Claas-Chef spricht offen: So schwierig ist das aktuelle Geschäft mit Russland

Harsewinkel. Erst vor wenigen Tagen hat Jan-Hendrik Mohr bei der wie ein Rockkonzert inszenierten Präsentation der Neuheiten auf dem Markt der Landmaschinen aus den Claas-Werken ein starkes Ergebnis für das Bilanzjahr 2022/2023 für den weltweit operierenden Konzern angekündigt. Und zugleich die sich eintrübenden Vorzeichen für das Geschäftsjahr 2023/2024 (beginnt am 1. Oktober) benannt. In einem ersten großen Interview seit seiner Übernahme des Chefsessels geht der Chef von rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weltweit in der &bdquo;Süddeutschen Zeitung“ besonders auf die Schwierigkeiten ein, die der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine dem Unternehmen bereitet. Beide Länder sind entscheidende Faktoren in der Weizenproduktion und damit auch für Claas. In beiden Ländern sei das Geschäft infolge des Krieges stark beeinträchtigt, während der Konzern in anderen Märkten wie in Asien, Usbekistan und Kasachstan wachse. Claas produziert aktuell keine Mähdrescher in Krasnodar &bdquo;Für die Ernährung der Welt sind beide Länder wichtig“, erklärt Mohr im Interview zu Russland und der Ukraine. Daher müsse dort weiter Landwirtschaft betrieben werden. Und dafür brauche es Erntemaschinen. &bdquo;Jedes einzelne Weizenkorn, das auf einem Schiff den Weg über das Schwarze Meer nach Afrika antritt, muss erstmal durch einen Mähdrescher. Jedes einzelne!“, betont er die Bedeutung der Maschinen für die weltweite Versorgung. Mohr bestätigt in dem Interview, dass Claas in seinem Werk in Krasnodar, immerhin nach dem Stammwerk in Harsewinkel mit einem Investitionsvolumen von 150 Millionen Euro das zweitgrößte im Konzern, aktuell keine Mähdrescher produziert. Man habe sich dort bereits von Mitarbeitern trennen müssen. Denen, die noch da seien, würden weiter Löhne gezahlt. Komplette Maschinen darf Claas weiter nach Russland exportieren. Dass Landmaschinen zum Teil von Sanktionen ausgenommen seien, sei richtig, erklärt der Chef von rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weltweit. Das gelte etwa auch für Arzneimittel oder Medizintechnik. Lesen Sie auch:Das große Claas-Dilemma "Wir wollen uns nicht aus einer der weltweit wichtigsten Landwirtschaftsregionen zurückziehen" Dagegen würden Traktoren als &bdquo;dual use“ (doppelte Verwendbarkeit) auf der Liste stehen, weil sie auch militärischen Zwecken dienen können. Allerdings werde es für Claas immer schwieriger, für die gelieferten Maschinen auch das Geld zu bekommen. Wie es für Claas in Russland weitergeht, wo andere renommierte Firmen unter politischem oder finanziellem Druck bereits ihr Geschäft aufgegeben haben, lässt auch Mohr offen. &bdquo;Aufgrund der sehr unsicheren Lage können wir keine Prognose machen“, sagt er. Der Autobauer Renault habe laut &bdquo;SZ“ bereits vor einem Jahr sein Russlandgeschäft zum symbolischen Preis von einem Rubel verkauft. Mohr sieht Claas in einer anderen Rolle. &bdquo;Grundsätzlich leisten wir mit unseren Maschinen einen Beitrag zur weltweiten Nahrungsmittelversorgung“, erklärt er. Dies sei Aufgabe der Landwirte jenseits von Umsatz und Gewinn. &bdquo;Millionen Menschen in der Welt hungern. Wir können und wollen uns nicht aus einer der weltweit wichtigsten Landwirtschaftsregionen zurückziehen“, erklärt er, warum Claas am Standort festhalte. Ziehen die Preise wieder an? Der Claas-CEO räumt allerdings auch ein, dass diese Haltung mit einem hohen Risiko verbunden sein könnte, da Claas aufgrund der aggressiven politischen Entscheidungen gegen den Westen durch die Gesetzgebung in Russland nicht Herr des Geschehens sei. So sei der französische Konzern Danone gerade erst auf ein Dekret von Putin hin enteignet worden. Auf die Frage, ob er auch so etwas fürchte, antwortet Mohr: &bdquo;Im Extremfall kann das so sein. Wir beobachten die Lage.“ Das einseitige Aufkündigen des Getreideabkommens durch Russland löst auch bei Mohr Frustration aus, wie er im &bdquo;SZ“-Gespräch sagt. Dies verändere Warenströme und Preise. So lande Getreide aus Europa, Australien oder Brasilien in Nordafrika. &bdquo;Es kann sein, dass die Preise wieder anziehen“, vermutet er und skizziert dramatische Folgen. Situation in China &bdquo;400 Euro pro Tonne Weizen sind vielleicht gut für die Landwirte, aber für Menschen, die weniger als 50 Cent am Tag haben, ist das katastrophal. Das ist ein humanitäres Dilemma“, rückt Mohr hier Relationen zurecht. Es treffe die Ärmsten, während Russland dank der produzierten Mengen und Europa dank der Kaufkraft kaum betroffen seien. Mohr appelliert, alternative Routen zu nutzen. Neben Russland gelte es für Claas auch im Chinageschäft, angesichts steigender Spannungen Chancen und Risiken auszubalancieren. Auf ein &bdquo;Abkoppeln“ des chinesischen Marktes, wie ihn einige Politiker empfehlen, geht Mohr nicht konkret ein. &bdquo;In China produzieren wir für den lokalen Markt, zunehmend auch für den Export“, erklärt er.

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