Inhaber verkauft Inventar aus 100 Jahren Kultkneipe - Schließung im Kreis Gütersloh steht kurz bevor

Halle. Es ist eine Rarität. Zwar etwas verstaubt, aber nahezu neuwertig. "Das wurde vielleicht zwei oder drei Mal benutzt", sagt Michael Ockert und hebt die große Porzellanschüssel hoch. Die Dunkelziffer dürfte etwas höher liegen, denn wer dieses Teil in Anspruch nahm, war dabei lieber ungestört oder konnte danach wenig verlässliche Angaben zu seinem vorherigen Verhalten machen. "Man konnte sich darüber beugen und sich an zwei an der Wand befestigten Metallstangen festhalten", erklärt sich Ockert. Durch den großen Abfluss und mittels einer daneben montierten Handbrause verschwand dann alles, was zuvor ungewollt dort wieder entwichen war, wo es zuvor eingefüllt worden war. "Das gab es früher auf jeder Herrentoilette und somit auch im Gerhold's", sagt Ockert. "Es ist eine Kotzschüssel", erklärt der Gastronom, der die Kultkneipe im Kreis Gütersloh 1989 von Margret Gerhold übernommen hatte und in den Anfangsjahren auch noch den Alkoholauffangbehälter aus Porzellan, in Fachkreisen als Expektorierbecken bekannt, in Betrieb hatte. Flohmarkt am Wochenende von 10 bis 18 Uhr Nun können Nostalgiker, Kneipenfans oder diejenigen, die noch eine besondere Erinnerung mit dem Keramikpott verbinden, diese Schüssel erwerben. Hinzu kommen noch einige hundert weitaus appetitlichere Dinge, denn Michael Ockert hat kürzlich den regulären Kneipenbetrieb eingestellt und will nun am Samstag, 28. Oktober, und am Sonntag, 29. Oktober, jeweils von 10 bis 18 Uhr einige alte Kneipenschätzen aus den Keller- und Dachbodenräumen auf dem Flohmarkt in den Gastronomieräumen und denen der früheren Sparkassenfiliale anbieten. Seit Tagen hat er ausgemistet, dennoch sind Keller und Dachboden noch so voll, dass es durchaus weitere Trödeltermine samt Frühstücks- und Kuchenangebot geben könnte. "Wir sind wohl kleine Messies gewesen", sagt Ockert, auch mit Blick auf seinen langjährigen Geschäftspartner Axel Rönnecker. Man habe aber in den vergangenen Jahren auch mal eine Mulde bestellt, um zwischendurch aufzuräumen. Wer die Mengen an Gläsern, Geschirr, Werbetafeln, Stühlen und Textilien sieht, könnte an dieser Aussage zweifeln. Werbeschilder, Gläser, Kaffeekanne Ob den Afri-Cola-Flaschenöffner, das Bluna-Werbeschild oder das König-Pilsener-Glas im Design von Luigi Colani - Ockert hat sie alle und dazu noch unzählige Gegenstände mehr. Darunter auch zahlreiche Dinge, die er schon von der vorherigen Inhaberin Margret Gerhold übergeben bekommen hat. Die Hörsterin, die im Mai 2018 wenige Wochen vor ihrem 96. Geburtstag verstarb, hatte die Kneipe bis 1989 geführt. Ihrem neuen Pächter hat sie einst auch die riesige Kaffeekanne überlassen, die wie eine Mischung aus Milchkanne und Bierfass daherkommt. "Früher wurde Kaffee in dieses Leinensäckchen gefüllt und in die mit Wasser gefüllte Kanne gehängt", erklärt Ockert. Durch den Zapfhahn floss dann, meistens beim Beerdigungskaffee, der flüssige Wachmacher direkt in die Tassen der Trauergesellschaft. Auch viele Möbel im Angebot Ebenso neue Besitzer werden für verschiedene Möbelstücke gesucht. Schränke, Tische oder auch Stühle, die schon kurz nach dem Krieg den Gästen in der Hörster Kneipe als Sitzplätze dienten. "Diese Stühle stammen noch aus der Diskothek Halle 3", sagt Ockert und zeigt auf einige mit schwarzem Kunstleder überzogene Sitzgelegenheiten. Sie gehörten von 1984 bis 1986 zum Mobiliar der Partyhochburg auf dem Schützenberg. Ins Auge fallen auch eine alte Schreibmaschine