
Harsewinkel. Mit einem Ergebnis, das so niemand erwartet hatte, sind die politischen Verhältnisse in Harsewinkel schneller geklärt als gedacht. Pamela Westmeyer, Kandidatin der CDU und bisher seit fünf Jahren ehrenamtliche Stellvertreterin des Stadtoberhauptes, erobert mit einem erdrutschartigen Ergebnis direkt das Amt der Bürgermeisterin.
Die Nachfolgerin von Sabine Amsbeck-Dopheide wird am 1. November offiziell ihre Arbeit im Rathaus aufnehmen. Davor hat sie einen Berg an Arbeit zu bewältigen. Am Montag, 15. September, geht es erst mal zum Empfang bei Ministerpräsident Hendrik Wüst. Und setzt auf eine ausreichende Zeit, um gemeinsam mit Amsbeck-Dopheide eine „vernünftige Übergabe“ hinzubekommen. „Auch für die Verwaltung ist es ja nach 21 Jahren neu, wieder eine neue Bürgermeisterin einarbeiten zu müssen.“
Im Stadtrat selbst verschieben sich die Verhältnisse deutlich. SPD, FDP und Grüne verlieren gegenüber der Kommunalwahl 2020 an Einfluss. Die CDU baut dagegen ihre Prozentzahlen und auch die Sitze im Vergleich zu 2020 aus. Die AfD, bisher mit Eugen Penner als Ratsmitglied nur mit einer Person vertreten, wird voraussichtlich fünf Ratsmitglieder stellen.
„Es fühlt sich surreal an“, gibt die neue Bürgermeisterin zu
Es ist merkwürdig still, als Pamela Westmeyer um 20.17 Uhr, begleitet von einer ganzen Entourage ihrer Unterstützer, in die Wahllobby in der Aula des Gymnasiums eintrifft. Während dort Mitglieder und Sympathisanten der anderen vier Fraktionen seit 18 Uhr in einer immer weiter wachsenden Menge den Eingang der Ergebnisse der Wahlbezirke verfolgen, wich die CDU wie vor fünf Jahren ins „Emstal“ aus.

Dass sie so früh mit so großem, mit jedem ausgezählten Stimmbezirk weiter wachsenden Vorsprung von dort in die Wahllobby losfahren würde, hätte Westmeyer selbst nicht gedacht. „Es fühlt sich surreal an. Ich hätte niemals damit gerechnet, nicht in die Stichwahl gehen zu müssen“, sagt sie und bleibt auch bei der einsetzenden Gratulationscour zurückhaltend: „Erst, wenn das Ergebnis feststeht.“
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Ganz anders ihr Parteifreund Dieter Berheide, der in seinem sicher gewonnenen Wahlbezirk noch einmal vier Prozent draufgelegt hat und die Backen aufbläst: „Lächeln! Auch wenn’s wehtut“, kann er sich die Häme insbesondere gegenüber der SPD nicht verkneifen.
SPD-Kandidat Dräger hatte sich auf eine Stichwahl eingestellt
Den Sozialdemokraten steht allerdings an diesem Abend schon früh das Entsetzen ins Gesicht. „Ich bin enttäuscht, ich hatte mich auf die Stichwahl eingestellt“, sagt deren Kandidat Ralf Dräger angesichts von nur 24,0 Prozent ehrlich. Westmeyer habe in den fünf Jahren einen Bekanntheitsgrad aufgebaut, der durch einen Wahlkampf nicht aufzuholen sei. Fraktionssprecher Florian Hinney macht vor allem das AfD-Ergebnis zu schaffen. „Das erfüllt mich mit großer Sorge.“
Die AfD, von deren Vertretern einige nach einem weitgehend anonym gestalteten Wahlkampf erstmals sichtbar werden feiert ihren veritablen Stimmenzuwachs. Bundestagsabgeordneter Udo Hemmelgarn, das Gesicht der AfD in Harsewinkel, kündigt an, mit Listenplatz 4 auf jeden Fall auch Kommunalpolitik machen zu wollen.
Liberale und Grüne hatten auf bessere Ergebnisse gehofft
Ein deutlich besseres Ergebnis hatte sich Andreas Hanhart ausgemalt. „Ich bin negativ überrascht“, sagt der Liberale, der zusammen mit einer kleinen Mannschaft einen erfrischenden Wahlkampf mit vielen Ideen gemacht hat. „So einen modernen und aktiven Wahlkampf würde ich immer wieder machen“, sagt er.
Auch Janosch Linden (Die Grünen) war von einem deutlich besseren Ergebnis ausgegangen. „Wir haben die Themen auf den Punkt gebracht, sind sehr direkt gewesen und sind auch angeeckt“, sagt er und dankt seinem Team.
KOMMENTAR DER REDAKTION
Sieg mit Knalleffekt
Auch wenn Pamela Westmeyer die erste Stunde des Triumphes eher still genießt, hat sie Grund, das überraschende Wahlergebnis zu feiern. Nach 31 Jahren stellt die Mehrheitspartei CDU erstmals auch wieder die Bürgermeisterin. Die Nachfolgerin von Sabine Amsbeck-Dopheide übernimmt unter schwierigen Voraussetzungen.
Die Finanzsituation schrumpft ihre Gestaltungsmöglichkeiten ein. Noch schwerer wiegt, dass sie und ihre Fraktion angesichts des mageren Ergebnisses von SPD, Grünen und FDP sowie der fünf AfD-Ratssitze Probleme bekommen, Mehrheiten zu organisieren, die ohne AfD-Stimmen zustande kommen. Nun muss sich zeigen, ob die Abgrenzung (Westmeyer am 20. August: „Es wird keine Zusammenarbeit mit denen geben“) bestehen bleibt.
Für die vier gesichert demokratischen Fraktionen im Stadtrat wird es um so wichtiger, bei den großen Themen in sicher harten Auseinandersetzungen eine neue Ebene der gegenseitigen Kompromissbereitschaft zu zeigen. In der abgelaufenen Wahlperiode spielte die AfD mutmaßlich nur in einer einzigen (geheimen) Abstimmung Zünglein an der Waage. Mit nun fünf Fraktionsmitgliedern wird nun die Nagelprobe sein, Ergebnisse zu erzielen, ohne von der AfD abhängig zu sein.
Nachdenklich stimmt: Eine Partei, die im Wahlkampf bewusst gesichtslos blieb, erreicht 15,66 Prozent. Hat irgendjemand der mehr als 4.000 Harsewinkler, die bei der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei ankreuzten, eine Ahnung, welche rein kommunalpolitischen Positionen und Meinungen die fünf Ratsleute überhaupt vertreten? Der Verdacht liegt nahe, dass es den Kreuzchenmachern gar nicht um Lokalpolitik ging.