Pilotprojekt

Einmalig in OWL: Gütersloh testet ab sofort besonderes Tool

In Gütersloh - als einziger Stadt in OWL - haben die Bürger jetzt beim Lokal-O-Mat die Chance, ihre Wahlentscheidung auf einer fundierten Grundlage zu treffen.

Die neue Wahlhilfe ist freigeschaltet: Der Lokal-O-Mat ist so etwas wie der kleine Bruder des Wahl-O-Mat. Er geht auf Fragen ein, die speziell die Gütersloher Bürger beschäfitgen. | © Andreas Frücht

Ludger Osterkamp
24.08.2025 | 24.08.2025, 12:30

Gütersloh. Wer unsicher ist, wo er bei der Kommunalwahl sein Kreuz machen soll, hat es in Gütersloh diesmal leichter. Seit Mittwoch ist der „Lokal-O-Mat“ freigeschaltet. Das Angebot hilft, die eigenen Positionen mit denen der örtlichen Parteien abzugleichen und somit eine fundiertere Entscheidung zu treffen. Gütersloh ist eine von nur zehn Städten in NRW, in denen diese neue Wahlhilfe verfügbar ist.

Die Stadt war im Frühjahr dafür auserkoren worden. Entwickelt hat den Lokal-O-Mat das Forschungsteam der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, das bundesweit auch den Wahl-O-Maten betreut und nun Vergleichbares auf kommunaler Ebene testet. Für jeden Ort hat es einen speziellen Fragebogen entworfen. Er entstand gemeinsam mit Jugendvertretern und im Feinschliff mit den jeweiligen örtlichen Parteien und Wahlgemeinschaften.

Heraus gekommen sind 30 Fragen, von denen viele einen konkreten örtlichen Bezug haben. Gedanken machen können sich die Wähler etwa zu den Thesen „Die Stadt Gütersloh soll die Weberei verkaufen“ oder „Am Marktplatz soll Parken weniger kosten“ oder „Die Stadt soll sich für den mehrspurigen Ausbau der B 61 einsetzen“. Solchen Thesen können sie zustimmen oder eben nicht. Diese Positionen werden mit jenen der antretenden Parteien abgeglichen. Am Ende kommt eine Nähe zu Partei X oder Y sowie eine Rangfolge heraus – ausgedrückt in Werten prozentualer Übereinstimmung.

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Abfrage beim Lokal-O-Mat erfolgt anonym

Daten werden dabei nicht erhoben. Die Abfrage erfolgt anonym. Beim Start des Lokal-O-Mat am 20. August in Düsseldorf (in Anwesenheit von NRW-Ministerin Ina Brandes) sagte der Projektleiter und Politikwissenschaftler Stefan Marschall, dass immer weniger Bürger die Positionen ihrer örtlichen Parteien kennen und viele Bürger oft nicht wissen, worüber der Rat überhaupt entscheiden darf. „Das Ergebnis ist nicht zuletzt eine niedrige Wahlbeteiligung“, so Marschall.

„Das neue Tool macht darauf aufmerksam, dass gerade auf lokaler Ebene viele wichtige Themen verhandelt werden und dass die Wahl einen Unterschied für das konkrete Leben machen kann.“ Neben Gütersloh nehmen Städte wie Aachen, Köln und Duisburg teil. Sie hatten wenig Aufwand: Ihre nahezu einzige Aufgabe war es, den Kontakt zu den örtlichen Parteien und zu Jugendvertretern herzustellen.

Um den Fragebogen auf Gütersloh zuzuschneiden, sah sich das Wahl-O-Mat-Forscherteam sehr genau an, worüber in der Stadt diskutiert und in den Zeitungen geschrieben wurde. Außerdem luden sie im Mai zu einem mehrtägigen Workshop ein, an dem Jugendliche und junge Erwachsene teilnahmen.

Lokal-O-Mat soll bei jungen Leuten Interesse an Politik wecken

Warum? Weil das Tool gerade bei jungen Wählern das Interesse an kommunaler Politik wecken, sie zur Beteiligung motivieren soll. Daher sind Thesen formuliert, die ihre Interessen aufgreifen und generationenübergreifend von Belang sind: Ob die Straßenlaternen am Wochenende durchgehend leuchten sollen; ob die Stadt auf ihren eigenen Großveranstaltungen den Konsum von Cannabis verbieten soll; ob sie für alle Schüler das Bus- und Bahnfahren kostenlos macht; ob Straßen mit kolonialen Namen umbenannt werden; ob die Bundeswehr auf städtischen Veranstaltungen für den Soldatenberuf werden darf.

Auch der Gütersloher Bürgermeister Matthias Trepper ist vom Projekt des Lokal-O-Mat überzeugt. - © Andreas Frücht
Auch der Gütersloher Bürgermeister Matthias Trepper ist vom Projekt des Lokal-O-Mat überzeugt. | © Andreas Frücht

Sich durch die 30 Thesen zu klicken, mit „stimme zu“, „stimme nicht zu“ oder „neutral“ zu antworten, dauert etwa zehn Minuten. Danach folgt der Aha-Effekt: Welcher Partei stehe ich auf örtlicher Ebene am nächsten? Die Themen der Thesen sind in der Tat so gewählt, dass die Parteien oft unterschiedliche Positionen vertreten. Bei der These „Gütersloh soll die Grundsteuer senken“ beispielsweise sprechen sich die Grünen, die BfGT, die FDP und die AfD dafür aus, während sich CDU und Linke dazu neutral verhalten und die SPD dagegen ist.

Verteilt auch die Ansichten zu der Frage, ob die Kinderbetreuung in städtischen Kitas vollständig kostenfrei sein soll: Grüne, Linke und AfD sind dafür, CDU, SPD, BfGT und FDP sind dagegen. Ähnliches ist bei den Thesen zu beobachten, ob Gütersloh die Bezahlkarte für Geflüchtete einführen soll, ob die Stadt kostenlos Menstruationsartikel zur Verfügung stellt, ob sie den Bau privater Solaranlagen bezuschusst, ob sie Waffenverbotszonen ausweist, ob sie Initiativen gegen den Rechtsextremismus fördert. Und so weiter.

Bürgermeister Trepper hofft auf höhere Wahlbeteiligung

Ein Vorzug des Lokal-O-Mat ist, dass sich zu jeder These und jeder Partei ein Feld aufklappen lässt, in der die jeweilige Partei ihre Position begründet. Beispiel: Die Gütersloher CDU lehnt es ab, Fahrspuren für Autos in Radwege umzuwandeln, weil sie befürchtet, dass das der Innenstadt schadet und die Mobilitätswende in diesem Fall zu Lasten der älteren Generation ginge. Die SPD lehnt mehr Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen ab, weil sie so etwas skeptisch sieht, den Nutzen bei der Verhinderung von Straftaten anzweifelt und die klare Notwendigkeit vermisst.

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Wie beim Wahl-O-Mat kann der Nutzer Themen, die ihm wichtig sind, höher gewichten – auch das fließt am Ende in den prozentualen Übereinstimmungswert ein. Als die Stadt im Frühjahr erfuhr, dass sie zu den zehn Pilotkommunen zählt, reagierte sie erfreut. Bürgermeister Matthias Trepper sagte, er sehe darin „eine großartige Möglichkeit zur Stärkung der Demokratie in Gütersloh.“ Es trage zur politischen Willensbildung und womöglich einer höheren Wahlbeteiligung bei.