und eine alte Kasse, die einst zum neben dem Gastraum befindlichen Lebensmittelgeschäft gehörte. Zu den größten Objekten zählt der Bierwagen, die Theke samt Zapfhahn und das einst mit 200 Liter Whiskey gefüllte Jack-Daniel's-Fass aus Holz. "Die sind recht selten", sagt Ockert. Vorab hat er gegoogelt und Preise verglichen. Für 380 Euro könnte das Fass den Eigentümer wechseln. "Dieser Preis ist fest, aber die anderen sind durchaus verhandelbar", sagt Ockert. Schließlich handele es sich ja um einen Flohmarkt. Noch hat er die Preisschilder nicht angebracht, bis zum Wochenende wird dies aber geschehen. Seltener Falschenöffner hinter der Theke Bei Stammgästen sicherlich in Erinnerung geblieben ist der selbst gebastelte Adventskalender aus 24 Whiskey-Verpackungsboxen. "Wir haben früher immer Verlosungen unter den Gästen gemacht. Derjenige, der die Zahl hatte, die gezogen wurde, durfte das Geschenk mitnehmen", erinnert sich Ockert. Ebenfalls äußerst beliebt war ein Afri-Cola-Flaschenöffner, der jahrelang auf der Theke stand. Er besteht aus einer befüllten Cola-Flasche, die in einem Glas in Eisbergoptik integriert ist. "Das ist ein ganz seltenes Stück", sagt Ockert. Beim Durchstöbern des Internets ist ihm kein weiteres Exemplar begegnet. Einer der Kellerräume ist noch bis unter die Decke mit Gläsern und Bierdeckeln aller Art gefüllt. "Wir hatten ja in den besten Zeiten sieben Zapfhähne", sagt Ockert. Aus jedem floss ein anderer Gerstensaft. Es gab, außer in den Anfangsjahren, keine Stammbrauerei. "Wir waren immer unabhängig", sagt Ockert. Somit finden sich auch Gläser, Schilder und Werbeartikel vieler bekannter Brauereien im Fundus der Dorfkneipe wieder. Käfige für Gogo-Tänzerinnen im Keller Natürlich gehört auch eine Kiste voller Musik-CDs zum Angebot. Und auch eine einzige Schallplatte. "Die habe ich gerade erst gefunden", sagt Ockert und nimmt die Hülle mit dem von Peter Alexander besungenen Vinylinhalt mit in den Ausstellungsraum. Sicherlich ist dies nicht der angesagteste Track in der Gerhold's-Historie gewesen, aber vielleicht findet sich auch dafür ein Käufer. Gar nicht erst auf den Angebotstisch kommt hingegen ein Möbelstück, das Ockert in einem Raum im Obergeschoss neben dem früheren Kino lagert, in dem sich übrigens noch die Käfige befinden, in dem einst knapp bekleidete Gogo-Tänzerinnen so manchen Partyabend auflockerten. "Das ist der Tisch aus dem früheren Café Pahde an der Langen Straße", sagt Ockert und klappt das runde, aus zwei Teilen bestehende Möbelstück auseinander. Darauf zu sehen ist in der Mitte der Haller Baum, das Markenzeichen der 1732 gegründeten Brennerei Wilhelm Kisker. Am Tischrand stehen die Namen derjenigen, die sich regelmäßig an diesem Tisch versammelten. Opas Stammplatz im Café "Hier steht auch der Name meines Opas Heinrich Stodiek", sagt Ockert. Diese habe früher eine Kohlehandlung an der Langen Straße gehabt und sei regelmäßig im Café Pahde gewesen. Ein Familien-Erinnerungsstück, das Ockert auf jeden Fall selbst behält. Alles andere soll nun raus, denn das reguläre Kneipengeschäft ist vorbei. Das Gerhold's ist zu einem Partyraum auf Bestellung und für besondere Anlässe geworden. Mit dem Flohmarktverkauf werden einige Erinnerungsstücke die Dorfkneipe verlassen. Gleichzeitig aber kann sich jeder sein kleines Stück Gerhold's für die eigenen vier Wände mitnehmen. Fürs Wohnzimmer, Esszimmer, Kellerbar, Terrasse oder auch fürs Badezimmer, wenns denn unbedingt das Speibecken sein soll.

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