Aktivisten blockieren Tönnies-Kreuzung

Rheda-Wiedenbrück. Man mag zu den Dauer-Demonstranten gegen Fleischkonsum und Massentierhaltung im Allgemeinen und das Rheda-Wiedenbrücker Unternehmen Tönnies im Besonderen stehen, wie man will. Eines muss man den Aktionisten lassen: Sie zeichnen sich aus durch Beharrlichkeit und Kreativität. Dies demonstrierten sie am Wochenende einmal mehr mit einer einfallsreichen Protestaktion unter denkbar ungünstigen Witterungsbedingungen. Begleitet von Wind, Sturm und heftigem Gewitterregen hatten sich rund 40 Angehörige des regionalen Aktionsbündnisses an der Kreuzung der B 61 (Bielefelder Straße) mit der Gütersloher Straße versammelt, um mit zeitweisen Ampelblockaden auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Neues Format überlegt - Protest an der Straßenkreuzung Ihr Anliegen – das ist für sie der &bdquo;blutige Alltag von Nutztieren in der Ernährungsindustrie". &bdquo;Bis zum heutigen Tag blockieren diverse Akteure einen menschlichen Umgang mit diesen Tieren, weshalb wir mit unserer Ampelaktion die eigentliche Blockade von Politik und Wirtschaft sichtbar machen wollen", heißt es in einem Begleitschreiben zur Demo, das von den Aktivisten Asja Pfirrmann, Katharina Friess, Marie-Kristin Mueller (alle Organisation &bdquo;Animal Save" Bielefeld) sowie Oliver Groteheide vom Gütersloher Verein &bdquo;fairleben" unterzeichnet ist. Lesen Sie auch: Greenpeace-Aktivisten landen auf Tönnies-Dach Für seinen Protest hatte sich das Aktionsbündnis diesmal ein neues Format ausgedacht: Statt vor dem nur wenige Hundert Meter entfernten Tönnies-Werk mit Transparenten und Plakaten mehr oder weniger still auf die eigenen Forderungen aufmerksam zu machen, haben sich die Demonstranten an der stark frequentierten Straßenkreuzung eingefunden. An der von ihnen so getauften &bdquo;Straße des Grauens", auf der nach ihren Angaben täglich bis zu 30.000 Schweine in Tiertransportern in Richtung Schlachtbank rollen, blockierten sie am Samstag zwei Stunden lang in regelmäßigen Abständen die komplette Ampelanlage. Polizei war vor Ort Unter der Augen von sieben Polizeibeamten in drei Einsatzfahrzeugen griff dazu &bdquo;Fairleben"-Sprecher Oliver Groteheide etwa alle 15 Minuten zum Megaphon, um das Kommando für die Blockade zu geben. Mit Transparenten (Aufschriften &bdquo;Blockade der Straße des Grauens" oder &bdquo;Fleisch frisst die Welt") und Plakaten (&bdquo;Artgerecht ist nur die Freiheit" oder &bdquo;Tiere sind keine Lebensmittel") verhindern die Demonstranten während einer kompletten &bdquo;Grün-&bdquo;Phase" das Ein- und Ausfahren von Fahrzeugen an der Gütersloher Straße. "Wir haben festgestellt, dass Reden allein nichts bringt" &bdquo;Wir haben festgestellt, dass Reden allein nichts bringt. Deswegen haben wir zu anderen Mitteln gegriffen und uns für das so genannte Swarming entschieden", erläutert Oliver Groteheide die Vorgehensweise. Der Organisator ist davon überzeugt: &bdquo;Dieser hohe Körpereinsatz – der bringts." Gewaltfreier Protest und Widerstand sei nach Expertenmeinung das erfolgreichste Mittel, um etwas zu bewegen. Groteheide: &bdquo;Es gibt 100 verschiedene Protestformen, und davon haben wir noch einige in petto. Wir werden so lange kämpfen, bis diese Form der Fleischerzeugung ein Ende hat." Schweine-Transporter kann nicht mehr weiterfahren Zu herzzerreißenden Szenen kommt es etwa 45 Minuten nach dem Beginn der Aktion, als ein mit Schlachtschweinen beladener Transporter auf dem Weg zum Tönnies-Werk vor der Ampelanlage anhält und nicht mehr weiterfahren kann: Mehrere Frauen nähern sich dem Viehlaster, versuchen die Schweine zu streicheln und sprechen mit ihnen. Als der Lkw seine Fahrt fortsetzt, bleiben die Frauen mit Tränen in den Augen zurück. Ihre männlichen Begleiter müssen sie daraufhin tröstend in die Arme nehmen. Bei der Polizei, die an diesem Tag ihren Beobachterstatus nicht verlassen muss, findet das Verhalten der Tönnies-Gegner besondere Anerkennung. Einsatzleiter Polizeihauptkommissar Uwe Koch, der sich eine Woche zuvor mit Katharina Friess und Oliver Groteheide an Ort und Stelle getroffen hat: &bdquo;Ich habe selten ein so kooperatives Gespräch mit Demonstranten geführt. Auch das Verhalten heute ist wirklich lobend hervorzuheben." Hupkonzert von ungeduldigen Autofahrern Wer den Protest erdulden muss, sind schließlich die Autofahrer. Wegen der Sperrung der Autobahnabfahrt Wiedenbrück und der ausgewiesenen Umleitung hat sich auf der Gütersloher Straße stadtauswärts vor der Ampel zu diesem Zeitpunkt ohnehin eine lange Schlange gebildet. Sie reicht bis zum Tönnies-Werk. Durch die Blockade der Straße während einer Grün-Phase verzögert sich die Weiterfahrt um etwa drei Minuten. Deeskalierend wirken sollen dabei Schilder mit den Aufschriften &bdquo;Noch 2 Minuten" und &bdquo;Noch 1 Minute", welche einige Demonstranten den wartenden Fahrzeugen entgegenhalten. "Massentierhaltung ist schlecht für Gesundheit und Umwelt" Dennoch kommt es aus Protest gegen die Blockade zeitweise zu Hupkonzerten. Doch die Aktion von Animal Save und Co. findet auch Zustimmung bei einigen Autofahrern. &bdquo;Ich finde das gut. Massentierhaltung ist schlecht für Gesundheit und Umwelt", meint etwa Eli Dzamulaev aus Gütersloh, der sich selbst als &bdquo;Flexitarier" (Fleischkonsum nur ab und zu) bezeichnet und den Protestlern vom Steuer aus demonstrativ ein Victory-Zeichen entgegenhält. Und auch bei der 33-jährigen Vanessa Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück stößt die Aktion auf Gegenliebe. &bdquo;Ich finde das gut", sagt sie. &bdquo;Ich bin selbst seit meiner Jugend Vegetarierin."

Meistgelesen