Exklusive Einblicke: Wie eine Ausstellung im Kreis Gütersloh entsteht

Kreis Gütersloh. Jeder Schritt hallt in der großen modernen Ausstellungshalle. Die Wände sind leer - einzelne Fetzen einer menschenhohen Schwarz-Weiß Fotografie brechen die schneeweiße Mauer, auf dem Betonboden liegt verloren eine gelbe Wasserwaage. Daneben stehen vier Kisten, in die jeweils nicht nur ein Flachbildfernseher passen würde. Statt der Elektrogeräte werden darin jedoch Gemälde transportiert, die in häufig weitaus wertvoller sind. Es ist Ausstellungswechsel im Museum Peter August Böckstiegel in Werther. Während einer Umbauphase verirren sich normalerweise keine Besucherinnen und Besucher her. Was passiert also, damit aus Emil Nolde innerhalb von zwei Wochen Asger Jorn werden kann? Ausstellungsmacher zwischen E-Mails und Espresso In Werther ist David Riedel künstlerische Leiter des Hauses. Problemlöser, kreativer Kopf, Koordinator - bei ihm laufen nicht nur während des Umbaus alle Fäden zusammen: &bdquo;Wir beginnen mit der Ausstellungsplanung circa zwei Jahre im Voraus. Für mich bedeutet das dann vor allem E-Mails und Telefonate, denn ich muss zuerst herausfinden, wo sich die Stücke befinden, um dann mit dem möglichen Leihgeber Kontakt aufzunehmen“, sagt der Mann mit der auffälligen, dunklen Hornbrille und Turnschuhen. Obwohl große Teile der Arbeit von Kunst- und Kulturschaffenden im Verborgenen geschieht, genießen Museen innerhalb der deutschen Bevölkerung ein überdurchschnittliches Maß an Vertrauen. Das, was in einem Museum gezeigt wird, hat glaubwürdige, kulturelle Relevanz und hilft Menschen, ihren Alltag besser zu verstehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Instituts für Museumsforschung aus Berlin. Wer also Ausstellungen konzipiert oder dafür sorgt, dass ein Gegenstand überhaupt ausgestellt werden kann, trägt große Verantwortung: &bdquo;Der planerische Aufwand ist immens, wir hängen ja nicht nur einfach Bilder an die Wand“, erzählt Riedel, während er sich nicht die erste Tasse Kaffee des Tages einschenkt. Bis er Zeit finden wird, sie zu trinken, wird sie lange kalt geworden sein. Eine richtige Pause hat das Team in den zwei Wochen zwischen den Ausstellungen nicht: &bdquo;Wir beginnen mit den Arbeiten, sobald wir schließen. Während des sieben-tägigen Umbaus muss hier alles Hand in Hand gehen“, so der künstlerische Leiter. Vieles geschehe gleichzeitig: &bdquo;Diverse Menschen sorgen währenddessen und danach für einen gelungenen Ausstellungsbesuch. Unsere Kunstvermittlung, die Ehrenamtlichen, das Café-Team, die Kolleginnen von der Kasse oder die Verwaltung – von den handwerklichen und gestalterischen Arbeiten ganz zu schweigen“, sagt er in Richtung Adam Farys. Der Hausmeister steht gerade konzentriert auf eine Leiter, um erste Flecken an den Wänden zu beseitigen. Von Werther nach Seebüll: Sorgfältige Vorbereitungen Bevor mit dem eigentlichen Verpacken der noch hängenden Werke begonnen werden kann, müssen die Stücke sorgfältig vorbereitet werden. Schließlich haben sie noch einen langen Reiseweg vor sich - in diesem Fall nach Seebüll in Schleswig-Holstein. Tamara Schneider, wissenschaftliche Kuration der dort ansässigen Emil-Nolde-Stiftung, ist extra angereist, um sechs Gemälde und 29 Papierarbeiten zu begutachten sowie deren korrekte Verpackung und den Transport sicherzustellen. Sie bleibt vor drei hölzernen Rahmen stehen, im kleinsten befindet sich ein Holzschnitt auf Papier. Der kunstvolle Druck zeigt eine junge Frau, die ein Baby an sich schmiegt. Auch die &bdquo;Junge Mutter“ (1917) kommt wieder mit nach Seebüll. Gemeinsam mit der Restauratorin Anja Koschel schaut sie sich jede Leihgabe genau an, bevor sie von der Wand genommen wird: &bdquo;Wir überprüfen und protokollieren den Zustand jedes unserer Werke bei Ausstellungsbeginn und -ende“, sagt sie, während sie mit einer kleinen LED-Lampe über die Ränder des Rahmens fährt. Gibt es Flecken oder Quetschfalten? Haben sich Farbpartikel gelöst? Oder hat sich ein kleines Insekt verirrt? &bdquo;Hier ist alles in Ordnung“, so Schneider zufrieden. Unsichtbare Gefahren: Chemische Prozesse durch Licht verhindern Ein Raum weiter tritt währenddessen Ilka Meyer-Stork in Aktion. Auch sie ist Restauratorin und im Auftrag des Böckstiegel-Museums tätig. Ausgerüstet mit Kopflampe und Lupe kümmert sich die Rheinländerin mit dem ansteckenden Lachen um die Protokolle der Gemälde: &bdquo;Ich begutachte das Material, den Oberflächenglanz