Bikertreff im Kreis Gütersloh während Corona unter behördlicher Aufsicht

Herzebrock-Clarholz. Der junge, höfliche Mann mit der blauen Weste steht etwas abseits der Szenerie. Fast wirkt Kai Funke ein wenig auf verlorenem Posten. Um ihn herum parken gut 20, zum Teil bunt lackierte Motorräder, die bisweilen grell glänzen, wenn sich mal kurz die Sonne zeigt. Ihre Besitzer, Männer und Frauen mit Helmen, in Kutten und Ledermonturen, sind grüppchenweise ins Gespräch vertieft. Natürlich alles unter Einhaltung der 1,5 Meter Mindestabstand. &bdquo;Meistens jedenfalls", merkt Funke an. Er muss es wissen. Denn der 30-Jährige schaut von Amtswegen, dass alles mit rechten Dingen zugeht, bei dem, was in Corona-Zeiten von Deutschlands größtem wöchentlich stattfindenden Bikertreff noch geblieben ist. Offiziell ist die Veranstaltung abgesagt Der Motorradtreff an der Brocker Mühle, entstanden 1974, groß geworden in den 90er-Jahren und in Spitzenzeiten besucht von 2.500 bis 3.000 Bikern an einem Abend. Immer mittwochs, so ist es – oder besser: so war es Tradition. In der Pandemie, in der Großveranstaltungen per Landeserlass ohnehin bis zum 31. Mai 2021 verboten sind, hat sich nämlich alles geändert. Offiziell ist die Veranstaltung abgesagt, doch Tradition ist für manch einen eben Tradition und so rauschen auch an diesem Mittwochabend jede Menge Maschinen über die Groppeler Straße heran. Manche bleiben kurz stehen, einige steuern zielstrebig den Parkplatz vor dem geschlossenen Restaurant an. &bdquo;Es sind nicht die Massen wie früher. Aber wenn es zu viele werden, mehr als 35 Leute, dann greife ich ein und schicke sie weg", sagt Kai Funke, der für das Ordnungsamt der Stadt Herzebrock-Clarholz die Einhaltung der Corona-Schutzverordnung gewährleisten soll. Hinweise werden schon mal spöttisch quittiert Bis November war Funke, der im vergangenen Jahr als UWG-Bürgermeister-Kandidat für Steinhagen kandidierte, als Fachangestellter für Bäderbetriebe der Stadt beschäftigt. &bdquo;Kurz: Ich war der Bademeister im Herzebrocker Hallenbad". Dabei galt sein Blick den Schwimmern, die er &bdquo;gute zwei bis drei Mal am Tag" auf die Regeln im Becken habe hinweisen müssen. Seit er nun mittwochs die &bdquo;übrig geblieben" Biker an der Brocker Mühle beaufsichtigen muss, ist das Aufkommen auf &bdquo;20 bis 30 Ermahnungen" gestiegen, pro Einsatz. Nicht gerade ein Traumjob! Abstand wahren, Maskenpflicht einhalten – manchmal werden Funkes Hinweise mit spöttischen Bemerkungen quittiert. &bdquo;Was willst du Kleiner denn jetzt" oder &bdquo;Du trägst ja nicht mal eine richtige Uniform" hat er schon zu hören bekommen. Doch das sei die Ausnahme. Ordnungsamt will mit Augenmaß handeln Generell würden sich die meisten Biker an die Spielregeln halten. Gleichwohl sind diese gar nicht so leicht einzuhalten, denn schnell steht man mal dicht an dicht und Treffen im öffentlichen Raum sind aktuell ja mit höchstens einer Person aus einem anderen Hausstand möglich. Ergo: Das Gespräch zu zweit ist erlaubt, zu dritt hingegen verboten. &bdquo;Wir wollen mit Augenmaß handeln", sagt Reinhard Mainka (57), Sachgebietsleiter des Ordnungsamtes. Man sei schon froh, wenn nicht zu viele kommen und sich alle an die Abstände halten würden. Wer das nicht tut, muss