Harsewinkel. Gebaut haben sie den Kraftprotz in Harsewinkel, damit der auf Äckern und Feldern seine „Muckis"als Erntehelfer und Zugmaschine entfaltet. Der Claas Xerion 5000 zeigt auch auf der Nordschleife des Nürburgrings in der Eifel, wie sich seine mehr als 550 Pferdestärken auch auf dem ungewohnten Terrain der traditionsreichen Rennstrecke einsetzen lassen.
Zu der spektakulären Premiere auf der berühmtesten und zugleich berüchtigsten Rennstrecke der Welt kommt es dank der Redakteure der Zeitschrift „Auto, Motor, Sport". Ein Leser fragte, ob die Autotester des Magazins, die ihre Lust-Objekte gerne mal auf eine schnelle Runde auf den Nürburgring schicken, nicht mal so eine „Fast Lap" mit dem Traktor ausprobieren wollen. Wollen sie. Die Claasianer in Harsewinkel natürlich auch.
Erfolgreicher Pilot am Start
Für die 20,6 Kilometer lange Runde mit ihren 73 Kurven auf dem modernen Traktor heuern die Autoexperten einen erfolgreichen Piloten an, der auf der Strecke jedes einzelne Asphaltkorn kennt. Christian Menzel, der sonst in tief liegenden und hochgezüchteten Supersportwagen Erfolge wie beim Porsche-Cup feiert, hockt sich in das Ungetüm, um in drei Meter Höhe aus der Kabine mit Rundumblick sein sportliches Wohnzimmer einmal aus einer völlig anderen Perspektive zu betrachten. Eine Erfahrung, die den Rennfahrer staunen lassen.
„2600 Newtonmeter? Hatte ich noch nicht, das ist Rekord", sagt er bewundernd. Die Power brauchen Traktoren, um bei niedrigen Geschwindigkeiten große Lasten zu ziehen. Und mit 17 Tonnen Gewicht, verteilt auf vier 2,15 Meter gleichhohe Räder, ist der Bursche aus der Eifel, der schon als Neunjähriger – natürlich illegal – mit dem Porsche-Traktor seines Opas durch die Wälder fuhr, auch noch nie unterwegs gewesen.
Sein Sitz schaukelt ganz schön auf
Dass alle vier Räder mitlenken und er zudem mit der gedrehten Kabine über dem Motorblock auch noch rückwärts unterwegs ist, verwirrt den Hochgeschwindigkeitsfahrer noch zusätzlich. Dabei ist der Branchenprimus Xerion Trac VC rückwärts genauso schnell wie vorwärts. „Der ist aber sehr weich gefedert" fällt dem Rennfahrer auf, der brettharte Aufhängungen seiner Boliden gewohnt ist. „Habe ich permanent Allrad?", will Menzel wissen. „Das ist wie Audi Quattro fahren", erklärt Claas-Instruktor Florian Höhn, der dem Profi auf der Einführungsrunde als Beifahrer die Feinheiten des High-Tech-Aggregats erklärt.
Dann ist Menzel mit Helm und alleine in der Kiste in Richtung Höchstgeschwindigkeit unterwegs. Wobei sein Sitz schon bei leichten Bodenwellen schön aufschaukelt. „Kinders, an dem Set-Up müssen wir aber noch was tun. Ein adaptiver Dämpfer muss hier rein", mault er humorvoll. Trotz der Masse lenkt er den Xerion auf der Ideallinie immer schön über die Kerbs genannten Fahrbahnränder. „Schön raustragen lassen, abstützen, wunderbar", schwärmt er, während er mit 48 km/h in Kurven wie der „Spielgrube" wieder spät einlenkt, den Scheitel trifft, die Traktion spürt und erneut Vollgas gibt.
Seine persönliche Mutkurve
Normalerweise hätte er im Porsche bei Geschwindigkeiten bis zu 275 Stundenkilometern beide Hände am Lenkrad, mit Tunnelblick auf das Asphaltband. Hier kurbelt er bequem am Lenkradknauf und hat sogar noch Zeit, den Zuschauern an der Strecke zuzuwinken. „Hat der eigentlich auch ESP?" will er wissen. Ein Stabilitätsprogramm braucht der Koloss nun wirklich nicht. Es sei denn, er kommt bergab in der „Fuchsröhre" auf 62 km/h und 1800 Umdrehungen.
Und im „Adenauer Forst", wo es ihn verdammt weit raus trägt, würde er sich schon eine etwas direktere Lenkung wünschen. Am „Wehrseifen" bremst Menzel ausnahmsweise ab, als er mit Voll-Karacho in die Links-Rechts-Kombination kurvt. „Die Reifen bleiben gribfest, die bauen nicht ab", stellt er zufrieden fest. Auch der Spritverbrauch ist anders als beim Porsche, mit dem er sonst mit 245 km/h durch seine persönliche Mutkurve am „Klostertal" dröhnt, trotz permanentem Vollgas vernachlässigbar.
"Im Rennwagen hätte ich den Xerion dreimal überrundet"
„Eingeschlagen bin ich hier noch nicht", sagt er. „Aber es war schon ein paar Mal knapp davor." Im Claas-Boliden kann ihm das nicht passieren. Obwohl er im berühmten „Karussell" auf seinem Fahrersessel noch mal heftig ins Schwingen kommt. „Hohe Acht", „Wippermann" und „Pflanzgarten", wo die Autos wegen der Schwungkuppen ins Fliegen kommen, nimmt der Schlepper mit stoischer Präzision. Die Belohnung ist eine nicht erwartete Rundenzeit.
Exakt 25 Minuten, 50 Sekunden und 57 Zehntel zeigt die GPS-Messung auf der Ziellinie. Im Schnitt macht das respektable 47,85 km/h. „Im Rennwagen hätte ich den Xerion dreimal überrundet", erklärt ein begeisterter Christian Menzel. Dennoch habe er allerhöchsten Respekt vor dem Schlepper. Mit dem bricht er einen Rekord: Rennfahrerlegende Walter Röhrl war 2012 fuhr mal mit einem historischen Porsche-Diesel Junior Schlepper für einen guten Zweck auf der Nordschleife. Langsamer als der Xerion, aber auch mit deutlich weniger PS.