In Rheda-Wiedenbrück gibt es jetzt eine Mini-Version der Stadt zu sehen

Rheda-Wiedenbrück. Einen Eindruck von Rhedas Innenstadt vor 200 Jahren vermittelt ein Bronzerelief auf dem Doktorplatz. Das Kunstwerk hat den Titel "Rheda zum Fühlen, Sehen und Begreifen". Ursprünglich gedacht waren die Stadtmodelle, die der Kunstprofessor Egbert Brörken seit 30 Jahren anfertigt, für Blinde. "Es wurde aber schnell klar, dass sie auch für Sehende sehr spannend sind", sagt sein Sohn Felix Brörken. Der 34-Jährige, der schon als Kind seinem Vater zur Hand gegangen ist, hat das Bronzerelief für Rheda geschaffen. Orientiert hat sich der freischaffende Künstler bei Rundgängen durch die Altstadt und an dem Preußischen Urkataster von 1820 - 1830. Das hatte Heimatforscher Wolfgang Lewe ausgewählt. Es zeigt die Straßenzüge und die Bebauung als Parzellen innerhalb des ersten Stadtgrabens sowie die Verbindung über den Steinweg zum Schloss. Ein Bronzeanteil von 90 Kilogramm Nach diesen Informationen schnitzte Brörken ein Modell aus Styrodur, einem Hartschaum, zeichnete Fassaden in die winzigen Gebäude. Die Handarbeit präsentierte er Lewe und Klaus Landwehr, Untere Denkmalbehörde. Deren Ergänzungen arbeitete er ein und goss dann eine Negativform des Modells aus Silikon. Die pinselte der 34-Jährige mit einer Schicht aus fünf Millimeter Wachs aus, setzte die lateinische und die Blindenschrift ein, verlieh Straßen, Wasserflächen und Wiesen Struktur. Dann wanderte seine Arbeit in einen Schamottofen, das Wachs floss durch die Hitze heraus und hinterließ Hohlräume. Die goss er mit Bronze aus. Aus der Form geschlagen, schliff Brörken scharfe Kanten ab, "weil das Modell ja zum Tasten ist". Er verlieh der Bronze eine künstliche Patina, die sonst zu golden wäre. Als Schutzschicht trug der 34-Jährige zuletzt Carnaubawachs auf, das auch für Autos verwendet wird. Glänzen wird das Stadtmodell künftig an einigen Stellen dennoch - durchs Anfassen. "Die Frauenkirche in München ist aktuell unser goldenstes Modell", berichtet Brörken. In der Werkstatt in Welver wurden bislang rund 200 Modelle für Städte in Deutschland und Europa angefertigt. Der Bronzeanteil des Rheda-Modells wiegt 90 Kilogramm. Der Sockel, auf dem es platziert ist, bringt es auf 1.000 Kilogramm. Die Besonderheit des Reliefs auf dem Doktorplatz sei die historische Aufarbeitung gewesen, sagt der 34-Jährigen, der Geschichte und Archäologie studiert hat. In die Kirche am Steinweg schlug ein Blitz ein Zur Geschichte, die sich am Modell ablesen lässt, kann Lewe viel erzählen. Für Staunen sorge die katholische Kirche neben der Synagoge am Steinweg im damals calvinistischen Rheda. Errichtet wurde sie 1804/05. Zuvor hatten die Bürger aus Angst, von den Preußen eingenommen zu werden, sich auf ein altes Lehen berufen und den Bischof von Münster gebeten, er möge doch Soldaten schicken. 30 kamen und wurden in Rhedaer Familien einquartiert, schlossen Freundschaften und gründeten ihrerseits Familien, katholische. Die Gemeinde wuchs und brauchte ein Gotteshaus. In das am Steinweg indes schlug zwei Jahre später ein Blitz ein, die Kirche wurde geschlossen und 20 Jahre später abgerissen. Die Gottesdienste wurden fortan im Rathaus gefeiert, zelebriert von Franziskanern aus Wiedenbrück. 1842 wurde eine neue katholische Kirche errichtet, "ein Vorgängerbau von St. Clemens", berichtet Lewe. Für ihn zeigt das Modell den "Zweiklang aus Schloss und Stadt". Zu entdecken ist dort auch auf ein kleines Haus, das mitten auf der Kleinen Straße steht. "Das ist eine Spezialität aus dem Mittelalter, als die Straßenzüge aus Gründen der besseren Verteidigung schmal gemacht wurden." Der Heimatforscher weist auch auf die Nord-Südverbindung der Berliner Straße, damals Lange Straße, vom Emstor zum Kirchtor hin. Davon gingen nach Westen teils halbkreisförmige Straßen ab, "das charakteristische lippische Städtebaumuster". Ein Westtor fehlt. Stadtführungen starten am Modell Lewes Worten lauschte am Freitag auch Bürgermeister Theo Mettenborg. Er freute sich, "endlich das Modell der Altstadt der Öffentlichkeit übergeben zu können". Danach hätten viele schon lange gefragt. Platziert wurde es nahe der Berliner Straße. "Wegen der Tauben" stehe es nicht an den Säulenresten, die unter den Linden den Standort des Rathauses markieren, das dort etwa 1603 errichtet wurde. Und den Veranstaltungen wie Herbstkirmes und Adventskrämchen auf dem Doktorplatz solle das Stadtmodell, das 35.000 Euro gekostet hat, nicht im Weg stehen, so der Bürgermeister. Er stellt in Aussicht, dass das Bronze-Relief vielleicht mit einem QR-Code versehen wird. Mit dem könnten Erläuterungen zur Stadtgeschichte per Smartphone abgerufen werden. Bis das spruchreif wird, bietet Beate Kremser im Auftrag der Flora Westfalica an jedem dritten Sonntag im Monat Stadtführungen durch Rheda an. Die starten jetzt jeweils um 11 Uhr an dem Modell auf dem Doktorplatz, anhand dessen es viel zu erzählen gibt.

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