Vier Frauen aus Kreis Gütersloh vor Jahren ermordet: Polizei schöpft neue Hoffnung

Kreis Gütersloh. Erstochen, erschlagen, totgeprügelt, erwürgt. Die vier Frauen aus dem Kreis Gütersloh, deren Mörder bis heute nicht bekannt sind, mussten auf grausame Weise sterben. Doch auch dann, wenn ihre Fälle längst zu sogenannten &bdquo;Cold Cases" erklärt wurden – Maria Kruse aus Versmold wurde 1983 ermordet, Susanne Nieter aus Steinhagen 2001, Ingrid Amtenbrink aus Gütersloh 2009 und Nelli Graf aus Halle 2011 –, geben die Behörden nicht auf. Das Ermittlerteam &bdquo;Jeder dieser vier ungelösten Fälle aus dem Kreis Gütersloh wird durch einen Fallpaten aus dem Kriminalkommissariat 11 betreut sowie durch Unterstützungskräfte des Landeskriminalamtes NRW hinsichtlich neuer Ermittlungsansätze intensiv betrachtet", heißt es aus der Pressestelle des Bielefelder Polizeipräsidiums. Das Motto: &bdquo;Wir suchen nicht alte Fehler, sondern neue Chancen", betont Kriminaldirektor Colin B. Nierenz, Leiter der Aufbauorganisation &bdquo;Cold Cases". Lesen Sie auch: Die True-Crime-Serie "Tatort GT" - alle Folgen im Überblick Die neuen Ansätze Insgesamt verzeichnet die Polizei aus den Jahren 1970 bis 2015 etwa 1.100 ungelöste Tötungsdelikte in NRW. Ganze Mordkommissionen, besetzt mit erfahrenen Ermittlerinnen und Ermittlern, haben sich über Monate, manchmal sogar Jahre mit ihren Fällen intensiv auseinandergesetzt. Warum sollten ausgerechnet pensionierte Beamte plötzlich zu Erkenntnissen gelangen, zu denen man früher nicht gekommen ist? &bdquo;Das lässt sich vor allem mit der Entwicklung und dem Fortschritt bei kriminaltechnischen Untersuchungen begründen", antwortet Colin B. Nierenz. &bdquo;Ob die Zuordnung von Fingerabdrücken, die DNA-Analyse oder andere moderne Methoden – es gab enorme Fortschritte. Hätte man diese Techniken damals anwenden können, hätten einige Tathergänge eventuell rekonstruiert werden und der Kreis der potenziellen Täter möglicherweise eingeschränkt werden können", ist er von der Arbeit der Aufbauorganisation überzeugt. Und ergänzt: &bdquo;Das ist keine neue Erkenntnis, nur fehlten bis 2021 die nötigen personellen Ressourcen, um ein solch strukturiertes Vorgehen umzusetzen." Die Arbeitsabläufe Meterweise Akten, massenhaft Informationen – wie gehen die Cold-Cases-Unterstützerkräfte ihre Arbeit überhaupt an? Nun, wie Colin B. Nierenz erklärt, übernehmen die Unterstützungskräfte zunächst die Sichtung und Analyse der alten Akten, befassen sich nochmals intensiv mit den jeweiligen Sachverhalten und pflegen die vorliegenden Daten vor allem nach einem festgelegten Schema systematisch in die Cold-Cases-Datenbank ein. Diese Datenbank wurde 2017 aufgebaut und soll gewährleisten, dass keine wertvollen Informationen und Erkenntnisse verlorengehen. Nach der Analyse Ist eine Analyse durch die Unterstützungskräfte abgeschlossen, werden die Fälle – ergänzend durch Fallanalytiker des Landeskriminalamtes – betrachtet. &bdquo;Daraus ergibt sich eine Gesamtbewertung des Falles", erläutert Nierenz. &bdquo;Wenn sich neue Ermittlungsansätze ergeben, werden diese in Fall- und Spurenkonferenzen mit den örtlich zuständigen Polizeibehörden erläutert und dort weiter bearbeitet." Es sind also nicht die Cold-Cases-Unterstützungskräfte selbst, die im weiteren Verlauf der Ermittlungen operativ tätig werden. Erfahrung ohne Zeitdruck Warum es überhaupt Cold-Cases-Unterstützungskräfte braucht und die Ermittlungsarbeit nicht von den Beamten übernommen wird, die noch im Dienst sind, beziehungsweise von neu eingestellten Ermittlerinnen und