Erzieherinnen verlassen Gütersloher Kita – umstrittenes Konzept sorgt für Diskussionen

Gütersloh. Die Sorgen der Kita-Eltern an der Vogelsbergstraße sind verständlich. Ihr Zorn ist es auch. Dass die Stadt sie ahnungslos gehalten hat, dass die Eltern daher aus allen Wolken fielen, als sie vom Massenabschied der Erzieherinnen erfuhren, dass in der Folge der Vorwurf mangelnder Kommunikation noch einer der harmlosen ist, dass der Elternbeirat sogar mit rechtlicher Prüfung droht, weil das Kinderbildungsgesetz vorgibt, ihn frühzeitig über wesentliche Entwicklungen und Personalentscheiden zu informieren, dass die Kinder sich in ein paar Tagen wunden werden, wo dann Frau X und Frau Y und weitere sieben Frauen geblieben sind, dass die Eltern nun fürchten, das neue Personal werde weniger qualifiziert sein und obendrein Zeit brauchen, um eine vergleichbare Bindung zu den Kindern wachsen zu lassen: All das ist komplett nachvollziehbar. Aber die eigentliche Frage lautet: Ist der Fall Vogelsbergstraße symptomatisch für die Betreuungslage in dieser Stadt? Höchstens in Teilen. Er scheint zu speziell. An der Kita Vogelsbergstraße hat sich etwas hochgeschaukelt, was es in dieser Massivität an anderen Einrichtungen bislang nicht gab und wohl auch nicht mehr geben wird. Stadt täte gut daran, die betreffenden Eltern einzubinden Die Einrichtungstreue von Erzieherinnen ist normalerweise eher hoch. Sie hängen an ihren Kindern, ihren Kolleginnen, ihren Gewohnheiten. Doch bevor man die Vogelsbergstraße komplett als Sonderfall ablegt: Die Umstände, die ihn begünstigten, gehören beleuchtet. Da ist zum einen: die Kommunikation. In einem Wirkungsbereich, in dem die Stadt auf das Verständnis – und oft genug auch auf die Mithilfe – von Eltern angewiesen ist, täte sie gut daran, sie einzubinden. Warum erst auf dem letzten Drücker informieren? Warum das Bestreben, vollende Tatsachen zu schaffen, ehe die Eltern und deren Vertretung informiert werden? Ein solches Vorgehen erzeugt nur eines: Verstimmung. Kein Wunder, dass der Elternbeirat an der Vogelsbergstraße einen &bdquo;massiven Vertrauensbruch“ beklagt. Den Eltern die Mitsprache, gar Kenntnis zu verweigern, ist unklug und zeugt von unnötiger Ängstlichkeit. Ein Muster, welches nicht nur hier zu beobachten ist. Personallage bei städtischen Kitas ist überraschend gut Den Wunsch, Dinge lange unterm Deckel zu halten, auch auf die Gefahr hin, sich dem Vorwurf der Intransparenz auszusetzen, ist bei der Stadt – mitunter auch der Politik – häufig zu registrieren. Dabei wüssten Bürger, Eltern Beitrags- und Steuerzahler schon ganz gerne, was mit dem passiert, was sie der öffentlichen Hand zur Verfügung stellen. Da ist zum anderen: die Personallage bei den Kitas. Und hier ist, Überraschung, ein Befund zu verkünden, den man angesichts all der früheren Warn- und Weckrufe kaum angenommen hätte: Die ist derzeit gut. Zumindest an den 22 städtischen Einrichtungen. Dort nämlich sind von den 274 Stellen (verteilt auf 360 Köpfe) nur 0,63 frei. Das ist nichts. Der Stadt ermöglicht das, Schwankungen auszugleichen: Einige Kitas besetzt sie komfortabel, weil sie weiß, dass jemand in Mutterschutz geht, bei anderen geht sie vorübergehend ins Minus. Unterm Strich gleicht es sich aus. Stadt Gütersloh hat als Arbeitgeberin offenbar hohe Bindungskraft Was bedeutet das? Zweierlei: Der Mangel an Erzieherinnen, sofern es ihn überhaupt noch gibt, trifft eher andere Träger. Und: Offenbar entfaltet die Stadt als Arbeitgeberin eine hohe Bindungskraft. Die Erzieherinnen mögen die Einrichtung wechseln, nicht aber den Träger. Das sieht man auch in Spexard: Nur eine der neun Frauen hat gekündigt, um zu einem anderen Träger zu wechseln, alle anderen baten lediglich um Versetzung – ein Wunsch, dem die Stadt durchweg nachkam. In der Regel konnte sie sogar die Wunscheinrichtung ermöglichen. Woraus manche den Schluss ziehen könnten: Wenn es so leicht ist, zur Wunsch-Kita zu wechseln, warum nicht? Statt sich mit den atmosphärischen Störungen im eigenen Team auseinanderzusetzen, sie zu klären und zu beheben, ergreift man einfach die Flucht. Auch das könnte zum Massenexodus an der Vogelsbergstraße beigetragen haben. Das Erziehungskonzept in Gütersloh gilt als umstritten Da ist zum dritten: das städtische Erziehungskonzept. Es heißt &bdquo;Leben in Beziehungen“. Und hier wiederum wird es ungemütlich. Viele Erzieherinnen hadern mit diesem Konzept, viele Eltern auch. Immer wieder ploppt eine Diskussion darüber auf, zuletzt bei der kurzfristigen Trennung von Richard Wagner, gewissermaßen der Wächter über dieses Konzept. Der Erziehungswissenschaftler hatte mehr als 20 Jahre lang die Stadt beraten, seine Methoden waren umstritten. Erzieherinnen meldeten sich zu Wort, die sich unter Druck gesetzt fühlten, die beklagten, dass jegliche Kritik an den Methoden unerwünscht war, dass ihnen ein Maulkorb umgehängt wurde. Am Ende stolperte Wagner über eine Eskalation bei einer Fortbildung, bei der er vor Zeugen handgreiflich wurde. Fußend auf diesem Konzept, hat die Stadt ein Betreuungsmodell entwickelt, das eine Erzieherin aus der Vogelsbergstraße &bdquo;einfach kacke“ nennt. Das sei die mehrheitliche Meinung aller Kolleginnen. Die Kinder würden zu wenig gefördert, sie würden eher begleitet als unterstützt, die Aufteilung in Funktionsräume funktioniere schlecht bis gar nicht. Eine der Erzieherinnen-Aussagen mündet in der Feststellung: &bdquo;Wenn du nur Geld willst, bleib bei der Stadt. Wenn du glücklich sein willst, hau bloß ab.“ System schrammt weiter an den Grenzen der Belastbarkeit Solcher Kritik muss sich die Stadt stellen, über den Fall Vogelsbergstraße hinaus. Dass sie ihr Personal vollzählig hat, dass es ihr gelungen ist, den hohen Krankenstand zu senken, ist erfreulich. Dennoch: Das System schrammt weiter nahe an den Grenzen der Belastbarkeit, mental wie strukturell.

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