Biberratte als Delikatesse? Restaurant im Kreis Gütersloh serviert ausgefallenes Gericht

Halle. Seitdem der Gasthof Tatenhausen im Mai vergangenen Jahres den gastronomischen Betrieb wieder für alle geöffnet hat, können Gäste dort freitags bis sonntags sowie feiertags vor allem Kulinarik aus Österreich mit Fokus auf Wildfleisch-Gerichte genießen. Küchenchef Andre Bülter ist Jäger und erlegt das meiste, was auf seinen Grill wandert, selbst. Auf der Karte steht auch ein Wildgericht des Tages, bei dem sich die Gäste vom Angebot überraschen lassen müssen. Unter anderem kommt dabei ein Tier auf den Teller, das unter Kennern als Delikatesse gilt, im Volksmund aber eher verschrien ist. Die Nutrias – auch Biberratten oder Sumpfbiber genannt – ernähren sich fast ausschließlich pflanzlich und vermehren sich seit ihrer Einschleppung aus Südamerika rasant in Europa. So schnell, dass spezielle Maßnahmen zur Eindämmung der Population getroffen werden mussten. Die bis zu 65 Zentimeter langen und 10 Kilogramm schweren Tiere richten erhebliche Schäden an Ufern und Feldern an. Für den Beweis einer Entnahme können Jäger daher eine Prämie erhalten – ein bisschen wie Kopfgeldjäger im Wilden Westen. Gegen Vorlage eines Nutria-Schwanzes werden sie im Kreis Gütersloh etwa mit neun Euro pro Schwanz entlohnt. Geschmacklich irgendwo zwischen Spanferkel und Kaninchen Andre Bülter aber weiß die invasive Art darüber hinaus zu nutzen und setzt sie seinen Gästen als Spezial-Gericht vor. Extra für diese Zeitung hat der Küchenchef ein erlegtes Exemplar zur Seite gelegt, das für die einen schmeckt wie ein Spanferkel, für andere wie Kaninchen. An einem sonnigen Samstag nimmt der Reporter daher Platz im idyllischen Biergarten des Gasthofes. Es ist Mittag – also gerade die rechte Zeit für ein herzhaftes Wildgericht. Küchenchef Andre Bülter hat sich beim Anblick des Möchtegern-Restaurantkritikers gleich an die Arbeit gemacht, seine Verlobte Hannah Schmiderer bringt auf Wunsch ihres Gastes erst einmal ein kühles Bier. Immer wieder verweilt sie einen Moment am Tisch ihres Gastes, bevor sie weitermuss, um Bestellung aufzunehmen. &bdquo;Mein Mann und ich haben uns in Österreich bei unserer Ausbildung getroffen“, erinnert sich Hannah Schmiderer an das Kennenlernen mit ihrem Verlobten Andre Bülter. Die beiden fühlen sich bereits als Ehepaar, allein für die Hochzeit fehlte bislang die Zeit. &bdquo;Er hat an einer Tourismusfachschule eine gastronomische Ausbildung absolviert, und ich habe Event- und Hotelmanagement studiert“, fährt die 28-Jährige fort. Sie selbst stammt aus dem Salzburger Land, habe nach der Corona-Pandemie aber Fernweh verspürt. Früher gehobene Hotellerie, jetzt Wildküche im Haller Gasthof 2022 ist sie daher zwischenzeitlich nach Köln gezogen, erzählt sie. Aus dem Kontakt zwischen ihr und Bülter, den die beiden über die Jahre hinweg aufrechterhalten hatten, ist mittlerweile eine Liebesbeziehung geworden. Und auch beruflich sind die zwei nun ein eingespieltes Team. &bdquo;Wir kommen beide aus der gehobenen Hotellerie“, sagt Schmiderer. An ihrem jetzigen Arbeitsplatz fühle sie sich aber noch wohler. &bdquo;Ich finde es schön, selbstständig zu sein und die eigenen Ressourcen zu nutzen“, erklärt sie. Abendessen zu servieren, die die Gäste ein Vermögen kosten, führe leicht dazu, die Bodenhaftung zu verlieren, ist die junge Frau überzeugt. Dann bringt sie ihrem Gesprächspartner das duftende Gericht des Tages. Es kostet 22 Euro und beinhaltet an diesem Tag – wie gewünscht – Nutria. Als Beilage gibt es geschmortes Gemüse, Kartoffelspalten und einen Stängel Rosmarin. &bdquo;Es schmeckt ein bisschen wie Kaninchen“, sagt Schmiderer. &bdquo;Ein Gast hat aber auch schon mal gesagt, er hätte es für Putenkeule gehalten, hätte er nicht gewusst, was es ist.“ Lesen Sie auch: &bdquo;Schwanzprämie“ für Nutria und Bisam Das Geschmacksempfinden der Menschen ist offensichtlich unterschiedlich. Eines ist für den glücklichen Reporter jedenfalls nicht abzustreiten: Das zarte, leicht zerfallende Nutria-Fleisch schmeckt – sehr gut sogar. Am liebsten würde er die anderen Wildgerichte auf der Karte auch gleich ausprobieren, aber der Magen ist voll, und seinem Bauchgefühl soll man bekanntlich vertrauen. Haller Gasthof sonntags sehr nachgefragt Strahlend nimmt die Gastgeberin ein Lob für das Essen entgegen. Schließlich ist sie auch an der Zubereitung beteiligt: So bedient Schmiderer nicht nur, sie hilft ihrem Verlobten auch dabei, das Wildfleisch zu zerlegen. &bdquo;Irgendwann werde ich wohl auch noch das grüne Abitur machen“, sagt sie lachend und meint damit den Erwerb eines Jagdscheins. &bdquo;Wenn man auf einen Bauernhof einheiratet, ist es auch gut, wenn man Traktor fahren kann“, stellt sie augenzwinkernd fest. Dieser Vergleich überzeugt, genau wie die herzliche Art des jungen Paares, das dem Gasthof Tatenhausen neues Leben eingehaucht hat, nachdem sich der Betrieb zwischenzeitlich auf die Vermietung von Apartments und Ausrichtung von Feierlichkeiten beschränkt hatte. Gerade sonntags wird das Angebot von Schmiderer und Bülter seitdem nur allzu gerne von Spaziergängern im Naherholungsgebiet Tatenhausen angenommen, berichtet die diplomierte Sommelière. &bdquo;Es könnten noch mehr Leute reservieren“, sagt sie. &bdquo;Bei gutem Wetter haben die Menschen alle gleichzeitig die spontane Idee, herzukommen“, weiß sie und lacht. &bdquo;Wir suchen daher noch nach einer helfenden Hand“, verrät Schmiderer. Lesen Sie auch: Dieser Gütersloher bietet außergewöhnliche Kochkurse an Wie der Zufall es will, stellt sich eine potenzielle Hilfskraft bei Schmiderer vor, gerade als sich der redaktionelle Besuch am Tresen verabschieden möchte. Im Gasthof Tatenhausen ist wieder was los, das spürt man. Und wer einmal furchtlos Nutria probieren will, dem kann hier mit einiger Gastfreundschaft geholfen werden.

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