Meinung

Mega-Deal im Kreis Gütersloh: Familienunternehmen hätte ohne Übernahme Insolvenz gedroht

Die Entscheidung steht: Die Premium Food Group darf The Family Butchers schlucken. Deutlich wird jetzt, wie hoch der externe Druck auf das Unternehmen ist.

Am Haupteingang zum Versmolder Betriebsgelände steht das TFB-Firmenschild. Die Reinert Sommerwurst im XL-Format als das Aushängeschild ist geblieben. | © Tasja Klusmeyer

01.10.2025 | 01.10.2025, 19:39

Kreis Gütersloh. Da kündigt also die Nummer eins einer Branche an, die Nummer zwei übernehmen zu wollen. Und die Wettbewerbshüter, die doch darüber wachen sollen, dass keine marktmächtigen Unternehmen entstehen, die künftig die Kundinnen und Kunden schröpfen, winken das alles durch?

Immerhin wird durch die Fusion doch ein noch gigantischeres Unternehmen entstehen. Was auf den ersten Blick verwundert, entpuppt sich zwischen den Zeilen der Begründung des Kartellamtes als dramatische Machtverschiebung im Markt.

Und zwar nicht, indem die Premium Food Group (PFG, früher Tönnies) als mächtige Krake ihre Fangarme noch weiter auf die nachgelagerte Wertschöpfungsstufe ausdehnt, bei den Wurstwarenherstellern die Konditionen bestimmt und die eigenen Töchter womöglich bevorzugt.

Newsletter
Wirtschaft
Wöchentlich die neuesten Wirtschaftsthemen und Entwicklungen aus OWL.

Ausbleibende Übernahme hätte mutmaßlich TFB-Insolvenz bedeutet

Natürlich ist diese Gefahr gestiegen - allerdings war die PFG-Tochter „zur Mühlen“ auch bislang schon die Nummer eins auf dem Wurstmarkt. Und dennoch sieht das Bundeskartellamt auch durch diesen Mega-Deal so gut wie keinen relevanten Teilmarkt, auf dem der Konzern jetzt einen Marktanteil von mehr als den als grenzwertig angesehen 40 Prozent aufweist.

Es war einst als große Unternehmens-Ehe auf allen Ebenen geplant. Letztlich hat die Fusion von Kemper und Reinert zu TFB nicht nachhaltig funktioniert. - © Tasja Klusmeyer
Es war einst als große Unternehmens-Ehe auf allen Ebenen geplant. Letztlich hat die Fusion von Kemper und Reinert zu TFB nicht nachhaltig funktioniert. | © Tasja Klusmeyer

Eine entscheidende Frage darf nicht außer Acht gelassen werden: Was wäre denn gewesen, wenn die Übernahme nicht genehmigt worden wäre? Es hätte mutmaßlich die Insolvenz von The Family Butchers bedeutet - das Unternehmen wäre vom Markt verschwunden. Bisherige Konkurrenten hätten seine Reste nach anderen Regeln unter sich aufgeteilt: Das wären in jedem Fall noch schlechtere Nachrichten für den Wettbewerb gewesen.

Lesen Sie auch: Mega-Deal genehmigt: Familienunternehmen im Kreis Gütersloh wird übernommen

Doch eigentlich ist der Blick auf die Begründung des Bundeskartellamtes für die Genehmigung des Deals aus ganz anderen Gründen spannend: In den Nebensätzen wird deutlich, wie sich die Kräfte mittlerweile verschoben haben. Denn die Wettbewerbshüter machen sich eher wenig Sorgen darum, dass die Lebensmitteleinzelhändler künftig nur noch zu „Mondpreisen“ von wenigen Wurstgiganten kaufen können und das Fleisch im Supermarktregal deshalb für uns alle teurer wird.

TFB leidet unter gewaltigem Druck durch Discounter Lidl

Im Gegenteil: Sie betonen, dass die mächtigen Händler ja mittlerweile selbst Werke für Fleisch- und Wurstwaren aufgebaut hätten. Mit denen sie den traditionellen Herstellern Mengen in den eigenen Regalen wegnehmen. Was wiederum zur Folge hat, dass diese ihre Werke nicht mehr auslasten können und in Schieflage geraten - wie eben TFB.

Die Macht in dieser neuen Welt, sie liegt also längst bei Lidl, Edeka, Kaufland und Co. Und gerade Lidl spielt diese Position auch gnadenlos aus, wie aus Branchenkreisen immer wieder zu erfahren ist. Nach NW-Informationen verkaufte TFB zu Spitzenzeiten 60 Prozent seiner Erzeugnisse an die Lidl-Märkte der Schwarz-Gruppe. Und selbst im Zuge der Sanierung sank dieser Anteil nur unwesentlich. Was unter dem Strich totale Abhängigkeit von einem Abnehmer bedeutet.

Lidl - und das berichten seit Jahren auch andere Manager aus der Branche - übt gewaltigen Druck auf seine Lieferanten aus, um Konditionen und Bedingungen durchzudrücken. Die Drohung, Marken auszulisten, schwingt immer mit. Für „The Family Butchers“ hätte sie angesichts dieser Mengen die Pleite bedeutet. Lidl selbst könnte in einer solchen Situation die Kapazitäten der eigenen Werke erhöhen - unter dem Strich hat der Discounter den Wursthersteller in der Hand.

Angeschlagener Hersteller braucht mächtigen Mehrheitseigentümer

Und das ist auch der Grund, warum es in Versmold und Nortrup - an den Stammsitzen des aus der Fusion von Reinert und Kemper entstandenen Konzerns TFB - so ein großes Interesse gibt, die Übernahme durch die Premium Food Group jetzt vertraglich möglichst schnell perfekt zu machen.

Die Premium Food Group (ehemals Tönnies) schluckt The Family Butchers. - © Andreas Frücht
Die Premium Food Group (ehemals Tönnies) schluckt The Family Butchers. | © Andreas Frücht

Der angeschlagene Fleischwarenhersteller braucht den mächtigen Mehrheitseigentümer im Rücken, um in den jetzt beginnenden Verhandlungen mit Lidl und Co. zu bestehen. Denn der Handel wird weiter Druck machen.

Lesen Sie auch: Familienunternehmen im Kreis Gütersloh in der Krise: Ein Paukenschlag für die Region!

Es scheint so, als ob der Kampf um die Perspektive von TFB und die wertvollen Industrie-Arbeitsplätze gerade erst begonnen habe. Und dafür muss sich auch die PFG wappnen - immerhin kennt sie die Kämpfe auf dem Wurstmarkt durch „zur Mühlen“ schon zu Genüge.