Unternehmen im Kreis Gütersloh steht vor Verkauf – Kurzarbeit für Hunderte Mitarbeiter

Halle. Seit November befinden sich die 580 Beschäftigten der JTEKT Bearings Deutschland GmbH in Kurzarbeit. Anders als noch vor einem Jahr sind mittlerweile alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Maßnahme betroffen. Grund dafür ist die anhaltend schwierige Wirtschaftslage in der Automobilbranche: &bdquo;JTEKT leidet unter einem Rückgang des Auftragsvolumens bei gleichzeitig erhöhtem Kostendruck“, hatte Werksleiter Dieter Hohenbrink hierzu im Oktober erklärt. Jetzt kommt Bewegung in die angespannte Situation. Noch vor Weihnachten gab es für die Belegschaft in Halle-Künsebeck, dem Hauptsitz für Produktion und Technologie der europäischen Wälzlagersparte von JTEKT, erste Informationen dazu, wie es mit dem Standort in Zukunft weitergehen könnte. Lesen Sie auch: Traditionsbetrieb im Kreis Gütersloh schließt nach fast 140 Jahren – trotz guter Zahlen Während diese am Donnerstag (19. Dezember) allerdings eher allgemein gehalten wurden und auf der Versammlung nach Informationen dieser Redaktion noch von &bdquo;verschiedenen Investoren“ die Rede war, die Interesse an einer Übernahme des Werks signalisiert hätten, ist der japanische Mutterkonzern JTEKT nur vier Tage später konkret geworden. Und hat am 23. Dezember auf seiner Webseite ein Update gepostet, das weitreichende Konsequenzen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dürfte. Mehrere Werke betroffen – auch das im Kreis Gütersloh Dieser offiziellen Mitteilung zufolge hat die JTEKT Corporation eine grundsätzliche Vereinbarung dazu getroffen, ihr europäisches Nadellagergeschäft an die AEQH32 GmbH, eine Tochtergesellschaft der AEQUITA SE & Co. KGaA, zu übertragen. Im Fokus stehen damit die beiden französischen Werke in Vierzon und Maromme, das Werk in Olomouc (Tschechien) und - das deutsche Werk am Standort in Halle-Künsebeck. Bei der AEQUITA SE handelt es sich um eine in München ansässige, privat geführte Industriegruppe, die 2018 von Axel Geuer zusammen mit Christoph Himmel gegründet und finanziert wurde. Heute führt Geuer, der an der Technischen Universität München Maschinenbau studiert und anschließend promoviert hat, die Gruppe gemeinsam mit seinen Partnerkollegen. Seitdem hat AEQUITA bereits in diverse mittelständische Unternehmen mit Sitz in Europa investiert. Unter anderem wurden Transaktionen mit der ZF Friedrichshafen AG, der Mercedes-Benz Minibus GmbH, der Buderus Guss GmbH oder der NIFCO Germany GmbH realisiert. Die Tochtergesellschaft AEQH32 ist indes erst gut ein Jahr alt, sie wurde im November 2023 gegründet, ihr Geschäftsführer heißt Ralph Westphal. Welche Pläne verfolgt der neue Investor im Kreis Gütersloh? Wie JTEKT sehr allgemein ausführt, sei es hierbei Ziel des Konzerns, die Management- und Geschäftsstruktur durch die Umstrukturierung der globalen Struktur zu stärken. Im europäischen Geschäftssegment wolle man durch Umstrukturierung und Konsolidierung profitabel werden. Weiter heißt es sinngemäß, man werde die interne Reform fortsetzen, indem Strategien und Geschäftsstruktur entsprechend optimiert würden. Der Abschluss der Transaktion werde bis März 2025 erwartet - vorbehaltlich der erforderlichen Konsultationen und Vereinbarungen. Put Option Agreement heißt das im Fachjargon. Offiziell vollzogen ist die Übernahme durch die AEQH32 GmbH also noch nicht, dürfte aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genauso durchgeführt werden. Die entscheidenden Fragen, die sich angesichts dieser Pläne stellen: Welche Interessen verfolgt der neue Investor, welche Pläne hat er im Zuge der potenziellen Übernahme mit den Werken - und zwar sowohl kurz- als auch mittelfristig? Was bedeutet ein Verkauf von JTEKT an einen Investor hinsichtlich der Arbeitsplätze? Kann ein Transfer diesbezüglich hier eher als gutes Zeichen bewertet werden oder nicht? Übernahme des Unternehmens JTEKT als &bdquo;beste Lösung“ Entsprechende Anfragen hat diese Redaktion sowohl an JTEKT als auch an die AEQH32 GmbH gestellt, Antworten haben sie bisher nicht erhalten. Eine hat sich angesichts der jüngsten Nachrichten allerdings nun automatisch ergeben. So hatte Dieter Hohenbrink auf einer Mitarbeiterversammlung im Oktober angedeutet, dass &bdquo;JTEKT an Studien und Optionen arbeite, um die beste Lösung zu definieren, diese schwierige wirtschaftliche Situation langfristig erfolgreich zu beherrschen“. Jetzt ist klar: Offenbar ging es darum, einen Investor zu finden, anstatt mit Blick auf die Krisensituation Werke zu schließen oder in großem Stil Personal abzubauen. Folgt man dem Namen des künftigen Besitzers, verheißt die Entscheidung eher Gutes: Aequita beziehungsweise Aequitas ist der lateinische Begriff für Gerechtigkeit oder Fairness. Das heute etwa 180.000 Quadratmeter große Industriegelände an der Werkstraße in Halle-Künsebeck hat eine wechselvolle Geschichte. 1941 erwarb das Bielefelder Unternehmen Dürkopp das Grundstück und ließ darauf ein Fabrikgebäude errichten. Von 1945 bis 1960 reparierte die britische Armee an diesem Standort zunächst ihre Fahrzeuge. Lesen Sie auch: International tätiges Gütersloher Unternehmen mit 145 Mitarbeitern stellt sich neu auf Deutsche Konzernleitung zuletzt vor 30 Jahren 1976 verlagerte FAG Kugelfischer dann seine Nadellagerproduktion nach Künsebeck, ehe 1993 erneut ein Inhaberwechsel anstand: Der US-amerikanische Konzern Ingersoll Rand erwarb das Werk in Halle-Künsebeck, um die Torrington Nadellager GmbH zu gründen. Die nächste Veränderung ergab sich zehn Jahre später, als die Übernahme von Torrington durch Timken - ebenfalls ein amerikanischer Konzern - erfolgte. Im Jahr 2011 dann wurde Timken an den Konzern Koyo Bearings aus Japan verkauft, der seit dem 1. April 2022 unter dem Namen JTEKT firmiert. Mit dem neuerlichen Inhaberwechsel hätte das Nadellagerwerk in Halle nach gut 30 Jahren erstmals wieder eine deutsche Konzernleitung.

Meistgelesen