prozessbeginn angetreten. Jetzt ist es nur noch einer. &bdquo;Ich entbinde meinen Pflichtverteidiger Senol Önder sowie meinen Wahlverteidiger Carsten Ernst von ihren Aufgaben“, war die schnörkellose Ansage von Henry B.. Zu den Gründen für die Entbindung sagte er nichts. Meinungsverschiedenheiten zwischen Angeklagtem und Verteidigern Nach Informationen dieser Zeitung gab es vermutlich Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Angeklagten und seinen Strafverteidigern. Die renommierten Strafrechtler hatten wohl dem Angeklagten, der in U-Haft sitzt, eine Einlassung vor Gericht vorgeschlagen. Er sollte sich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft äußern. Doch das widersprach wohl dem Familienbeschluss der großen Familie, die in sechster Generation mit Zirkus ihr Geld verdient. Der Familienrat hatte auch beschlossen, dass Diego B., der jüngste des Quartetts, nichts vor Gericht sagen sollte. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Carsten Nabel, ob sich Patrick B. zum Tatgeschehen einlassen wolle, gab es von seinem Strafverteidiger Kolja Priess ein klares Nein. Da griff Henry B. ein. &bdquo;Nur ich habe geschlagen, niemand anderes hat geschlagen“, sagte er klar und deutlich. Die Antwort Nabels kam prompt. &bdquo;Halbe Geständnisse sind meistens nicht besonders effektiv. Geständnisse, die sich als nicht wahrheitsgemäß erweisen, können auch kontraproduktiv sein.“ Im Gerichtssaal wird es turbulent Dann wurde es turbulent im Gerichtssaal. Ein heftiger Disput entstand zwischen Strafverteidiger Kolja Priess und seinem Mandanten Patrick B., der einige Worte zum Tatablauf von sich gab. &bdquo;Wir müssen uns jetzt erklären“, sagt Priess zu seinem Mandanten. &bdquo;Entweder schweigen Sie zu dem, was passiert ist, oder sie erzählen die ganze Wahrheit“, war sein lauter Kommentar. &bdquo;Ich kann für Sie etwas erklären, wenn Sie möchten. Was wollen wir? Wollen wir sagen, wie es gewesen ist oder wollen wir schweigen?“, rief er lautstark seinem Mandanten zu. Nach kurzer Sitzungspause verlas Priess eine Erklärung seines Mandanten zum Tatgeschehen. Währenddessen konnte man einen Weinkrampf beim Hauptangeklagten Henry B. erkennen. Immer wieder rieb er sich Tränen aus den Augen und schien einem Zusammenbruch nahe, als Priess die Einlassung von Patrick B. verlas. Lesen Sie hier die Einlassung von Patrick B. &bdquo;Henry ist mein Stiefsohn, er ist wie ein leiblicher Sohn, ich helfe ihm bei alltäglichen und beruflichen Problemen. Wenn er in Stress gerät, kann ich ihn beruhigen, das funktionierte in der Vergangenheit immer gut. Er fand mit dem ukrainischen Ehepaar neue Mitarbeiter, war mit ihnen zufrieden. Immer wieder bat er sie, endlich ihre Arbeitspapiere abzugeben, um sie anmelden zu können. Doch sie erhöhten immer wieder ihre finanziellen Forderungen. Henry, der Zirkusdirektor, war völlig verzweifelt und hat mich angerufen. Ich bin nach Rheda gefahren, um die Probleme zu lösen. Im Zirkuswagen bat ich Marie, die Lebensgefährtin von Henry, das ukrainische Ehepaar zu einer gemeinsamen Besprechung einzuladen. Gegen 18 Uhr klopften beide an die Tür des Zirkuswagens. Ehe ich mich versah, schlug Henry auf die beiden mit einem Baseballschläger ein. Der Mann taumelte zurück, lag draußen auf dem Boden, alles war durcheinander, ich sah immer wieder Schlagbewegungen in Richtung Ehepaar. Ich bin raus, und wollte Henry beruhigen. Ich hörte, sie haben ein Messer. Ich boxte auf sie ein. Ich schäme mich für mein Verhalten“, endete die Ausführung von Patrick B. &bdquo;Ich will dem Ehepaar als Wiedergutmachung 10.000 Euro zukommen lassen.“ Und kündigte an, dass auch sein Sohn Diego, Mitangeklagter, 500 Euro von seinem ersparten Taschengeld bereit stellen würde. Dann wurde auch Diego B. plötzlich, trotz anderer Anweisungen des Familienrats, gesprächig und ließ von seinem Strafverteidiger Detlev Binder eine Erklärung verlesen, die im Prinzip den gleichen Inhalt wie die seines Vaters hatte. Wieder flossen Tränen bei Henry B.. Er konnte wohl nicht verstehen, dass auch Diego nun auspackte. Die Vernehmung der verletzen Frau war letztlich Nebensache. Wichtig war, dass zwei Angeklagte das Tatgeschehen aus ihrer Sicht erklärten.

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