Selbst ernannte „Pädophilen-Jäger“: Bielefelder Gericht ahndet brutale Selbstjustiz von Teenagern

Bielefeld. Gegen vier selbsternannte &bdquo;Pedo Hunter“ (engl.: Pädophilenjäger) im Alter von 14 bis 18 Jahren hat jetzt das Jugendschöffengericht ein Urteil gefällt. Die beiden Haupttäter (18, 15) wurden wegen besonders schweren Raubes (210 Euro aus der Geldbörse) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen der Handyaufnahmen (&bdquo;Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen“) zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Vier Verfahren gegen weniger beteiligte Jugendliche wurden wiederum gegen Auflagen eingestellt. Für die beiden Hauptangeklagten, die in den Tatvideos als besonders gewalttätig aufgefallen waren, ging damit der Fall haarscharf am Jugendgefängnis vorbei. Sie bekamen die höchstmögliche Bewährungsstrafe. Wäre das Urteil nur ein wenig härter ausgefallen, hätten die nicht vorbestraften Bielefelder direkt einsitzen müssen. Hinter Gitter müssen sie dennoch. Das Jugendschöffengericht verurteilte sie zusätzlich noch zu drei Wochen Dauerarrest und 100 Sozialstunden. Das berichtete Amtsgerichtssprecher Lars Herzog, nachdem das Verfahren am Donnerstag, 10. Juli, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu Ende gegangen war. Zwei weitere Jugendliche – ein 14-jähriges Mädchen und ein 17-jähriger Bielefelder – wurden zu 80 Sozialstunden und einem sozialen Trainingskurs verurteilt. In einem Fall kam dazu noch die Pflicht, zwei Freizeitarreste zu absolvieren. Vier Urteile und vier Einstellungen inklusive Geldzahlungen Die Verfahren gegen die vier anderen Beteiligten im Alter von 15 bis 20 Jahren wurden gegen die Zahlung einer Geldauflage und die Teilnahme an einem Trainingskurs eingestellt. Sie hatten sich laut Herzog nur am Rande des Geschehens bewegt und sich nicht gewalttätig eingebracht. Zum Thema: Bielefelder Gericht zeigt schockierende Tatvideos der selbst ernannten &bdquo;Pädophilenjäger“ Alle acht Angeklagten hatten – wie berichtet – vor dem Amtsgericht Bielefeld Geständnisse abgelegt, im Juli 2024 zumindest einen mutmaßlichen Pädokriminellen in eine Falle gelockt und dann körperlich misshandelt zu haben oder an den Misshandlungen und Erniedrigungen beteiligt gewesen zu sein. Beim zweiten Fall waren nur der Hauptangeklagte und die enge Freundin (14) beteiligt, die die Selbstjustiz in beiden Fällen per Handykamera festgehalten hatte. Handyvideos der Bielefelder machen Ermittlungen sehr einfach Die juristische Aufarbeitung des Falles wurde durch die zahlreichen Handyvideos der drei beteiligten Mädchen (14 bis 16 Jahre) deutlich vereinfacht. Alle Tatbeteiligten und ein Großteil ihrer Taten waren dokumentiert. Hatte sich der Hauptangeklagte beim ersten Überfall noch maskiert, bevor er sein Opfer angriff, verzichtete die Gruppe der Angreifer drei Wochen später auf Maskierungen. Nur ein 17-jähriger Bielefelder blieb bis zum Schluss unter einer Maske. Der Vorsitzende Richter Magnus Gröger betonte in dem dreitägigen Verfahren, dass sich einige der Angeklagten als &bdquo;Jäger und Rächer“ aufgespielt hätten, anstatt die Ermittlungen den dafür zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu überlassen. Im Verfahren wurde deutlich, dass eine ganze Internetszene diese Art von Selbstjustiz begrüßt. Junger Bielefelder initiiert Snapchat-Falle für Pädokriminelle Der Initiator des Überfalls, inzwischen Bundeswehrsoldat, hatte sich mit einer Freundin (14) bei Snapchat als elf- beziehungsweise zwölfjähriges Mädchen ausgegeben. So kam er in Kontakt mit zwei Männern aus Büren und Baden-Baden, die beide für ein Treffen zum Eisessen nach Bielefeld anreisten – im Fall des 27-Jährigen aus Baden-Baden sogar zum Übernachten. Doch statt des Eises erwarteten die Männer rohe Gewalt und minutenlange Demütigungen vor laufenden Handykameras. Der 27-Jährige musste Angriffe und Erniedrigungen von mehr als zehn Minuten Länge über sich ergehen lassen. Blutüberströmt posierte der Hauptangeklagte später mit seinem Opfer vor den Kameras, seinen Arm hatte er um dessen Hals gelegt. Er präsentierte sein Opfer wie eine Jagdtrophäe. Ganz offensichtlich waren die Videos dafür gedacht, in einschlägigen Foren und sozialen Netzwerken gepostet zu werden, in denen Selbstjustiz gegen Pädokriminelle begeistert gelobt wird. Doch dazu kam es nicht. Einer der Beteiligten hatte offenbar Gewissensbisse bekommen und am Abend seinen Eltern von der blutigen Tat berichtet. Kurz darauf stand vor den Wohnungen der acht jungen Bielefelder Polizeibeamte, um die Handys der Jugendlichen zu beschlagnahmen. Gruppenmitglieder fühlen sich gezwungen mitzumachen Strafverteidiger Andreas Chlosta sprach von einer eigenen Dynamik innerhalb der Gruppe. Die Jugendlichen hätten sich gegenseitig angestachelt, teilweise schienen sich die beiden Haupttäter in ihrer Gewalttätigkeit übertrumpfen zu wollen. Andere, die eher zögerlich wirkten, griffen aber auch nicht ein. Sie fühlten sich nach eigener Aussage gezwungen mitzumachen, um dazuzugehören. Lesen Sie auch: Reue nach Gewalt: Die Widersprüche der jungen Pädophilenjäger aus Bielefeld Und das Motiv? Der Hauptangeklagte habe zuvor zahlreiche TikTok-Videos zum Thema &bdquo;Pedo Hunting“ konsumiert, so berichtete er vor Gericht. Dabei habe er den Wunsch entwickelt, selbst Teil dieser Szene zu sein. Sein Strafverteidiger Andreas Chlosta betonte, dass hier der Zuspruch von außen eine große Rolle gespielt haben dürfte. Der Angeklagte sprach in diesem Zusammenhang von Propaganda. Alle Angeklagten hatten noch im öffentlichen Teil der Verhandlung Geständnisse abgelegt und sich bei beiden Opfern persönlich entschuldigt. Sie stellten beiden Opfern Schadenersatzzahlungen in Aussicht. Die Höhe der Zahlungen liegt laut Gerichtssprecher Lars Herzog je nach Tatbeteiligung und Einkommen zwischen 300 und 1.500 Euro.

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