Bekannter Gütersloher zieht sich zurück und spricht über größte politische Enttäuschung

Wie langweilig wird das Leben ohne Politik? Heiner Kollmeyer: Glaube ich nicht, dass es das wird. Es wird anders, aber ich denke, dass ich mich schnell daran gewöhnen werde. Wie das? Weil ich genau diese Erfahrung gemacht habe, als ich meine landwirtschaftlichen Ämter niederlegte. Ich hatte recht schnell Abstand dazu gewonnen, schneller, als ich dachte. Ist Abstand zur Politik denn wünschenswert? Ich habe mir vorgenommen, erst mal einen Schlussstrich zu ziehen. Ein Jahr Pause. Zurückhaltung. Aber daneben bleibe ich ja ein politisch denkender Mensch, ich gucke weiter hin, als interessierter Beobachter und vielleicht auch, falls jemand fragt, als Ratgeber. Aber nur dann. Ausschließen will ich nicht, dass ich irgendwann noch mal als sachkundiger Bürger tätig werde, aber zunächst sicher nicht. Nichts mehr, was akut reizvoll und verlockend wäre? Was ich tatsächlich bedauere, ist, nur noch sehr kurze Zeit mit unserem neuen Kämmerer Heinz-Dieter Wette zusammen zu arbeiten. Da wäre ich neugierig gewesen, hätte gerne gewusst, wie es mit ihm so ist, ob man gemeinsam konstruktiv etwas bewegen kann. Hm, vielleicht doch sachkundiger Bürger im Finanzausschuss? Nein, ich bleibe dabei: Erst mal runterkommen. Und was stattdessen? Das weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall möchte ich mehr Familienleben haben, mehr für die Enkel da sein. Und ich möchte mich weiter für den FC Gütersloh einsetzen. Mal sehen, wohin uns dessen Entwicklung noch führt. Dazu kommen wir noch. Zunächst die Frage: Ist Politik anstrengender geworden? Hat sich was verändert in all den Jahren? Ja, zum einen, weil der Finanzspielraum in Gütersloh erheblich enger geworden ist. Das nimmt uns die Gestaltungsmöglichkeiten, aber das gilt für die meisten Kommunen in NRW. Zum anderen ist es anstrengender geworden, weil sich die Debattenkultur verändert hat. Es beteiligen sich mehr Menschen von außen, man wird als Kommunalpolitiker viel intensiver beäugt, oft sehr kritisch beäugt. Das gilt vor allem für die sozialen Medien. Ich bin nicht bei Facebook, nicht bei Instagram, aber ich lasse mir berichten, was sich da manchmal so abspielt. Das finde ich nicht ohne, auch der Ton gefällt mir nicht. Ich finde, wir Kommunalpolitiker haben Respekt verdient für das, was wir leisten. Der öffentliche Druck hat zugenommen. Exakt. Das gilt auch für die vielen Initiativen, deren Zahl meiner Wahrnehmung nach zugenommen hat, siehe aktuelles Beispiel Jahnplatz. Das sind wichtige Foren, die zur Meinungsbildung beitragen, das möchte ich betonen. Aber in gewisser Weise macht es das für uns als Kommunalpolitiker nicht einfacher. Macht Ihnen die AfD Sorgen? Glauben Sie, sie wird in Gütersloh wachsen? Nun, das ist der Bundestrend. Ich glaube, dass es auch in Gütersloh einige Protestwähler gibt, die ihr Kreuz bei der AfD machen werden, wobei ich manchmal gar nicht weiß, wogegen eigentlich protestiert wird. Auf mich wirkt sie wie eine Partei, die auf örtlicher Ebene kein Programm hat, die aber Unmut bündelt. Einen ziemlich diffusen, unspezifischen Unmut. Sollte man sie im Stadtrat einbinden oder ignorieren? Ich halte es für falsch, sie komplett zu ignorieren. Zum Beispiel fand ich es nicht richtig, dass einige Ratskollegen anderer Fraktionen während der Haushaltsrede der AfD den Saal verlassen haben. Man sollte sich gegenseitig zuhören, man sollte auch deren Wähler ernst nehmen. Andernfalls laufen wir Gefahr, dass sich die Fronten weiter verhärten, das wäre nicht gut. Lesen Sie auch: AfD-Schriftzug: Unbekannte beschädigen Wahlplakate der Linken im Kreis Gütersloh War die Wahl von Norbert Morkes zum Bürgermeister auch eine Art Protestwahl? Es hatte etwas davon, ja. Henning Schulz hatte aufopferungsvoll gearbeitet, viel für die Stadt bewegt, war ein hochkarätiger Verwaltungsmann, und mit einem Mal wurde er abgewählt. Aus rätselhaften Gründen. Wenn Sie mich fragen, was die größte politische Enttäuschung für mich war, dann das. Ich habe das nicht für möglich gehalten. Sie selbst haben das Bürgermeisteramt ja ziemlich knapp verpasst. Ja, aber diese Niederlage kam nicht überraschend. Gegen Maria Unger