Meinung

Hunderte Arbeitsplätze gestrichen: Kreis Gütersloh droht schmerzhafter Strukturwandel

Binnen fünf Tagen wird im Kreis Gütersloh der Abbau von 400 Stellen angekündigt. Die Abhängigkeit von den „ganz Großen“ steigt dadurch, meint unser Autor.

Der Automobilzulieferer Schaeffler wird sein Werk in Steinhagen spätestens Ende 2026 aufgeben. Zahlreiche Industrie-Arbeitsplätze gehen damit verloren. | © Ulrich Fälker

07.09.2025 | 07.09.2025, 17:07

Kreis Gütersloh. Die schlechten Nachrichten für die Wirtschaft im Kreis Gütersloh reißen einfach nicht ab. Der traditionsreiche Modehersteller Gerry Weber wird in diesen Wochen final abgewickelt, das einstige Fleischunternehmen Reinert ging erst im Konzern TFB auf und wird nun wohl an PFG (früher Tönnies) verkauft – was das für die 650 Arbeitsplätze in Versmold bedeutet, steht noch in den Sternen.

Knallharte Fakten geschaffen werden jetzt hingegen in der heimischen Automobilzulieferer-Industrie. Nur fünf Tage lagen zwischen den beiden Ankündigungen, dass Schaeffler in Steinhagen sein Werk bis spätestens Ende 2026 schließt (200 Jobs fallen weg) und Durkopp (bisher JTEKT) in Halle weitere 200 von 550 Stellen streichen will. 400 hochwertige Industrie-Arbeitsplätze werden hier verschwinden – und das hat Folgen.

Sicher, Schaeffler und JTEKT steckten schon länger in der Krise. Schaeffler hatte erst zu Jahresbeginn angekündigt, 4.700 Stellen zu streichen, davon alleine 2.800 in Deutschland. Das Werk in Steinhagen war da längst im Fokus – zumal die Zahl der Arbeitsplätze dort ohnehin kontinuierlich im Sinkflug war und Kurzarbeit an der Tagesordnung. Betriebsrat und Gewerkschaften verhandelten indes zäh und erreichten unter anderem eine Standortsicherung bis Ende 2025.

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Schaeffler-Standort ist offenbar nicht wettbewerbsfähig

Doch die Lage spitzte sich weiter zu. Was zynisch anmutet: Noch im März 2025 sprach die Standortleitung von einem „Zukunftskonzept“ – nur fünf Monate später heißt die Zukunft Schließung. Viel Zeit hat sich der Konzern hier also nicht gegeben, um neue Aufträge zu generieren und die Kosten weiter zu drücken. Die harte Wahrheit ist offenbar: Der Standort ist nicht wettbewerbsfähig.

Durkopp, früher JTEKT, gehört zu Halles großen Arbeitgebern. Jetzt wurde bekannt, dass etwa 200 der rund 550 Arbeitsplätze wegfallen sollen. - © Ulrich Fälker
Durkopp, früher JTEKT, gehört zu Halles großen Arbeitgebern. Jetzt wurde bekannt, dass etwa 200 der rund 550 Arbeitsplätze wegfallen sollen. | © Ulrich Fälker

Ähnliche Töne klingen jetzt zwischen den Zeilen bei Durkopp durch. Wobei der neue Besitzer, die Beteiligungsgruppe Aequita, das Ruder hier mit schmerzhaften Maßnahmen herumreißen will: Der Abbau von 200 Stellen soll offenbar auch den Verzicht auf nicht profitable Geschäftsbereiche erleichtern. Brutale Ehrlichkeit, die guttut.

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Aber da dürfte bei den Beschäftigten auch eine große Sorge mitschwingen: Welche Perspektive hat dieses Werk überhaupt noch? Und wird Aequita zögern, es zu zerschlagen und die Filetstücke profitabel zu verkaufen, wenn die Kennzahlen sich nicht schnellstens bessern?

Automobilzulieferer stehen generell unter einem schweren Druck

Die Automobilzulieferer stehen generell schwer unter Druck: Der Wandel hin zur E-Mobilität, die Konkurrenz aus China, die zunehmende Bedeutung von Software. Die Unternehmen müssten ihre Produkte anpassen, neue Geschäftsfelder auftun und viel effizienter werden. Das kostet eine Menge Geld und würde neue Ideen erfordern.

Die kreativen Ansätze, wie man die voll auf die Autoindustrie ausgerichteten Betriebe aus dieser Abhängigkeit lösen könnte, bleiben indes seit Jahren aus. Das Ergebnis wird ein schmerzhafter Strukturwandel sein, der auch im Kreis Gütersloh deutlich zu spüren ist.

Denn auch wenn es aus Steinhagen kurz nach der Nachricht von der Werksschließung gleich positive Signale gab, dass sich metallverarbeitende Betriebe der Region für die Facharbeiter von Schaeffler interessieren würden – das ist kein Ersatz für 200 (oder mit Durkopp 400) gut bezahlte Jobs in der Industrie.

Abhängigkeit der Region von Storck, Hörmann und Co. steigt

Denn wer gut verdient, der hat auch eine gewisse Kaufkraft. Und diese Binnen-Nachfrage wird künftig fehlen. Zumal einmal abgebaute Industrie-Arbeitsplätze auch nicht so schnell wieder aus dem Boden gestampft werden.

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Mode, Fleisch, jetzt Automobilzulieferer – der Strukturwandel hat jetzt auch den einst so stabilen Kreis Gütersloh erreicht. Auch hier werden neue Branchen und Arbeitgeber nach oben kommen (Westfalia in Borgholzhausen, So-Tech in Versmold, der Ravenna-Park in Halle) – doch der Übergang könnte schmerzhaft werden. Zwar gibt es zahlreiche offene Stellen, aber die passen oft nicht zum Profil der Suchenden.

Und so steigt die Abhängigkeit der Region von den „ganz Großen“ wie Storck, Hörmann oder dem Logistiker Nagel-Group. Doch selbst der hat zuletzt einen Einstellungsstopp verkündet ... Für Resignation oder Dauer-Pessimismus ist in dieser Wirtschaftskrise kein Platz. Aber einige Arbeitnehmer im Altkreis Halle werden sich in den kommenden Monaten und vielleicht sogar Jahren womöglich auf sinkenden Wohlstand einstellen müssen.