Gütersloh verliert in Finanzkrise seinen Kämmerer: Plötzlicher Abgang wirft Fragen auf

Gütersloh. Der Abgang des Kämmerers trifft Gütersloh in einem denkbar ungünstigen Moment. Die Stadt ist klamm, seit Monaten bemüht sie sich, in Haushaltsklausuren mit den Ratsfraktionen einen Ausweg aus dieser Bredouille zu finden. Und ausgerechnet jetzt geht der von Bord, der sich um die städtischen Finanzen kümmert. Darüber kann niemand froh sein. Zwar wird hinter vorgehaltener Hand über Thomas Könnecker berichtet, er sei nie so ganz in Gütersloh angekommen, aber dennoch: Dass derjenige ausscheidet, der qua Amt am ehesten weiß, wie der Haushalt wieder ins Lot zu bringen wäre, ist Mist. Eine Konsolidierung ohne Haupt-Konsolidierer wird nicht leichter. Womöglich gerät sie sogar ins Stocken. Lesen Sie auch: &bdquo;Es ist absurd“: Gütersloher Ex-Kämmerer über die aktuelle Finanzkrise Ob sich das schon an diesem Samstag (21. September) bei der nächsten Klausur bemerkbar macht? Zum x-ten Mal sitzen die Vertreter von Ratsfraktionen und Verwaltung zusammen, um sich über die Finanzpapiere zu beugen. In Gütersloh ist aktuell strenge Haushaltsdiziplin gefragt Wo streichen, wo einsparen? Der Handlungsdruck ist enorm. Der Haushalt fürs laufende Jahr weist bei einem Volumen von 410 Millionen Euro eine Lücke von 67 Millionen Euro aus, und die Prognose für die Folgejahre ist nicht besser. Strenge Haushaltsdisziplin ist gefragt. Es gibt zwei Varianten oder auch eine Mischung daraus. Die eine beinhaltet tiefe Einschnitte bei den städtischen Beteiligungsgesellschaften: Die Kulturräume beispielsweise könnten sich dadurch genötigt sehen, die Theater-Saison zu kürzen, die Stadtwerke könnten entscheiden, sonntags weniger Busse fahren zu lassen. Die andere Variante beinhaltet eine pauschale Kürzung der Ausgaben um 1,5 Prozent – auch das alles andere als erfreulich. Teilnehmer wundern sich, dass die Klausuren von Externen geleitet werden Die Haushaltsklausuren laufen hinter verschlossenen Türen, wie so vieles. Man will in Ruhe beraten und die Bürger da draußen nicht fortwährend mit neuen Sparideen verrückt machen, auch wenn es letztlich um deren Steuergeld geht. Doch interessiert Könnecker das noch? Wo er jetzt auf dem Absprung ist? Von Teilnehmern der Klausuren heißt es, sie fänden es eigenartig, dass Könnecker sie von einem Externen moderieren lässt. Von Vorgängerin Christine Lang hätte man sich das kaum vorstellen können, auch von deren Vorgänger Klaus Wigginghaus nicht. Es sehe ein bisschen nach zweiter Reihe aus, nach Distanzierung. Anfang 2023 hatte Könnecker den Job in Gütersloh übernommen. Er kam vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, wo er die Finanzabteilung geleitet hatte und für die Gebäudeinfrastruktur zuständig war. Womöglich hat Könnecker unterschätzt, wie in einer Kommune die Post abgeht Der Landschaftsverband ist das, was man eine Mittelbehörde nennt, eine Körperschaft, die sich aus Umlagen finanziert. Wird bei einem Verband wie dem LWL das Geld knapp, erhöht er halt die Umlage, holt es sich von den Kreisen, den kreisfreien Städten und vom Land. Womöglich hat Könnecker unterschätzt, wie im Gegensatz dazu in einer Kommune die Post abgeht. Finanzknappheit wirkt sich hier viel direkter aus. Sich mal eben Geld zu besorgen – beispielsweise über eine Erhöhung der Grundsteuer B – oder umgekehrt irgendwo Geld zu streichen, löst unmittelbar Betroffenheit aus. Das kann unbequem sein, deutlich unbequemer jedenfalls als in einer Mittelbehörde. Demonstrationen von Tagesmüttern vor dem Rathaus, wie am Donnerstag in Gütersloh, wird man beim LWL in Münster kaum erleben. War es unklug, sich für einen Bewerber aus der Ferne zu entscheiden? Sich in neuen, anderen Entscheidungsstrukturen bewegen zu müssen, könnte für ihn schwieriger gewesen sein, als er angenommen hatte. Womit er bis heute hadert, ist zudem die enge Begleitung durch Medien. Immer wieder erstaunt ihn, dass Diskussionsprozesse und Entscheidungen öffentlich werden. Das kannte er aus dem ruhigen LWL-Job in Münster nicht. Dass die enge Begleitung jedoch geboten ist, weil Entscheidungen wegen der unmittelbaren Betroffenheit von Bürgern gefälligst zu erklären und zu rechtfertigen sind, änderte nichts an seiner medialen Zurückhaltung. Lesen Sie auch: Gütersloh steckt in der Finanzkrise: An diesen Stellen könnte die Stadt künftig sparen In Osnabrück wird er künftig an seinem Wohnsitz arbeiten. Die Pendelei hat damit ein Ende. In Gütersloh könnte man sich nun fragen, ob es von Anfang an unklug war, sich für einen Bewerber aus der Ferne zu entscheiden. Es ist eine naheliegende, drängende Frage: Führt räumliche Distanz zu mangelnder Identifikation mit dem Ort, für den man tätig ist? Zu halbem statt vollem Commitment? Könneckers Abgang dürfte vieles durcheinander würfeln Der Vorwurf ist in Gütersloh immer wieder zu hören: Die wohnen ja alle nicht mehr hier. Die kommen nur zum Arbeiten her, die Stadt sei ihnen eigentlich egal. Früher sei das anders gewesen, etc. Nun: Da ist einerseits was dran, andererseits ist es ein einfaches, bequemes Argument, bei dem die Gefahr besteht, dass es einer Differenzierung und genauem Hinsehen im Weg steht. Mancher, der hier nicht wohnt, ist womöglich dennoch hundertprozentig ums Wohl der Stadt bemüht. Wie auch immer: Der Abgang Könneckers könnte viel durcheinander würfeln. Was nun: Die Stelle kurzfristig neu ausschreiben? Erst abwarten, wie die Bürgermeisterwahl im November ausgeht, weil nach einer Wahl von Henning Matthes ein weiterer Beigeordnetenposten frei würde? Vielleicht dann die Dezernate neu zuschneiden? Dem Verwaltungsvorstand könnte viel Expertise verloren gehen Zu bedenken ist, dass auch die Amtszeit von Andreas Kimpel ausläuft, voraussichtlich Anfang 2026 scheidet er aus. Baudezernent Albrecht Pförtner, vor nicht langer Zeit für Nina Herrling nachgerückt, ist ebenfalls nicht mehr der Jüngste. Es droht die Gefahr, dass im Gütersloher Verwaltungsvorstand nach und nach viel Expertise verloren geht. Dass Könnecker vorzeitig geht, ist daher umso bitterer.

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