nach wiederholter Aufforderung von &bdquo;Aufpasser" Kai Funke mit einem Ordnungsgeld ab 250,- Euro rechnen. Und wenn sich jemand &bdquo;völlig querstellt", dann werde eben die Polizei verständigt. Beides sei in diesem Jahr aber nicht nötig gewesen, sagt Kai Funke, der bereits zum vierten Mal vor Ort im Einsatz ist. "Die Saison ist doch hier schon gelaufen!" &bdquo;Seit 30 Jahren" gehört der Bielefelder Ulrich Stötefalke (57) zu den Fans der Bikertreffs in Herzebrock-Clarholz. Mit seiner Suzuki Hayabusa 1300 zählt er an diesem Mittwochabend ebenso zu den wenigen &bdquo;Gästen" wie Klaus Ebke (64), der mit seiner 115-PS-Suzuki-Tourenmaschine aus Bünde angereist ist. Beide sind sich einig: &bdquo;Die Saison ist doch hier schon gelaufen!" Mit Lockerungen, die ein &bdquo;Treffen wir früher" ermöglichen würden, rechnen sie nicht mehr. Das sei grundsätzlich schade, sagt Ebke, Krankenpfleger in Rente, denn &bdquo;hier treffen sich alle, vom Banker bis zum Gärtner." Sie eint die Leidenschaft für das Zweirad – von der Harley über das Cross-Modell bis zum Oldtimer. Die jüngsten Teilnehmer seien 16 Jahre alt, die ältesten deutlich über 70. Heinrich Ackfeld (69) aus Rheda-Wiedenbrück ist &bdquo;Baujahr 1951", wie er sagt, gehört aber nicht zu den Pionieren. &bdquo;Ich bin erst seit fünf Jahren dabei." Stolz zeigt er auf seine DKW RT 175 aus dem Jahr 1956 mit 9 PS. Genussfahrer sei er und wegen der Fachsimpeleien mit Freunden käme er zur Brocker Mühle. Auch Katja Hovenstadt (36) aus Harsewinkel, Besitzerin einer 20 Jahre alten Ninja 600, trifft sich an diesem Abend &bdquo;mit einem Kumpel". Sie war schon als 16-Jährige da und weiß: &bdquo;Wenn kein Corona ist, ist es hier brechend voll". Restaurant ist bis auf weiteres geschlossen Davon kann Andrea Greweling-Disselkamp (54) ein Lied singen, denn sie betreibt Mutter Waltraud (82) das Restaurant &bdquo;Brocker Mühle", zumindest dann, wenn sie es betreiben darf. Aktuell ist geschlossen und die Lage alles andere als rosig, &bdquo;ohne Aussicht auf Besserung". Sie weiß nicht, wann sie wieder öffnen darf. Das Bikertreffen kennt sie aus den Anfängen vor gut 47 Jahren. &bdquo;Da waren es acht bis zehn Maschinen", erinnert sie sich. Man kennt sich, man schätzt sich. Irgendwann habe das familiäre Speisenlokal die Biker mit Frikadellen und Mettbrötchen versorgt. In heutiger Zeit sind es zwei Theken, ein Getränkewagen, ein oder zwei Bratwurst- und ein Pizzastände, die beim Bikertreff aufgebaut werden. Es kämen zwischen 800 und 1.000 Personen, &bdquo;wenn denn kein Corona ist". Unabhängig vom Virus verläuft die Saison, wie Andrea Greweling-Disselkamp weiß, &bdquo;immer zwischen den Zeitumstellungen, von Anfang bis Ende der Sommerzeit". Polizei behält die Situation im Blick Somit wird also auch der Mann vom Ordnungsamt, Kai Funke, die Motorradfahrer bei ihren mittwöchlichen Treffen noch das eine oder andere Mal in Augenschein nehmen müssen. Bei der Kreispolizeibehörde Gütersloh ist das Thema ebenfalls präsent. Obgleich in den vergangenen Jahren keine besonderen Vorkommnisse oder gehäuft Verstöße registriert wurden, sagt Polizei-Pressesprecher Mark Kohnert: &bdquo;Wir haben die Situation an der Brocker Mühle im Blick."

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