SPD-Bürgermeister-Kandidatin: "Wilhalm bietet eine einmalige Chance"

Sabine Amsbeck-Dopheide, Sie treten nach 16 Jahren im Amt noch einmal zur Wahl an. Was treibt Sie noch an? Sabine Amsbeck-Dopheide: Ich bin noch nicht fertig. In den vergangenen Jahren ist viel in Bewegung gekommen. Seit 2004 habe ich die TWE-Reaktivierung vorangetrieben. Die Energiewende ist auch in Harsewinkel ziemlich am Anfang, obwohl der Rat die Klimaziele schon 2013 beschlossen hat. Die Innenstadtgestaltung hat auch durch Wilhalm neue Impulse bekommen. Nach der Freibadsanierung steht die Hallenbadsanierung an. All das möchte ich weiter an verantwortlicher Position mitgestalten und auf einen guten Weg bringen. Das treibt mich an. Die Arbeit an den Projekten macht mir nach wie vor Freude. Obwohl gerade der Wilhalm das Zeug zum Zankapfel und Dauerpolitikum hat? Amsbeck-Dopheide: Was bei näherer Betrachtung überflüssig ist. Wir können 50 Prozent für Umbau und Sanierung aus der Städtebauförderung beantragen. Und wir können sogar nachträglich die Hälfte des gezahlten Kaufpreises bis zu 550.000 Euro durch das Land erstattet bekommen. Das entlastet den Haushalt. Dennoch gibt es Kritik, weil das Konzept mit Sanierung und Beleben des Hauses teuer wird. Amsbeck-Dopheide: Wir erhalten die Gelder nur, wenn wir mit unserem Konzept auch einen Gemeinbedarf decken. Für den von der CDU gewünschten reinen Gastronomiebetrieb gibt es keinen Pächter, und es gibt auch keine Städtebaufördermittel. Aber genau diese brauchen wir, um das Haus in eine gute Zukunft zu führen. Die Ratsmehrheit hat das alte Gasthaus vor dem Abriss bewahrt. Es soll ein Begegnungsort in der Innenstadt bleiben. Das Heimathaus bietet dagegen nur beschränkt Platz. Die VHS sucht seit Jahren Räume für Vormittagskurse, weil da die Schulen belegt sind. KuBi und BSV beschweren sich als Träger über die zunehmende Nutzung des Heimathauses für zahlreiche Sprachkurse. Die Tenne ist für größere Veranstaltungen zu klein, wenn jemand im Obergeschoß geht, wackelt die Leinwand und die Decke knarrt. Der Saal bei Wilhalm soll für größere Veranstaltungen Platz und eine bessere Akustik haben. Und Räume für Vormittagskurse gibt es auch. Dennoch kommen auf die Stadt immense Kosten zu? Amsbeck-Dopheide: Es gibt Überlegungen, eine Stadtstiftung zu gründen, in der die Stadt die Immobilie als Kapital einbringt. Noch mal: Dank der Förderung bietet sich uns eine einmalige Chance. Dafür muss das Haus aber eben mehr als eine Gaststätte sein, sondern auch Kunst und Kultur dienen. Ein Kulturmanager ist zwingender Bestandteil des Konzeptes &bdquo;Dritte Orte", sagt das Land als Fördermittelgeber. Derzeit haben wir für Kulturangelegenheiten nur eine Fünftel-Stelle im Rathaus. Da sind vergleichbare Kommunen ganz anders aufgestellt. Die Stelle wird drei Jahre lang mit 80 Prozent gefördert, wir finanzieren weitere drei Jahre voll. Das halte ich für vertretbar. Unsere Ehrenamtlichen, die mit ihrem Engagement die Kultur vor Ort befeuern, brauchen einen Ansprechpartner, insbesondere nach Corona. Der Wilhalm ist nur eins von vielen Puzzleteilen bei der Innenstadtplanung? Amsbeck-Dopheide: Bei der spielen Einzelhändler und Gastronomie nicht die