SPD-Bürgermeisterkandidatin: "Entwicklung in Corona-Krise hat uns eingeholt"

Rheda-Wiedenbrück. Die Stadt soll gerechter werden. Das sei ein altes sozialdemokratisches Thema – und damit tritt die heimische SPD im aktuellen Kommunalwahlkampf an. In den starten die Sozialdemokraten "sehr motiviert", sagt Martina Mester-Grunewald. Dabei sind viele Frauen: Von 19 Direktkandidaten für den Stadtrat sind zehn weiblich. Die SPD will zweitstärkste Kraft im Kommunalparlament werden. Die absolute CDU-Mehrheit wollen die Sozialdemokraten verhindern. Denn es gab Vorhaben, "die haben wir gegen diese Mehrheit nicht umsetzen können", sagt Brigitte Frisch-Linnhoff, die als SPD-Bürgermeister-Kandidatin bei der Wahl am 13. September antritt. Als Beispiele nennt sie Planungen in der Schulpolitik, die die Besonderheiten Rheda-Wiedenbrücks, gemeint sind Kinder von Werkvertragsarbeitern, nicht berücksichtigt hätten. Oder die Digitalisierung in Schulen, wo alle Kinder und Jugendlichen Endgeräte, sprich IPads, bekommen sollten - "und nicht nur ein Gerät für fünf Schüler", so Frisch-Linnhoff. Es gehe auch um die Schaffung von Wohnraum, wo die SPD mit dem Antrag auf Einrichtung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft bislang gescheitert ist. An diesem Vorhaben hält die fest. "Für die Stadt wäre das ein Experiment" Das Thema Bauen und Wohnen "muss im Rat gemeinsam gewuppt werden", sagt Mester-Grunewald. Alle Politiker seien sich einig, dass mehr bezahlbarer Wohnraum nötig ist. Doch setzt sich die SPD speziell dafür ein, das Personal in der Fachverwaltung aufzustocken, "um Prozesse zu verkürzen, um tolle Projekte auch zeitnah umzusetzen". Und sie will Grundstücke in Neubaugebieten per se zu 30 Prozent für sozialen Wohnungsbau vergeben. Mester-Grunewald sagt auch, dass sie ein großer Fan von Erbpachtverträgen ist, die es jungen Familien erlaubten, ihren Traum vom Eigenheim zu realisieren. Stark machen will sich die SPD für eine Mehrgenerationensiedlung oder ein gemeinschaftliches Wohnen. "Für die Stadt wäre das ein Experiment, das es andernorts schon lange gibt." Neu denkt die SPD über politische Ausschüssen und Zuständigkeiten. Sie hatte beantragt, dass es künftig einen Umweltausschuss gibt - und war damit erfolgreich. Aber auch einen Ehrenamtsausschuss strebt sie an, "als koordinierendes Gremium für diese wichtige Arbeit, von der die Stadt profitiert". Das solle bei Ehrenamtlichen auch für mehr Professionalisierung sorgen. Etablieren wollen die Sozialdemokraten zudem erneut ein Jugendparlament. Und sie wollen sich um ältere Bürger kümmern, "obwohl der Seniorenbeirat gut aufgestellt ist." Vorstellbar wären Hausbesucht bei allein Wohnenden, "so wie wir es schon bei Familien mit Neugeborenen haben, um vor Ort Probleme und Bedürfnisse zu erkennen", sagt Michaela Koroch. Mehr klare Aussagen, weniger Gutachten Klar ist für die Sozialdemokraten, dass es künftig mehr klare Aussagen im Stadtrat geben soll - und weniger Gutachten, in die viel Geld reingebuttert werde. "Irgendwann muss politisch einfach entschieden werden - auch wenn man dafür Prügel einstecken muss", sagt Frisch-Linnhoff. Die Kulturarbeit, bislang bei der Flora Westfalica und ihrem Aufsichtsrat hinter verschlossenen Türen geleistet, soll öffentlich werden. Es gebe zu "viele hoch geförderte Veranstaltungen für einen recht kleinen Kreis", meint Frisch-Linnhoff besonders die klassische Musik. Bürger sollten mehr Mitspracherechte bekommen, beispielsweise in einem Beirat. "Man könnte ja auch mal einen Rapper bezuschussen oder Kinoveranstaltungen realisieren", sagt Koroch. "Gute Wege locken mehr Fahrradfahrer" Sie macht klar, dass es mit der SPD den seit 30 Jahren geplanten Ausbau des Südrings nicht geben wird. "Das Thema hat sich längst überholt." Heute wachse das Schulzentrum Burg. "Weil mehr Straßen mehr Verkehr produzieren, den wir nicht wollen, brauchen wir neue Mobilitätskonzepte", sagt Mester-Grunewald. Dazu gehöre eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, auch um die Dörfer besser anzubinden. Dazu gehöre zudem eine bessere Behandlung des Fahrrades als Transport- und Fortbewegungsmittels. "Gute Wege locken mehr Fahrradfahrer", sagt die SPD-Frau, die sich gut vorstellen kann, die Innenstädte von Rheda und Wiedenbrück autofrei zu gestalten. Überarbeiten und komplett neu gestalten wollen die Sozialdemokraten das städtische Integrationskonzept unter Berücksichtigung der sich verändernden demografischen Faktoren. Sie wollen "durchmischte Quartiere bei der Ausstellung von Bebauungsplänen realisieren" und Sanktionen bei Wohnraumkontrollen intensivieren und verfolgen. "Aber es wurde laufen gelassen" "Die Entwicklung in der Corona-Krise hat uns eingeholt", sagt Frisch-Linnhoff. "Das ist eine Dimension, die alle überfordert, schließlich sind wir nur eine kleine Stadt." Doch habe jeder über die Unterbringung der Menschen Bescheid gewusst. "Aber es wurde laufen gelassen", spricht sie von einem "System der Angst". Alle müssten sich vorwerfen lassen, "das nicht richtig angegangen zu sein - mit Ausnahme von Inge Bultschnieder, die immer gekämpft hat". Die SPD habe sich in den vergangenen Jahren immer für die Integration von Werkvertragsarbeitern eingesetzt. Und das Thema bleibe - jetzt mehr denn je.

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