Gefährliche Stolperfallen: Das sind die Hindernisse dieser Stadt im Kreis Gütersloh

Harsewinkel. Ein Quartiersspaziergang bei sonnigem Wetter durchs Harsewinkeler Stadtzentrum. Dazu hat die Arbeiterwohlfahrt Gütersloh (AWO) für Donnerstag, 10. Juli, eingeladen. Auch NW-Autor Matthias Reiprich nimmt daran teil. Was nach einem gemütlichen Vormittag klingt, hat einen wichtigen Hintergrund. &bdquo;Wir wollen live erleben, wie barrierefrei Harsewinkel ist“, klärt mich AWO-Mitarbeiterin Julia Kelp auf. Geführt von Friederike Hegemann und Luisa Wink aus der AWO-Wohnberatung begeben wir uns auf die Runde durchs Zentrum. Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide ist ebenfalls mit dabei und möchte beim Rundgang mit den Leuten ins Gespräch kommen. &bdquo;Der Quartiersspaziergang findet in Harsewinkel zum fünften Mal statt. Allerdings zum ersten Mal im Stadtzentrum“, sagt Hegemann. Sie verteilt Zettel und Stifte, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer notieren können, wo ihnen Barrieren auffallen und was ihnen positiv ins Auge fällt. Wir starten unseren Rundgang an der Münsterstraße am Rathaus. Zu Beginn fühle ich mich überfordert. Wie soll ich hier Barrieren finden? &bdquo;Barrieren können ganz unterschiedlich auftreten“, erklärt Hegemann. Das könnten Poller, Stufen und fehlende Rampen sein oder enge und dunkle Gassen. Aber auch fehlende Leitlinien, zu wenig Sitzmöglichkeiten, problematische Bordsteinkanten oder andere Hindernisse. Lesen Sie auch: Deutschlandweit bekannt: Gütersloher Ausflugsziel muss schließen – gibt es Alternativen? CDU-Ratsherr spricht Problematik an Ein Hindernis hatte im Vorfeld bereits Frank Wesselmann angesprochen. Der Dachdecker sitzt seit einem schweren Unfall im Rollstuhl und steht mit diesem in Harsewinkel selbst oft genug vor Problemen. Eines davon sind die Bordsteine am Parkstreifen an der Münsterstraße vor einem Elektronikgeschäft. Zwar gibt es dort einen breiten Parkplatz für Menschen mit Behinderung, auf dem er mit genügend Abstand zum Nachbarauto bequem seinen Rollstuhl startklar machen kann. Doch die Mini-Barriere erweist sich mit diesem als unüberwindbar. &bdquo;Die Bordsteine müssten rundum abgesenkt sein“, sagt der CDU-Ratsherr. Für ihn ist das ein typisches Beispiel dafür, dass solche Dinge für Menschen in seiner Situation nicht zu Ende gedacht seien. Um auf den Gehweg zu gelangen, müsse er als &bdquo;Geisterfahrer“ auf der Straße erst um die Kurve &bdquo;Am Pfingstknapp“, um dort über den dort vorschriftsmäßig abgesenkten Bordstein zu seinem Ziel fahren zu können. Auch wir biegen auf unserer Tour von der Münsterstraße ab, allerdings in die August-Claas-Straße. Dabei komme ich mit Vanessa ins Gespräch. Die 32-Jährige hat eine Sehbehinderung und ist mit Blindenführhund Lynn unterwegs. Sie schildert mir, dass ihr oft die Markierungen zum Überqueren von Straßen fehlen und dass es an einigen Stellen im Zentrum nicht ausreichend Überquerungsmöglichkeiten gibt. &bdquo;Zum Beispiel, wenn ich zum Action-Markt möchte.