Gerry Weber steht vor entscheidenden Monaten - es gibt eine Deadline

Halle. Diese Nachricht vom späten Freitagnachmittag hat beim heimischen Modehersteller wieder einmal für erhebliche Unruhe gesorgt: Der Vorstand hatte nach Angaben des Unternehmens bei der Prüfung des Jahresabschlusses für 2021 festgestellt, dass ein Verlust in Höhe von 5,1 Millionen Euro erlitten wurde. Das sei ein Betrag in Höhe der Hälfte des Grundkapitals, teilte das Unternehmen mit. Nach den Vorschriften des Aktiengesetzes sei nun unverzüglich eine Hauptversammlung einzuberufen. Belegschaft überrumpelt &bdquo;Natürlich sorgt eine solche Nachricht erstmal für Unruhe unter den Mitarbeitenden", sagt der Gerry-Weber-Betriebsratsvorsitzende Lutz Bormann im Gespräch. &bdquo;Da kommen dann Mails, Anrufe, persönliche Anfragen nach dem Motto: Was bedeutet das nun wieder?" Zumal man am Freitag nicht mehr habe reagieren und über die Hintergründe informieren können. &bdquo;Erst im zweiten Schritt hätten die Abteilungsleiter dann Informationen erhalten und diese an ihre Teams weiterreichen können. &bdquo;Das ist eben so bei Ad-hoc-Meldungen. Aber die Gespräche haben dann für Beruhigung gesorgt", so Bormann. E-Commerce mildert ab Natürlich sei die Nachricht keine prickelnde, räumt der Betriebsratsvorsitzende ein. Schließlich fuhr Gerry Weber im so wichtigen Einzelhandelsgeschäft (Retail) 2021 einen Verlust von 29,3 Millionen Euro ein. &bdquo;Aber dabei muss man auch bedenken, dass wir drei Monate aufgrund von Corona gar nicht auf hatten", sagt Bormann. Der E-Commerce habe zwar Etliches aufgefangen, &bdquo;weil wir da personell aufgebaut haben, gute Leute gewinnen konnten und toll aufgestellt sind", erklärt der Arbeitnehmer-Vertreter. Um den Ausfall an anderer Stelle zu kompensieren, reichte es allerdings nicht. Viele Verluste seien zudem bewertungsbedingt: &bdquo;Das hängt dann damit zusammen, wie viele Immobilien und wie viel Warenbestand in den Büchern stehen. Aber die Dinge verschwinden ja nicht." Mode wieder gefragt Der Betriebsratsvorsitzende blickt trotzdem optimistisch nach vorn: &bdquo;Unsere Mode wird wieder gemocht und auch gekauft. Darum wollen wir jetzt auch rausgehen und Geld verdienen." Im Monat Mai gab es noch 20 Prozent Kurzarbeit in der Konzernzentrale – &bdquo;weil die Umsätze nicht so prickelnd waren und die Geschäfte erst allmählich wieder anliefen", so Bormann. Zudem waren einige Läden in noch nicht wieder frequentierten Touristenorten zuletzt geschlossen. Nun aber fielen die Masken nach und nach, fühlten sich die Kunden wieder freier. &bdquo;Und darum haben wir auch beschlossen, zum Juni aus der Kurzarbeit auszusteigen. Wir wollen jetzt raus und das Geld verdienen" Eine Reihe von Sorgen Das klingt schon so, als wolle Lutz Bormann Aufbruchstimmung erzeugen – aber er verschweigt auch die Probleme nicht. &bdquo;Erst hat uns die Pandemie so hart zugesetzt, dann kamen Lieferkettenprobleme hinzu. Und jetzt – wo man hoffte, das Schlimmste hinter sich zu haben – auch noch der Ukraine-Krieg. Da seufzt man schon auf." Zumal Russland und die Ukraine von Gerry Weber als &bdquo;kommende Märkte" betrachtet worden seien. &bdquo;Es ist doch klar, dass diese Dauerkrise Ängste in der Belegschaft erzeugt." Rigoroser Sparkurs Denn nach wie vor steckt der angeschlagene Modekonzern in der Restrukturierung. &bdquo;Das Management fährt durchaus einen rigorosen Sparkurs – aber der kommt bei den Mitarbeitenden nach meiner Wahrnehmung gut an, weil er die Arbeitsplätze sichert", so Bormann. In der Pandemie habe das Unternehmen – etwa durch ein aufwendiges eigenes Testzentrum – auf strikte Maßnahmen gesetzt, um dem Virus möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. &bdquo;Denn wir sind auf vielen Positionen seit Beginn der Restrukturierung nicht mehr doppelt besetzt. Wenn dann ganze Abteilungen durch einen Ausbruch ausgefallen wären, hätte uns Handlungsunfähigkeit gedroht." Wichtige Entscheidung Dazu kam es bisher nicht, und das ist auch eminent wichtig. Denn nicht nur der Betriebsrat hat ein wichtiges Datum im Blick: November 2023. Dann endet die Restrukturierung. &bdquo;Und dann müssen wir entweder so selbstständig sein, dass wir frische Kredite bekommen, oder einen neuen Investor finden. Derzeit gehe ich davon aus, dass uns die aktuellen Geldgeber wieder verkaufen werden", sagt Lutz Bormann. Wie berichtet, haben die Finanzinvestoren Robus Capital Management, Whitebox Advisors und J.P. Morgan Securities das Unternehmen 2019 übernommen. Mehr in den Tarif Von diesen Entwicklungen hängt viel ab: 2.200 Mitarbeitende in 56 Ländern hat Gerry Weber weltweit immer noch, davon 1.500 in Deutschland und wiederum knapp 500 in der Zentrale. Sie brauchen eine Perspektive. &bdquo;Es ist wichtig, dass wir jetzt wieder in den Normalbetrieb gehen und unsere Vertriebswege wieder ausbauen", sagt der Betriebsratsvorsitzende. Langfristig gehe es seinem Gremium darum, in Zusammenarbeit mit der IG Metall auch die Mitarbeitenden in den Läden in den Tarif zu bekommen. &bdquo;Und nach der Restrukturierung müssen wir auch generell über eine Anpassung des Lohnniveaus reden. Damit die Mitarbeitenden für ihre gute Arbeit auch angemessen belohnt werden", so Bormann.

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