Eltern und Kinder machen ihrer Wut vor Haus der Familie Tönnies Luft

Rheda-Wiedenbrück. Große Wut hat Carolin L.. Die spürt die Mutter von zwei Kinder nicht alleine. Eltern haben sich am Moorweg versammelt, da, wo Familie Tönnies wohnt. Auf den Asphalt vor der durch Security geschützten Einfahrt malen die Jungen und Mädchen mit Straßenkreide Regenbogen. "Wir wollen gesehen werden", sagt Tanja Geier, und zwar sowohl von dem Unternehmer als auch von Landrat Sven-Georg Adenauer. Spontan sei die Idee zu der Aktion entstanden als am Mittwoch klar wurde, dass Kitas und Schulen im Kreis Gütersloh wegen des Corona-Ausbruchs im Fleischwerk Tönnies geschlossen werden. Lewecke versteht nicht, dass Spielplätze geöffnet bleiben, aber "Bildung in Schulen und Gemeinschaft in Kitas verwehrt werden". Das stelle viele Familien nach der wochenlangen Schließung der Einrichtungen erneut vor Probleme. Geringe Wertschätzung gegenüber den Jüngsten Mit Tränen und Genörgel reagierten Vanessa Düpmanns Kinder. "Sie haben alle Corona-Regeln eingehalten, sich auf die Kita gefreut und jetzt ist es ihnen schwer zu vermitteln, dass sie wieder zu Hause bleiben müssen - unverschuldet." Schuld an den Infektionszahlen seien die Massenproduktion von Fleisch, wobei Sicherheitsabstände nicht gewahrt würden, und die Wohnungen der Werkvertragsarbeiter, wo das ebenfalls nicht möglich sei, sagt Geier. Dass darunter die Kinder zu leiden hätten, empfindet sie als geringe Wertschätzung gegenüber den Jüngsten der Gesellschaft. Sie fürchtet psychische Schäden, weil viele Jungen und Mädchen keinen Kontakt zu anderen Kindern hätten, weil sie aus problematischen Familien kämen oder weil sie sogar unter häuslicher Gewalt litten. Geier ärgert, dass "ein Großindustrieller als systemrelevant gilt, Kinder aber offenbar nicht - dabei sind sie doch unsere Zukunft". "Diese Aktion ist gut" Die Malaktion, auf die Polizisten die Verkehrsteilnehmer aufmerksam machten, besuchte Georg Robra, Erster Beigeordneter. Er findet es grundsätzlich positiv, dass Menschen, die mit etwas nicht einverstanden sind, ihren Unmut darüber auch kund tun. Auf Nachfrage sagte er: "Diese Aktion ist gut." Schlecht ist die Stimmung bei den Eltern, sagt Carolin Krebs, Vorsitzende des Kita-Jugendamtselternbeirats (JAEB). Der vertritt die Interessen der Erziehungsberichtigten von rund 1.600 Kindern in der Stadt. Mit Unverständnis regierten die Eltern, dass "Kinder zu Hause wieder eingesperrt werden, alles andere aber läuft, als wenn nichts wäre". Ärgerlich sei, dass es keine Notfallpläne gebe - weder beim Kreis noch bei der Stadt. Das hätte der JAEB erwartet, nach all den Wochen des Lockdowns. "Überstunden und Urlaubstage sind aufgebraucht" Informationen über die erneute Schließung hätten Eltern nur über die Medien bekommen. "Bislang ist man nicht in einen Dialog mit uns getreten", sagte Krebs am Donnerstag. Eltern hätten es nicht nur schwer, ihrem Nachwuchs zu erklären, dass er nun wieder zu Hause bleiben muss. Familien hätten auch Organisationsprobleme. "Überstunden und Urlaubstage sind aufgebraucht, einige Arbeitgeber zeigen kein Verständnis mehr." Das bringe vielen Familien Existenzprobleme. Keine Sorge hätten Eltern, ihre Söhne und Töchter weiterhin den Kitas und Schulen anzuvertrauen. "Da haben wir ein gutes Gefühl." Die Einrichtungen sowie Tagesmütter hätten gute Konzepte für die Betreuung und den Unterricht. Gäbe es Nachwuchs von Tönnies-Mitarbeitern in einzelnen Gruppen, hätte man die kurz schließen und alle untersuchen können, meint Krebs. Auch für eine Schließung von ein bis zwei Tagen hätte der JAEB Verständnis gehabt, "um Herr der Lage zu werden". Kein Verständnis gibt es für die "wahllose Schließung". "Wir baden die Versäumnisse von Tönnies aus" Die nutze der "Landrat, um sich als konsequenter Macher darzustellen, sie ist aber falsch", sagte Alexandra Wewermeier bei einer Mahnwache auf dem Marktplatz. Jede Kontaktsportart sei wieder möglich, "aber das Sozialverhalten unserer Kinder wird eingeschränkt", ergänzte Markus Walpuski. Mit rund 50 anderen Kindern und Erwachsenen waren die beiden dem Aufruf von Melanie Beforth gefolgt, die die spontane Mahnwache wegen der Kita- und Schulschließungen initiiert hat. "Wir baden jetzt die Versäumnisse von Tönnies aus", sagte sie. Es könne nicht sein, dass die Profitinteressen von Großkonzernen vor dem Schutz der gesamten Bevölkerung stünden. Die Pressekonferenz im Kreishaus am Mittwoch habe ihr gezeigt, "dass es vorrangig um das schnelle Hochfahren des Betriebes geht, nicht um grundsätzliche Veränderungen der Arbeitsverhältnisse und den Schutz der Bürgerinnen." Es gehe auch nicht an, nun mit dem Finger auf die Werkvertragsarbeiter zu zeigen. "Sie können nichts dafür", betonte Beforth - und bekam Applaus. Für Renate Reckmann ist es "schändlich, die Schuld auf die Werkvertragsarbeiter abzuschieben, die in ihren Heimatländern zu Besuch waren". Das sagte die ehemalige CDU-Ratsfrau am Rande der Mahnwache. Sie kritisiert den Druck, den NRW-Ministerpräsident Armin Laschet beim Thema Grenzöffnung aufgebaut habe. "Dabei geht es in der Pandemie nicht um Wahlen und auch nicht um Geld, sondern es geht um Menschen."

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