Grüne lädt zur Tönnies-Diskussion - Vertreter des Unternehmens sind außen vor

Rheda-Wiedenbrück. Als "Grünes Fachgespräch" ist eine Veranstaltung betitelt, zu der Viola von Cramon, Mitglied der Grünen im Europäischen Parlament, einlädt. Am Montag, 21. Juni, ab 18 Uhr geht es in der Stadthalle um die Frage "Ein Jahr danach - Was lernen wir aus dem Tönnies-Skandal?". Dazu hat die Politikerin diverse Diskutanten eingeladen. Ein Vertreter des Unternehmens Tönnies ist nicht dabei. Von Cramon erinnert daran, dass NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am 23. Juni 2020 die Entscheidung traf, die Corona-Beschränkungen im Kreis Gütersloh zu verschärfen - wegen des Corona-Ausbruchs bei Tönnies. Dieses und weitere Infektionsgeschehen in Schlachtbetrieben hätten zu einer erhöhten Aufmerksamkeit für die Arbeits- und Lebensbedingungen der zumeist osteuropäischen Beschäftigten geführt. "Um diese zu verbessern, ist zum 1. Januar 2021 das Arbeitsschutzkontrollgesetz in Kraft getreten", so die Europaabgeordnete. "Eine lapidare Absage" Sie will bei der Veranstaltung die Arbeits- und Lebensbedingungen der Mitarbeitenden in der Fleischindustrie, die Rolle des Tönnies-Konzerns, die Folgen für die Region und die Lehren, die aus dem Skandal gezogen werden sollten, thematisieren. Ihre Gäste sind: Volker Brüggenjürgen, Caritas im Kreis Gütersloh und Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat von Rheda-Wiedenbrück, Georg Robra, Erster Beigeordneter von Rheda-Wiedenbrück, Thomas Bernhard, Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, sowie Sebastian Stölting, Bundestagskandidat der Bündnisgrünen im Wahlkreis Gütersloh I. Über einen Vorab-Austausch mit dem Fleischwerk Tönnies hätte sich von Cramon gefreut, sagt sie auf Anfrage. Sie habe die Perspektive des Unternehmens gerne in die Debatte einbringen wollen. Mit "ausreichend Vorlauf" habe sie bei der Tönnies-Gruppe darum am 3. Juni nach einem Gesprächstermin vor der Veranstaltung am Abend gefragt. Zwei Mal habe sie nachgehakt, dann sei am 14. Juni "eine lapidare Absage" gekommen. Erst als klar geworden sei, dass es sich um eine öffentliche Veranstaltung handele, hätte das Unternehmen Interesse gezeigt, sagt sie. Diese Art des Umgangs sei befremdlich, meint die Grüne. Sie ist in Werther aufgewachsen, hat Landwirtschaft studiert, war von 2009 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages und ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments. "Wenigstens ein Teilnehmer, der fundiert berichten kann" Das Unternehmen Tönnies bestätigte von Cramons Anfrage "nach einem Hintergrundgespräch und einer Betriebsbesichtigung". Eine Zusage sei nicht möglich gewesen, so Sprecher Fabian Reinkemeier. Als Gründe dafür nennt er die Kurzfristigkeit der Anfrage von "wenigen Tagen" und die Corona-Situation mit restriktiven Vor-Ort-Besuchen. "Zudem war von einem Podium keine Rede." Nun sei man bei Tönnies verwundert, dass bei der Abend-Veranstaltung ein Unternehmensvertreter fehlen werde. Das sei wie bei der Fußball-EM, meint Reinkemeier: "Nur eine Mannschaft steht auf dem Platz, weil man dem anderen Team nicht Bescheid gegeben hat - so in etwa fühlen wir uns." Gegen ein Statement aus dem Hause Tönnies bei der Veranstaltung hätte die Europapolitikerin gar nichts einzuwenden, sagt sie. "Aber so lange ich die Gastgeberin bin, kann ich auch bestimmen, wie ich das Podium zusammenstelle." Sie wolle in der Stadthalle eine vernünftige Debatte führen und Leute zu Wort kommen lassen, die man sonst nicht höre. All ihre Diskutanten arbeiteten gut und lange an dem Tönnies-Thema und "kennen die Situation der Betroffenen". Einer ihrer Gäste ist der Erste Beigeordnete der Stadt. Über ihn sagt Reinkemeier, dass er "wenigstens ein Teilnehmer in der Runde ist, der fundiert und reflektiert berichten kann". Für den Tönnies-Sprecher ist Robra der einzige der Diskutanten, "der eng dabei war, von Juni 2020 bis heute, der unser Werk überhaupt von innen gesehen hat und direkt mit uns gesprochen hat - auf Augenhöhe". Einer Debatte entziehe sie sich nicht, sagt von Cramon. Ein Treffen bei Tönnies zu einem späteren Zeitpunkt, das ihr das Fleischwerk in Aussicht gestellt hat, "nehme ich gerne an".

Meistgelesen