Es muss hingeschaut werden: Gewalt gegen Frauen auch im Kreis Gütersloh allgegenwärtig

Gütersloh. Noch nie hat ein Vergewaltigungsprozess so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie derzeit im französischen Avignon. Am Donnerstag haben die Anwälte des geständigen Serienvergewaltigers Dominique Pelicot mit ihren Plädoyes begonnen. Noch bevor das Urteil gesprochen ist, steht fest, dass das Opfer, Gisèle Pelicot (71) zu einer feministischen Heldin geworden ist, der Prozess wirkt tief in die Gesellschaft hinein. Und während wir gebannt auf die Weltnachrichten blicken, merken wir kaum, dass auch vor dem Kreishaus am Montag eine Flagge gehisst wurde. Am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ist das Statement klar: &bdquo;Wir sagen Nein zu Gewalt gegen Frauen“. Für dieses Jahr seien die abschließenden Zahlen der registrierten Fälle noch nicht bekannt – allerdings lasse sich bereits &bdquo;eine ähnliche Tendenz zu den Vorjahren feststellen“. Lesen Sie auch: Gewalt gegen Frauen - fast jeden Tag ein Femizid Im vergangenen Jahr 2023 seien laut Kreisverwaltung 818 Fälle von häuslicher Gewalt gegen Frauen registriert worden, 433 davon mit Wohnungsverweisungen. Die Zahl der Fälle habe sich auch im Vergleich zu 2022 kaum verändert. Die Zahlen bewegten sich &bdquo;weiterhin auf einem relativ hohen Niveau.“ Verschiedene Aktionen im Kreis Gütersloh Um gegen Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen, sind seit dieser Woche spezielle Brötchentüten im Umlauf. 130 Bäckerfilialen im ganzen Kreisgebiet beteiligen sich an der Aktion. &bdquo;Gewalt kommt nicht in die Tüte“ steht drauf. Dazu Notrufnummern. Was etwas bescheiden daher kommt, hat durchaus Wirkung: 126.000 Tüten wurden verteilt. &bdquo;Damit erreichen wir fast 35 Prozent der Bevölkerung im Kreis Gütersloh, erklärte Andrea Buhl, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rietberg. Es sollen sich im vergangenen Jahr mehrere Personen nach der Aktion mit den Brötchentüten an die Beratungsstellen gewandt haben. Als Gesellschaft tun wir uns augenscheinlich schwer damit, anzuerkennen, dass wir ein großes Problem mit Gewalt an Frauen mitten unter uns haben. Das wird gerne verdrängt oder totgeschwiegen. Die Geschichten von Betroffenen zu erzählen und zu zeigen, dass Gewalt jede von uns treffen kann, ist deshalb wichtig. Häusliche Gewalt ist kein Randgruppenproblem. Auch das wurde in dieser Woche klar, denn bei einer Fachtagung über das Angebot zur anonymen Spurensicherung nach einer Sexualstraftat standen im Kreishaus die Folgen sexualisierter Gewalt für Betroffene und die Bedeutung einer rechtssicheren Spurensicherung im Fokus. Gütersloherinnen setzen Zeichen in der Fußgängerzone Simone Bindig, psychologische Psychotherapeutin, verdeutlichte in ihrem Vortrag die tiefgreifenden psychischen Traumatisierungen, die mit solchen Gewalterfahrungen einhergehen. Der Titel der Veranstaltung &bdquo;Das große Schweigen“. Pumps und Pantoletten, Sneakers und Sportschuhe – 155 Paar Frauenschuhe haben die Gütersloher Soroptimistinnen mit leuchtend orangefarbener Sprühkreide eingefärbt. Sie waren am vergangenen Samstag in der Gütersloher Fußgängerzone zu sehen. Anlässlich der UN-Kampagne &bdquo;Orange The World“ wollten die Soroptimistinnen ein sichtbares Zeichen setzen, informieren und die Beendigung der Gewalt gegen Frauen fordern. Denn jedes der 155 Schuhpaare stand für einen im Jahr 2023 begangenen Femizid in Deutschland. Für 155 von ihren (Ex-)Partnern getötete Frauen – nur weil sie Frauen sind. Lesen Sie auch: Mann erwürgt Ehefrau im Kreis Gütersloh: Tödlicher Streit wegen Trennungsabsicht? Femizide kommen in allen sozialen Schichten vor, sind unabhängig von Nationalität, Glaube, Einkommen, Beruf oder Bildungsstand. &bdquo;Dabei verschleiert die mediale Darstellung solcher Verbrechen als ,Familiendrama oder ,Eifersuchtstragödie oft den systematischen und strukturellen Charakter dieser auf tief verwurzelten Machtverhältnissen beruhenden Gewalt“, so SI-Clubpräsidentin Ute Meier-Scheinert. Femizid auch im Kreis Gütersloh Und wie zur Bestätigung wurde am vergangenen Wochenende eine 46-jährige Mutter aus Rheda-Wiedenbrück Opfer ihres gewalttätigen Ehemannes. Sie wurde zu Tode gewürgt. Es sind eben nicht nur die Bilder, die uns über das Fernsehen aus der fernen Welt erreichen. Die Ereignisse sind ganz nah. So nah, dass wir hinschauen können. Und hinschauen müssen.

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