Ermittlern? &bdquo;Das Sichten und Digitalisieren der Akten ist keine Arbeit, die mal eben neben den sonst anfallenden Aufgaben erledigt werden kann", sagt Colin B. Nierenz. &bdquo;Die Belastungen durch die stets neu herein-kommenden Fälle in den Polizeibehörden sind zu hoch." Die 28 neu eingestellten Beschäftigten sollen daher die notwendige Unterstützung leisten und eine Entlastung darstellen: &bdquo;Sie können sich den ihnen zugewiesenen Fällen mit voller Aufmerksamkeit und ohne Zeitdruck widmen." Dabei sei ihre langjährige Berufserfahrung wichtig, wobei ihnen in einem Auffrischungskurs erläutert wurde, welche neuesten Entwicklungen es im Bereich der kriminaltechnischen Untersuchungen gibt. Keine Fortsetzung Das LKA legt Wert darauf, dass die Cold-Cases-Unterstützungskräfte nicht mit den Fällen betraut werden, an denen sie zu ihren aktiven Zeiten bereits gearbeitet haben. Im Gegenteil. &bdquo;Wir achten darauf, dass genau das nicht passiert", betont Colin B. Nierenz. &bdquo;Die Sachverhalte sollen mit einem unvoreingenommenen, neuen Blick betrachtet werden." Auf diesem Weg sollen die zurückgeholten Beamten nicht etwa auf gezielte Suche nach alten Fehlern gehen, sondern die Dokumente vielmehr nach neuen Ansätzen durcharbeiten. Scannen, wälzen, lösen Wie Andreas Müller, Erster Kriminalhauptkommissar und Sachgebietsleiter für Operative Fallanalyse, erklärt, ist sein erster Eindruck positiv. &bdquo;Sie haben ihre Arbeit mit demselben Gedanken aufgenommen, der damals zur Errichtung der CC-Datenbank geführt hat: Jedes Tötungsdelikt, selbst, wenn es bereits Jahrzehnte zurückliegt, sollte aufgeklärt werden, damit die Täter zur Verantwortung gezogen werden können und die Angehörigen Gewissheit haben." Dabei seien sich die neuen beziehungsweise alten Kolleginnen und Kollegen unabhängig davon, was sie früher geleistet haben und in welcher Funktion sie bei der Polizei tätig waren, nicht zu schade, Akten zu wälzen, Heftklammern zu lösen und Dokumente einzuscannen. &bdquo;Sie hinterfragen aber genauso die Sachverhalte, von denen sie lesen und helfen damit, neue Ermittlungsansätze zu finden. Genau diese Art von Entlastung haben wir uns vorgestellt." Erste Ermittlungserfolge Im Fall der im Jahr 2014 getöteten Agnes N. (84) aus Vlotho-Exter hat die Mordkommission die Ermittlungen wieder aufgenommen. Bei der erneuten Betrachtung der seinerzeit gesicherten Tatortspuren ist es nach Angaben der Staatsanwaltschaft und der Polizei nun gelungen, sowohl Finger- als auch DNA-Spuren zu detektieren. Es kamen neuartige Spurenauswertungs- und Analysemethoden zum Einsatz. In der Folge durchleuchtet die Polizei nun noch einmal das Umfeld des Opfers. Hoffnung auf Gewissheit &bdquo;Mord verjährt nicht. Hinter jedem unaufgeklärten Tötungsdelikt stehen aber nicht nur ein oder mehrere Täter, die noch nicht zur Rechenschaft gezogen wurden – vor allem sind es die Angehörigen der Opfer, die den Verlust eines geliebten Menschen verarbeiten müssen", unterstreicht Colin B. Nierenz die Motive auf Aufklärung. &bdquo;Wir als Polizei sehen es als unsere Aufgabe, ihnen Gewissheit zu geben, was passiert ist. Auch wenn die Tötungsdelikte viele Jahre zurückliegen, sollen sie nicht in Vergessenheit geraten." Für die Angehörigen von Nelli Graf, Ingrid Amtenbrink, Susanne Nieter und Maria Kruse gibt es bislang noch keine Gewissheit. Und bislang kann die Polizeibehörde Bielefeld auch noch keine neuen Erkenntnisse vermelden. Angesichts der ersten Erfolge durch das CC-Team gibt es dennoch neue Hoffnung.

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