Lkw bei voller Fahrt geplündert: Fall aus dem Kreis Gütersloh ist nicht der einzige

Gütersloh. Dieser kuriose Diebstahl hat für Aufsehen in der Region gesorgt: Ein Lkw-Fahrer liefert Waren von einer Vertriebsfirma in Marienfeld im Kreis Gütersloh zum DHL-Paketzentrum in Bielefeld. Bei der Ankunft fehlt ein ganzer Haufen hochwertiger iPhones im Gesamtwert von mehr als 50.000 Euro. Der Diebstahl bei voller Fahrt ereignete sich am frühen Abend des 13. November. Was unterwegs passierte, ermittelt derzeit die Kriminalpolizei in Gütersloh. Nach Informationen der &bdquo;Neuen Westfälischen“ war es nicht der erste Fall dieser Art, der sich auf der Route ereignet hat. &bdquo;Es gab im vergangenen Jahr auf nahezu derselben Strecke eine ähnliche Tat“, bestätigt Polizeisprecherin Katharina Felsch auf eine entsprechende Nachfrage. Nicht nur die Gütersloher Kreispolizeibehörde ist mit dem Phänomen der Plünderungen aus einem fahrenden Lkw beschäftigt. Auch beim Landeskriminalamt und bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld spielen Ladungsdiebstähle nach diesem Schema eine Rolle. Im aktuellen Fall laufen Ermittlungen in alle Richtungen. Der nun bekannt gewordene zweite Fall hat sich am Donnerstag, 8. November 2023 ereignet. Ausgangsort ist auch hier die Vertriebsfirma an der Bielefelder Straße im Harsewinkeler Ortsteil Marienfeld gewesen, bei der es sich um Arvato handeln soll. Auch in diesem Fall macht sich der Lkw-Fahrer von dort aus auf den Weg nach Bielefeld, Zielort ist diesmal allerdings ein Paket- und Kurierdienst an der Fuggerstraße. Unterwegs wird der Auflieger aufgebrochen, die Ware gestohlen. Ein Zeuge sieht verdächtige Fahrzeuge und die Verladung 17 Minuten Fahrtzeit liegen zwischen den beiden betroffenen Paketzentren in Bielefeld. Die Route dorthin ist von der Vertriebsfirma im Kreis Gütersloh aus aber nahezu gleich. Der kurvenreiche Weg führt über die Münsterlandstraße und Brockhagener Straße in Richtung Steinhagen, wo die Lkw-Fahrer die A33 in Richtung Bielefeld befahren. Es folgt der Wechsel auf die A2, über die schließlich beide Zielorte angesteuert werden. Wie im aktuellen Fall sei auch im vergangenen Jahr der Diebstahl erst bei der Ankunft im Paketdepot bemerkt worden. &bdquo;Unterwegs wurden Pakete aufgerissen, durchwühlt und diverse Elektroartikel entwendet“, so Polizeisprecherin Katharina Felsch. Bei der entwendeten Fracht handelte es sich um Elektrogeräte, größtenteils Charger für E-Autos, E-Zigaretten und Smartphones. Lesen Sie auch: Rätselhafter Diebstahl von Gütersloher Hof – Besitzer versprechen 500 Euro Belohnung &bdquo;Die Besonderheit in diesem Fall: Ein Zeuge beobachtete zwei verdächtige Fahrzeuge und wie Pakete von der Fahrbahn in ein Auto verladen wurden“, erzählt Staatsanwältin Kim Beatrix Simon. Die Stahlplombe der Lkw-Türen sei später 1,5 Kilometer vom Abfahrtsort gefunden worden, Teile der Ware lagen 2,2 Kilometer weiter auf der Fahrbahn, doch etliche E-Geräte blieben verschwunden. Der Zeuge informierte die Polizei. Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelte gegen drei Männer Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelte später gegen drei männliche Personen, gegen die ein Anfangsverdacht bestand. &bdquo;Es gab drei Beschuldigte, aber das Verfahren wurde letztlich mangels hinreichendem Tatverdacht am 7. März dieses Jahres eingestellt“, erläutert Staatsanwältin Kim Beatrix Simon. Das Geschehen um rätselhafte Frachtdiebstähle aus fahrenden Lastern sorgt aber nicht nur im Kreis Gütersloh und Bielefeld für Schlagzeilen. Beutezüge bei voller Fahrt sind deutschlandweit ein Thema. Dem Bundeskriminalamt ist das Phänomen bekannt, ebenso dem Landeskriminalamt NRW. &bdquo;Ladungsdiebstähle mit dem Modus Operandi Truck Robbery treten in Nordrhein-Westfalen seit mindestens 2012 auf“, erklärt LKA-Pressesprecher Markus Niesczery. Eine einheitliche Definition des Phänomens besteht nicht. Es gilt aber zu differenzieren, denn unter dem klassischen Stichwort Truck Robbery laufen beim LKA in erster Linie die besonders spektakulären und bisweilen filmreifen Raubzüge. Dabei knacken die Kriminellen zumeist auf Autobahnen bei voller Fahrt und unter Lebensgefahr Hecktüren von Lastwagen. &bdquo;Erfahrungsgemäß begehen die Täter die Tat meist arbeitsteilig mit mehreren Tatfahrzeugen“, berichtet Markus Niesczery. Insbesondere nachts würden dabei weniger stark befahrene Bundesautobahnen als Tatorte bevorzugt. Truck Robbery: Extreme Fälle laufen ab wie bei James Bond Der Ablauf bei den extremen Fällen ist immer ähnlich: Ein Tatfahrzeug fährt mit ausgeschaltetem Licht an den Lkw heran, ein Täter verlässt während der Fahrt über das Schiebedach oder ein Seitenfenster das Fahrzeug, tritt über die Motorhaube an den Auflieger heran und knackt gewaltsam das Schloss – etwa mit einem Bolzenschneider oder eine Akku Flex. &bdquo;Danach betritt der Täter die Ladefläche und übergibt das Diebesgut aus dem Auflieger heraus an einen ebenfalls auf der Motorhaube des Tatfahrzeuges stehenden Mittäter“, schildert der LKA-Sprecher. Über die Motorhaube klettern die Täter wieder ins Tatfahrzeug und flüchten mit der Beute. Bei den bevorzugten Waren handelt es sich um Computerzubehör, Elektrogeräte und auch Tabakwaren. Lesen Sie auch: Dreister Fahrrad-Diebstahl in Gütersloh: Kriminelle brechen Stahlbügel aus dem Boden Ob der 53 Jahre alte Lkw-Fahrer im aktuellen Fall zwischen dem Kreis Gütersloh und Bielefeld zum Opfer eines derart spektakulären Übergriffs wurde, ist noch offen. Die Kripo ermittelt jedoch in alle Richtungen. Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 2013 zur Bekämpfung des Phänomens Truck Robbery dem Polizeipräsidium Dortmund die zentrale Ermittlungsführung übertragen. Das LKA verbucht landesweit nur vereinzelte Fälle &bdquo;Durch die Maßnahmen und Ermittlungen der dort eingerichteten Ermittlungskommission Truck Robbery und durch intensive Medienberichterstattung gingen die Fallzahlen in NRW auf nahezu null zurück“, berichtet Markus Niesczery. Seitdem würde das LKA landesweit pro Jahr nur noch vereinzelte Fälle von Ladungsdiebstahl nach der geschilderten Vorgehensweise verzeichnen. In der polizeilichen Kriminalstatistik in Nordrhein-Westfalen wird das Phänomen Truck Robbery nicht gesondert erfasst. Allerdings hat das LKA die Möglichkeit, polizeiliche Vorgangsbearbeitungssysteme zu ausgewählten Phänomenbereichen abzufragen. Eine erhobene Auswertung zum Truck Robbery weist für das Jahr 2024 bisher einen Fall auf - den vom 13. November 2024 im Raum Bielefeld.

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