oder mögliche Strukturveränderungen und mache dann ebenfalls Fotos“, erklärt sie. Vor ihr hängt eines der Selbstportraits Böckstiegels. Das Ölgemälde in leuchtenden Sommerfarben zeigt den Künstler zusammen mit seiner Familie. Nachdem sie die Kontrolle beendet hat, nimmt Meyer-Stork eine Bürste mit extra weichen Borsten, um den Rahmen von etwas Staub zu befreien. Dabei ist sie so vorsichtig, dass es fast so wirkt, als würden sich Bürste und Rahmen nicht berühren. Die größten Feinde in einem Museum sind übrigens keine unvorsichtigen Gäste, sondern Licht, UV-Strahlung, Luftfeuchtigkeit und Temperatur: &bdquo;Jeder dieser Faktoren kann bei einem Werk großen Schaden anrichten, wenn zum Beispiel Sonneneinstrahlung die Farben auf einem Blatt Papier ausbleichen“, erklärt sie. Deshalb ist in vielen Museen auch das Fotografieren mit Blitz verboten: &bdquo;Man kann sich diese kurze Belichtung als einen gewaltigen Energieschub vorstellen, der dann chemische Prozesse in Gang bringt“, ergänzt Kollegin Anja Koschel. Bei einem Ausstellungswechsel werden die Elemente jedes Mal auf die neuen Stücke angepasst und spielen auch beim Transport eine entscheiden Rolle. Schutz vor Beschädigung für hochwertige Kunstwerke Sobald die Dokumentationen abgeschlossen sind, dürfen die Werke von der Wand genommen und verpackt werden. Auch hier ist wieder besondere Vorsicht geboten, denn der Schutz vor jeder noch so winzigen Beschädigung beim &bdquo;Art-Handling“ (dt. Kunst-Handhabe) ist laut Tamara Schneider von größter Bedeutung. Kein Wunder, denn zum Teil haben die Arbeiten extrem hohen Wert. Nachdem jeder Gegenstand in mehrere Schichten Schutzstoff und -folie eingewickelt worden ist, kommt er für den Transport in eine sogenannte &bdquo;Klimakiste“: &bdquo;Die speziell für den Kunsttransport entwickelten Boxen sind feuerhemmend und bieten Schutz gegen klimatologische Einflüsse und Temperaturschwankungen, sowie gegen Staub, Dreck und Feuchtigkeit“, erklärt Tamara Schneider. Gleiches gelte auch für mechanische Einflüsse wie zum Beispiel Schwingungen und Stöße: &bdquo;Auch, wenn bei uns natürlich kein klassisches Umzugsunternehmen kommt, sondern eine darauf spezialisierte Kunstspedition“, ergänzt David Riedel. Wenn die Werke an ihrem Ziel angekommen sind, müssen sie mindestens 24 Stunden in den Klimakisten bleiben, bevor sie ausgepackt werden können. Das diene zur Akklimatisierung in der neuen Umgebung, so Schneider. Die verwendete Kartonage, der Kantenschutz, Schaumstoffe oder Folien werden wieder verwendet: &bdquo;Einerseits haben wir so die passgenauen Hilfsmittel, andererseits vermeiden wir so unnötigen Müll“, sagt der künstlerische Leiter, als die letzte Kiste verschlossen wird. Erste Werke finden in Werther ihren Platz Während er erzählt, durchfährt das Geräusch eines Schlagbohrers die Stille. Ingo Bustorf und Burkhard Speckmann tätig, haben angefangen, die ersten Löcher in zu bohren. Beide gehören zum Team der über 60 Ehrenamtlichen, die nicht nur Veranstaltungen betreuen und ein Auge auf die Kunstwerke haben, sondern in Umbauphasen ebenfalls kräftig mit anpacken. Speckmann ist pensionierter Lehrer, Bustdorf Experte für Art-Handling. Übrigens: Auch in einem Museum werden Gemälde an die Wand gedübelt: &bdquo;Wenn auch in vielen Fällen mit speziellen Sicherheitsschrauben, die das Abnehmen des Werkes von der Wand verhindern“, erklärt Bustorf vor der ersten Aufhängung schmunzelnd. Am Ende des zweiten Umbautages hängen so schon diverse Rahmen, auch der ein oder andere Sockel hat es bereits aus dem Keller geschafft. Doch bevor wieder Besucherinnen und Besucher die große weiße Ausstellungshalle füllen können, gibt es noch einiges mehr zu tun: &bdquo;Sobald alle Gegenstände sicher an ihrem Platz sind, müssen noch die Info-Texte und andere gestalterische Elemente angebracht werden“, erläutert David Riedel, während er seine kalte Tasse Kaffee auf dem Weg zum Ausgang in den Abfluss kippt. Lesen Sie auch: Bekannte Kunstwerke aus dem Kreis Gütersloh werden für 400.000 Euro versteigert Dazu kämen noch Ausbesserungsarbeiten, die Vorbereitungen für die Eröffnung am Sonntag, 29. September, und &bdquo;klassischer administrativer Kleinkram“. Bevor er Satz und Tag beendet, dreht Riedel sich noch einmal in Richtung Halle, wo die letzten Sonnenstrahlen auf den Betonboden fallen: &bdquo;Durchwischen sollten wir auf jeden Fall auch noch mal“, zwinkert er.

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