“ Viele Barrieren tauchen im Kreis Gütersloh auf Doch nicht nur sie stellt der Zebrastreifen an der Münsterstraße vor Herausforderungen. Anni Mussenbrock ist auf den Rollstuhl angewiesen. Heute hat die 84-Jährige Unterstützung von Betreuungsassistentin Sandra Düzgün, aber wenn sie alleine unterwegs ist, stellt der nicht ausreichend abgesenkte Bordstein am Zebrastreifen eine schwer zu überwindende Hürde dar. Die nächsten Barrieren für die Teilnehmer des Rundgangs warten im Verlauf der August-Claas-Straße. An einigen Stellen verengt sich der Bürgersteig, weil auf Höhe der Geschäfte auch Parkstreifen für Autos sind. Schnell steht fest: Das vorgegebene Mindestmaß von 1,20 Metern Platz auf dem Gehweg wird oft kaum eingehalten. Kurz vor der Marienstraße erkennt Mussenbrock die nächste Gefahr: Rund um einen eingepflanzten Baum ist dort eine Kuhle nicht zugeschüttet worden. &bdquo;Wenn ich da mit dem Rollstuhl reinfahre, komme ich nie im Leben alleine wieder raus“, sagt die 84-Jährige. Positiv hebt Reinhilde Schmitz die Bänke in der Nähe hervor. Die 82-Jährige findet es gut, dass es so viele Sitzmöglichkeiten rund um die Innenstadt gibt, auf denen man kurz verweilen kann. Sie lobt außerdem die Höhe der Bankflächen, aufgrund derer man in einer gesunden Position sitzen und problemlos wieder aufstehen könne. Der Blick schärft sich im Verlauf des Rundgangs Nach und nach merke ich, wie ich dank der Gespräche selbst einen Blick für mögliche Barrieren entwickle. Im Halteverbot stehende Autos, die &bdquo;nur mal eben schnell einladen“ wollen, oder Poller, die laut der Bürgermeisterin aufgestellt wurden, um Autodurchfahrten an besagten Stellen zu verhindern. So auch in der Marienstraße. &bdquo;Wenn ich da mit dem Fahrrad durchfahre, steige ich lieber ab, weil es sonst so eng wird“, berichtet Schmitz. Und eng wird es auch in der Clarholzer Straße. Die Aufsteller eines Textildiscounters und vor dem Geschäft abgestellte Fahrräder sorgen dafür, dass wir unseren Weg an dieser Stelle nur schwerlich fortsetzen können. &bdquo;Jetzt kommt eine ganz schwierige Stelle, die meiden wir auf unseren Spaziergängen immer“, erklärt mir kurz darauf Mussenbrock. Dort wo die Clarholzer Straße zur Doktor-Pieke-Straße wird, senkt sich an der Ecke zum Kultorort Wilhalm der Bürgersteig vor dem Zebrastreifen so stark, dass sie als Rollstuhlfahrerin aus eigener Kraft nicht um die Kurve kommt. &bdquo;Da kann ich nur lang, wenn ich wie heute in Begleitung bin“, sagt sie. Parkende Autos sorgen immer wieder für Schwierigkeiten Ähnlich schwierig gestalte sich oft auch die Überquerung des Zebrastreifens am Fotoladen an der Brockhäger Straße. &bdquo;Wenn der Bereich zum Überqueren von parkenden Autos blockiert wird, dann kommen wir nicht rüber“, sagt Mussenbrock. Vanessa weist mich darauf hin, dass viele Barrieren in der Stadt von den Anwohnern selbst geschaffen werden. Ihr Weg wird von ungünstig platzierten Mülltonnen und nicht ordnungsgemäß geschnittenen Hecken erheblich beeinträchtigt. Lesen Sie auch: Autofahrer ignorieren Einbahnstraße im Kreis Gütersloh: Verwirrung um neue Regeln Bürgermeisterin Amsbeck-Dopheide kommt während der Tour immer wieder mit den Leuten ins Gespräch und verspricht, sich der Barrieren anzunehmen, während die Mitarbeiterinnen der AWO die vielen Anregungen der Teilnehmer auswerten und Lösungen erarbeiten wollen. Und wenn ich in demnächst durch die Innenstadt laufe, werde ich vieles mit einem anderen Blickwinkel wahrnehmen.

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