Wüst in Gütersloh: „Lassen Sie uns streiten“ – Klartext beim Bertelsmann-Forum

Gütersloh. Selbst für einen Ministerpräsidenten wird es ein langer Tag gewesen sein, bevor seine gepanzerte Limousine vor der Hauptverwaltung der Bertelsmann-Zentrale in Gütersloh parkt und Hendrik Wüst (CDU) den letzten Termin an diesem Mittwoch absolviert. In Paderborn hat er den 100. Geburtstag von Heinz Nixdorf begleitet, in Berlin hat er die Präsentation des 130 Seiten langen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD aus der Ferne verfolgt. &bdquo;Die Koalition schafft das erste Digitalministerium.“ Diese Tatsache stimmt den 49-Jährigen sichtlich zufrieden. Derweil schicken die Nachrichtenagenturen eine Push-Meldung auf die Smartphones: &bdquo;Trump setzt Strafzölle für 90 Tage aus.“ Das Publikum lacht kopfschüttelnd. Mehr als 300 Gäste sind der Einladung zum Bertelsmann-Forum gefolgt und möchten den ersten Auftritt des NRW-Ministerpräsidenten in Gütersloh live erleben. &bdquo;Gerade in so verrückten Zeiten wie jetzt braucht man ein Forum wie dieses, damit sich Menschen austauschen und erleben“, Wüst zeigt sich zuversichtlich und lässt sich von den US-Nachrichten nicht die Laune verderben. Es sei bekanntlich Donald Trumps Art, mit dem Panzer durchs Gemüsebeet zu fahren, ehe er ein Gesprächsangebot mache. Und so kümmert sich Hendrik Wüst erst einmal um das, was ihn betrifft: Nordrhein-Westfalen. Lesen Sie auch: Bei Bertelsmann in Gütersloh: Unternehmerin Liz Mohn empfängt neuen Bürgermeister Wüst hält in Gütersloh Vortrag über Künstliche Intelligenz &bdquo;Von der Kohle zur KI“ lautet der Titel seines Vortrags, den er im Rahmen des 161. Bertelsmann Forums hält. &bdquo;Wir wollen die führende Region in der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz werden“, erklärt Wüst, &bdquo;wir begreifen und wir ergreifen die Chance in der Quantentechnologie.“ Wie das gehen soll? Schon in Kürze werde in Jülich der leistungsstärkste Rechner Europas (&bdquo;wahrscheinlich der ganzen Welt“) an den Start gehen. &bdquo;Jupiter“ heißt der. Weitere &bdquo;Hyperscale“-Rechenzentren seien geplant. NRW habe den Zuschlag der Europäischen Union erhalten, eine von insgesamt sechs KI-Fabriken zu errichten. Der Strukturwandel erfolge zwischen zwei Exzellenz-Universitäten (Bonn und Aachen) und man wolle Digital-Parks errichten. &bdquo;Wir sind schnell und wir denken grenzüberschreitend&bdquo; erklärt Wüst. Die politischen Turbulenzen in den USA spielen dieser Entwicklung positiv in die Karten. Wüst berichtet, dass das Max-Planck-Institut aktuell eine Verdreißigfachung von Bewerbungen erlebe. &bdquo;Viele amerikanische Wissenschaftler haben sich in der ersten Amtszeit von Trump schon nicht mehr angenommen gefühlt. Jetzt ziehen sie die Konsequenzen und verlassen das Land“, man müsse ihnen eine Landeplattform bieten. Wüst fordert im Gespräch mehr Mut und Risiko Der Ministerpräsident agiert als Fluglotse. &bdquo;Wir können Wandel, wir müssen ihn nur annehmen“, appelliert Wüst. Da sich Deutschland im dritten Jahr der wirtschaftlichen Stagnation befinde, sei die Entwicklung in der KI-Branche nicht nur Chance, sondern auch Pflicht. Lesen Sie auch: Prominenter Besuch in Gütersloh: Lindner erst bei Hagedorn, dann in der Stadthalle &bdquo;Ein bisschen mehr Mut, ein bisschen mehr Risiko“, lautet der Wunsch, den der Ministerpräsident seinen Zuhörern mitgeben möchte, damit der Wandel klappt. Er stelle fest, dass in Deutschland alles dokumentiert oder versichert sei. &bdquo;Es darf auch mal etwas schief gehen“, Wüst wirbt für einen gesellschaftlichen Diskurs, &bdquo;lassen Sie uns streiten“, und im anschließenden Gespräch mit RTL-Moderatorin Pinar Atalay fordert er die Journalistin auf, ein bisschen mehr Unterschiedlichkeit im Temperament auszuhalten: &bdquo;Wir Politiker machen ja keinen besseren Job, wenn wir alle gleich sind.“ Das dürfte zugleich seine Stellungnahme zur aktuellen Regierungsbildung in Berlin sein. Mehr jedenfalls kann die Fernsehmoderatorin dem Spitzenpolitiker nicht entlocken, denn Henrik Wüst kennt die Grenzen des Risikos.

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