alleinige, aber eine entscheidende Rolle, wenn wir das Zentrum beleben wollen. Vorschläge wie Einbahnstraßenlösung oder Sperrung der Münsterstraße am Alten Markt fanden keine Mehrheit. Die Angst vor Auswirkungen auf die Umsätze der Ladeninhaber war und ist groß. Die Verwaltung schlug als Kompromiss vor, den Marktplatz teilweise bis zum Wendlandhaus autofrei zu machen. Die wegfallenden Parkplätze hätten an die Münsterstraße nahe der Arztpraxen und der Apotheke verlegt werden können. Selbst dieser Minimalkompromiss mit Versetzen des Froschbrunnens auf den Marktplatz und einer Außengastronomie war bisher nicht mehrheitsfähig. Was soll das ISEK bringen? Amsbeck-Dopheide: Es soll ein Verkehrskonzept für die Innenstadt erarbeitet werden. Dies kann eine Einbahnstraßenführung und eine zeitlich befristete autofreie Zone vorsehen. Da könnte ein Bürgerentscheid eine Lösung sein. All diese Dinge kosten Geld, das die Stadt derzeit nicht hat. Wie lässt sich die finanzielle Situation in Corona-Zeiten mit den Plänen vereinbaren? Amsbeck-Dopheide: Wir erleben durch die deutlich geringeren Gewerbesteuereinnahmen und erst recht durch die Corona-Pandemie ein außergewöhnlich schwieriges Haushaltsjahr. Ich habe großes Vertrauen in die heimischen Unternehmen und in die Stadtverwaltung, dass wir diese Krise schnell überwinden. Momentan finanzieren wir den Konsum mit Kassenkrediten. Das ist mir wesensfremd, aber ich will keine langfristigen Kredite aufnehmen, sondern die jetzt entstehenden Schulden anschließend schnell und ohne Tilgungsstrafen wieder abbauen. Wir können und sollen weiter investieren und dafür Förderprogramme nutzen. Sie sprachen von Zielen, die Sie noch vollenden möchten? Amsbeck-Dopheide: Ich bin 2004 mit dem Ziel angetreten, dass der Personenzug wieder in Harsewinkel hält. Ich hoffe, dass wir im zweiten Schritt mit diesem über Versmold und Ibbenbüren auch bis Osnabrück oder Münster und über Hövelhof hinaus bis Paderborn fahren können. Alle Parteien haben das Rad als Alternative zum Kfz-Verkehr entdeckt. Kommt die Infrastruktur da hinterher? Amsbeck-Dopheide: Die Reaktivierung der TWE und der Radweg B 513 für schnelle Radfahrer könnte die Belastungen auf der Straße reduzieren oder wenigstens die prognostizierte Kfz-Zunahme kompensieren. Dadurch können wir hoffentlich die Umgehungsstraße durch die Lutteraue vermeiden. Ob die Verkehrswende gelingt und wie sich der Verkehr entwickelt, kann niemand vorhersagen. Ich kann daher nicht versprechen, dass die Südumgehung nicht erforderlich sein wird. Nach der Mobilitätsanalyse des Kreises gibt es die meisten Pendlerbeziehungen von Harsewinkel nach Gütersloh. Daher habe ich besonders den Radweg an der B 513 im Auge. Das Land ist zuständig für den Bau. Es scheitert bisher an einem Grundstückseigentümer, der die nötigen Flächen nicht veräußern will. Gibt es eine andere Lösung? Amsbeck-Dopheide: Ich bin mir sicher, dass der Radweg zwischen Marienfeld und Harsewinkel kommt, wenn das interkommunale Gewerbegebiet Flughafen entwickelt wird. Meine Vision ist ein Radschnellweg mit Anbindung an einen Radschnellweg von Gütersloh bis Herford. Massiven Widerstand gibt es bei den Plänen zur Windkraft. Amsbeck-Dopheide: Beim