war es schwer, sie war dermaßen populär. Ich war darauf gefasst, dass ich unterliege. Erfreulich fand ich eher, dass es so knapp war, und wer weiß, wie eine Stichwahl ausgegangen wäre. Ich könnte eine kleine Anekdote dazu erzählen. Nur zu. Am Tag vor der Wahl war ich mit Ralph Brinkhaus im Wahlkreis unterwegs. Ralph sagte, hör mal zu, wir sollten davon ausgehen, dass du morgen verlierst. Es wäre gut, wenn du dir schon mal Gedanken machst, ob du dann Fraktionsvorsitzender werden willst. In der CDU-Fraktion kommt es nun zu einem Schnitt, beinah eine Zäsur. Das stimmt. Zum Glück bleibt Markus Kottmann dabei, auch Ischo Can. Andere werden uns fehlen, Ingrid Hollenhorst, Marita Fiekas, Georg Hanneforth und noch viele mehr. Vermeiden lässt es sich nicht. Dafür bin ich froh, dass wir viele junge Leute gewonnen haben. Es wird eine sehr junge Fraktion werden, besser als eine überalterte. Aber es mangelt an Frauen. Das stimmt leider. Wir bedauern das sehr. Die Gründe dafür hat die NW ja schon ausführlich beschrieben. Lesen Sie dazu auch: &bdquo;Sehen da nicht gut aus“: Gütersloher CDU mit extrem niedrigen Frauenanteil In den verbleibenden Wochen: Welche wichtigen Entscheidungen stehen noch an? Bei der Freiwilligen Feuerwehr, Löschzug Gütersloh, haben wir bald eine grundsätzliche Standortentscheidung zu treffen. Bleibt er am Standort oder zieht er näher Richtung Hauptwache, das ist die Frage. Und dann sind wir bei den Schulen noch nicht am Ende. Die Janusz-Korczak-Gesamtschule zum Beispiel wartet noch auf einen offiziellen Baubeschluss. Die Trägerschaft für das neue Bürgerhaus in Blankenhagen ist ebenfalls zu klären. Der örtliche Bürgerverein wird es nicht stemmen können, vielleicht nehmen wir es in städtische Trägerschaft. Nicht zu vergessen die Hochschule Bielefeld. Stimmt. Wir werden bald entscheiden müssen, ob es am Ende doch aufs Mansergh-Gelände gehen soll oder ob wir sie dauerhaft in der Innenstadt verorten. Im Moment sieht es eher nach Innenstadt aus, würde ich meinen. Haben Sie Sorgen, dass Gütersloh wirtschaftlich schwächelt? Nein, ich bin eher optimistisch. Wenn das Gewerbegebiet Hüttenbrink vollgelaufen ist, wenn nördlich der Marienfelder Straße die Firmen eingezogen sind, dann sind neue wirtschaftliche Grundlagen geschaffen. Es ist jedoch wichtig, dass wir an dem Thema Gewerbeflächen dran bleiben. Manches hängt davon ab, in welchem Umfang Strukturmittel aus Düsseldorf und Berlin fließen, das gilt für andere Städte gleichermaßen. Wenn wir das kombinieren mit einer bedächtigen und sorgsamen Haushaltsführung, bin ich zuversichtlich. Kann sein, dass auch der neue Kämmerer ein paar Ideen mitbringt. Zudem sollten wir darauf achten, dass in der Verwaltung der Personalbestand nicht weiter wächst. Wobei, das ist leichter gesagt als getan. Kommen wir auf den Fußball zu sprechen. Bleiben Sie im Vorstand des FC Gütersloh? Schon gerne, ja. Das macht mir Freude. Seit 2017 bin ich mit Hans-Hermann Kirschner und Helmut Delker dabei, alle drei Jahre stehen Wahlen an, also 2026 wieder. Ich würde mir wünschen, dass es unverändert mit unserem Trio weitergeht. Ist der FC Gütersloh ein Drittliga-Verein? Ein Verein braucht Ziele, sonst verlierst du Unterstützer, verlierst du Anhänger. In der 3. Liga wären wir bundesweit unterwegs, das macht schon einen erheblichen Unterschied auf der Aufmerksamkeitsskala. Deswegen muss man das anstreben, auch um der Mannschaft Motivation zu geben. Aber wir haben keine Eile aufzusteigen, warten einfach ab, wie die Dinge laufen. Das erfordert Investitionen ins Stadion. Das wissen wir sehr genau. Wir sind in enger Abstimmung mit dem DFB, was zu tun und inwieweit vorübergehend eine Ausnahmegenehmigung möglich wäre. Fakt ist, wir brauchen eine Rasenheizung und weitere Sitzplätze, insgesamt 2.000, die aber nicht alle überdacht sein müssen. Bei Stadt und Politik ist das Thema platziert. Mal sehen, was die nächsten Wochen so bringen. Könnten nicht die Sponsoren den Ausbau finanzieren? Es ist ein städtisches Stadion, also müsste die Stadt in die Bütt. So sehe ich das. Ich finde nicht, dass der Verein das bezahlen muss oder die Sponsoren, sie sie finanzieren den Verein beziehungsweise den Spielbetrieb.

Meistgelesen