Tönnies will bald mit neuer Schinkenzerlegung die Produktion hochfahren

Rheda-Wiedenbrück. Das Fleischwerk Tönnies sieht sich als Partner der Landwirte. Beide sprechen über ihre Probleme: Der Schlachtbetrieb am Standort Rheda läuft seit 21 Wochen in Unterkapazität, vier Wochen war er wegen des Corona-Ausbruchs komplett heruntergefahren. "Das sind 17 Wochen à 40.000 Schweine, die wir nicht verarbeiten konnten", sagt Clemens Tönnies und hofft, das mit einer neuen Schinkenzerlegung bald ändern zu können. Die Bauern sorgen sich um ihre Existenz. Sie fordern "sofort höhere Erlöse, wenn wir unsere Betriebe und eine noch vielfältig strukturierte, in der Region verankerte Landwirtschaft erhalten wollen". Unternehmer und Landwirte trafen Mittwoch im Fleischwerk aufeinander. Burkhard Berg aus Paderborn überreichte in Begleitung von Kollegen ein Positionspapier, so wie es bundesweit Bäuerinnen und Bauern in Molkereien und Schlachthöfen taten. Sie fordern von den Verarbeitern ihrer Erzeugnisse mehr Geld: mindestens 15 Cent je Liter Milch, mindestens 1 Euro je Kilogramm Rindfleisch, mindestens 50 Cent je Kilogramm Schweinefleisch und mindestens 20 Cent je Kilogramm Geflügel. "Bislang ist die Fachlichkeit der Landwirtschaft übergangen worden" "Die Vorgaben, die Politiker und Bürger in Sachen Tier- und Klimaschutz an uns stellen und die weit über das EU-Recht hinausgehen, erhöhen unsere Kosten, wir werden aber für unsere Leistung nicht honoriert", fordert Berg mehr Wertschöpfung, weil landwirtschaftlichen Betrieben langsam die Luft ausgehe. Es sei höchste Zeit, dass Politik, Handel, Verarbeiter und Landwirte an einen Tisch kämen, meint Johannes Wagenbach von der Initiative Land schafft Verbindung. "Wir wollen auch mitreden, bislang ist die Fachlichkeit der Landwirtschaft übergangen worden", meint Berg, dass viel Ideologie und kaum Praxisbezug im Spiel sei. Tönnies sichert zu: "Sobald es eine Initiative von Handel und Politik gibt, sind wir dabei." Eine große Chance sieht er im Borchert-Papier. Dem Konzept zum Umbau der Nutztierhaltung, welches das Kompetenznetzwerk unter Leitung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert erstellt hat, hat der Bundestag Anfang Juli zugestimmt. Der Unternehmer wünscht auch einen guten Dialog mit Tierschützern. "Bashing, also Unsachlichkeit und Hetze, gehen nicht, das habe ich persönlich erlebt." Klar sei: Wolle der Bürger Veränderungen, müsse er mehr zahlen. Höhere Fleischpreise seien mit rund 35 Euro pro Person und Jahr in der Haushaltskasse zu spüren. Tönnies ist zuversichtlich, dass Verbraucher bereit sind, diesen Betrag zu zahlen. "Bei Ökostrom und bleifreiem Benzin hat es ja auch geklappt." "Es ist die modernste Schinkenzerlegung Europas" Intensive Gespräche anderer Art führt das Fleischwerk seit einigen Wochen. "Wir hoffen, unsere neue Schinkenzerlegung bald anwerfen zu können", sagt Tönnies. Dann könne der Schweinestau von einer Million Tiere in den Ställen der Landwirte aufgelöst werden, "dann steigen die Preise". Dann arbeiten auch wieder mehr Menschen in dem Betrieb, der wegen der Drosselung auf 70 Prozent in der Produktion aktuell 5.000 Leute in zwei Schichten an sechs Tagen beschäftigt, davon jeweils rund 800 in der an Corona angepassten Zerlegung. Läuft die neue Schinkentzerlegung, dann werden auch 25.000 Schweine mehr pro Woche geschlachtet, fast so viele wie vor dem Corona-Ausbruch. Dann wären es wieder rund 20.000 Tiere pro Tag. Investiert hat das Unternehmen in die neue Schinkenzerlegung, die ein Teil der Gesamtzerlegung ist, "einen mittleren einstelligen Millionenbetrag", so Sprecher André Vielstädte. Installiert wurde diese auf einer Fläche von 2.000 Quadratmetern. Dort war bislang die Rinderzerlegung. Die wurde zum Tönnies-Standort in Bad Bergen verlagert. An den neuen drei Bändern im Fleischwerk in Rheda können jeweils 75 Mitarbeiter stehen. "Es ist die modernste Schinkenzerlegung Europas, weil wir alles, was wir heute über Corona wissen, berücksichtigt haben", so Vielstädte. Wann deren Betrieb genehmigt wird, ist offen. Beantragt hat das Unternehmen diese beim NRW-Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Vor zehn Tagen hätten sich die Zuständigen sowie Mitarbeiter der Bezirksregierung Detmold, die für Arbeitsschutzthemen zuständig ist, die neue Schinkenzerlegung angesehen. "Jetzt erwarten wir täglich die Genehmigung", so Vielstädte.

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