Ausbau der Windenergie bin ich abhängig von politischen Mehrheiten. Windenergie ist unverzichtbar, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Ich setze mich weiter ein, dass noch mehr, auch gewerbliche, Flächen für Photovoltaik genutzt werden. Ist die durch wegfallende Förderung noch attraktiv? Amsbeck-Dopheide: Daher brauchen wir weiter die Energieberatung für Gewerbetreibende und Privatpersonen. Wir müssen Betreiber verstärkt unterstützen und beraten, deren PV-Anlagen aus der Bezuschussung fallen. Potenziale für Freiflächenphotovoltaik müssen seitens der Verwaltung geprüft werden. Wir müssen eine Vermarktung für den hier erzeugten Strom aufbauen und die Kraftwärmekopplung in Unternehmen fördern. Bisher scheiterten Lösungen, in den Baugebieten Nahwärme auf Basis erneuerbarer Energien anzubieten, am Anschluss- und Benutzungszwang für die Bauherren. Da brauchen wir Lösungen. Sie befürworten die Mehrheitsbeteiligung an Stadtwerken? Amsbeck-Dopheide: Wir haben jetzt 25,1 Prozent und es geht um die Aufstockung unserer Beteiligung an der Stadtwerke Harsewinkel GmbH auf 50,1 Prozent. Diese Unternehmensbeteiligung hat der Stadt bisher gute Erträge gebracht. Wir müssen für den Kauf weiterer Anteile Schulden machen. Zinsen brauchen wir aktuell kaum zu bezahlen. Die Erträge aus dem Unternehmen machen aus der Mehrheitsbeteiligung an unseren Stadtwerken eine gewinnbringende Investition. Wo Stadtwerke Harsewinkel drauf steht, sollte auch Harsewinkel mehrheitlich drin sein. Wo kann noch mehr passieren? Amsbeck-Dopheide: Die privaten Haushaltskunden versorgen wir als Stadtwerke Harsewinkel zu 100 Prozent mit grünem Strom. Bei den gewerblichen Kunden haben wir ein bisschen Luft nach oben. Insgesamt liegen wir mit 95 Prozent für Gewerbe und Private beim Grünstrom. Damit stehen wir im Vergleich zu anderen Stadtwerken gut da. Zudem ist im Klimaschutzkonzept eine Wasserstoffpilotanlage geplant. Wir kaufen vier Elektrofahrzeuge für Verwaltung und Eigenbetriebe mit Fördermitteln. Ein Großteil der städtischen Gebäude wird mit selbstproduziertem Strom aus Photovoltaik und Kraftwärmekopplung versorgt. Mein Ziel ist eine CO2-neutrale Verwaltung bis 2030. Corona macht soziale Differenzen und Verwerfungen noch sichtbarer. Wie bekommt das Harsewinkel zu spüren? Und was kann die Stadt tun? Amsbeck-Dopheide: In Einfamilienhäusern mit Garten lassen sich ein Lockdown oder Quarantäne leichter ertragen. Aber Kinder und Jugendliche, die keinen Platz für Schularbeiten haben, können erst recht kein Homeschooling schaffen. Wir haben für diese ein gutes Unterstützungssystem aufgebaut. Dieses hat schon in der Finanzkrise und bei der Flüchtlingszuwanderung geholfen. Krisen treffen immer besonders die Ärmsten. Spiel- und Sportangebote für Kinder und Jugendliche draußen auf dem Dammanns Hof, wie sie AWO jetzt verstärkt noch einmal anbietet, und im Michel-Vauthrin-Park, helfen verunsicherten Kindern und Eltern. Die Lernlücken werden gefüllt durch Nachhilfe. Hierzu können sich Ehrenamtliche, Studentinnen und Studenten, die zu Jobcenterkonditionen bereit sind, dreimal in der Woche Nachhilfe zu geben, an die AWO wenden.

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