Gütersloher Fahrrad-Gruppe wird übel beschimpft – dabei gelten für sie Sonderrechte

Gütersloh. Neulich, bei einer Radtour gen Steinhagen, war es besonders arg. Fünf- oder sechsmal seien sie beschimpft worden, Hupkonzerte nicht mitgezählt. &bdquo;Was fällt euch ein, ihr seid ja bekloppt, ihr behindert den ganzen Verkehr“, so in etwa sei der Tenor gewesen. Da die Fahrradgruppe des TuS Friedrichsdorf dergleichen immer wieder erlebt, geht sie nun an die Öffentlichkeit. &bdquo;Es wird Zeit, dass über dieses Thema aufgeklärt wird.“ &bdquo;Dieses Thema“ – damit ist das Radfahren in großen Gruppen, in einem &bdquo;geschlossenen Verband“ gemeint. Für einen solchen Verband, der mindestens 16 Teilnehmer umfasst, gelten laut Straßenverkehrsordnung besondere Rechte. Nur: Viele Autofahrer wissen das nicht – und reagieren entsprechend. Besondere Regel an Ampeln Auf diese Sonderrechte hinzuweisen, ist den Friedrichsdorfern ein Anliegen. Im eigenen Interesse, aber auch dem anderer Gruppen. &bdquo;Wer sich umsieht, stellt fest, dass es immer mehr Gruppen mit Fahrradausflüglern gibt“, sagt Reinhard Brummel. &bdquo;Kein Wunder: Die Zahl der agilen Rentner steigt, und fast alle haben ein E-Bike.“ Heimatvereine, Kirchengemeinden, Kolping, Sportvereine: Sie alle haben solche Ausflüge als nettes Angebot für ihre Mitglieder erkannt. Entscheiden sich die Gruppen, als geschlossener Verband zu radeln, dürfen sie selbst dann auf der Straße fahren, wenn rechts daneben ein ansonsten benutzungspflichtiger Radweg verläuft. Sie dürfen auch zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren. Bei Ampeln gilt: Sobald der erste Radfahrer der Gruppe bei Grün gefahren ist, darf und muss der Rest der Gruppe folgen, selbst wenn die Ampel inzwischen auf Rot gesprungen ist; querende Autos müssen warten. Gleiches gilt bei Kreuzungen und Einmündungen: Ist der erste Radfahrer drüber oder eingebogen, folgen alle anderen, selbst wenn zwischenzeitlich ein Fahrzeug auftaucht, das normalerweise Vorfahrt hätte. 20 Radfahrer sind zusammen im Kreis Gütersloh unterwegs Das Grundprinzip: Ein geschlossener Verband von Radfahrern ist wie ein einziges Fahrzeug zu betrachten, gewissermaßen wie ein Sattelschlepper oder Omnibus. &bdquo;Viele Autofahrer wissen davon aber leider nichts“, sagt Brummel. Die Folge: Es kommt zu unschönen Konfrontationen. Manchmal wird es sogar heikel – wenn Autofahrer bei ihrem Ampelgrün nicht warten mögen und schon anfangen, die letzten im Radfahrer-Konvoi zu bedrängeln oder wenn sie beim Überholen die Länge des Konvois unterschätzen und sich dann beim Einscheren zwischen die Radfahrer drängeln müssen. Seit 2015 ist die Fahrradgruppe des TuS unterwegs. Die Teilnehmer treffen sich donnerstags alle 14 Tage, von Ende April bis Ende September, je nach Wetter. Im Schnitt sind es um die 20 Radfahrer, die sich vor dem Vereinsheim am Carl-Diem-Weg einfinden. Bei ihren Touren nehmen sie zwischen 30 und 45 Kilometern unters Rad, doch zu Unfällen wegen der Sonderregelungen sei es in all den Jahren nicht gekommen, berichtet Gruppenleiter Roland Hensdiek. &bdquo;Wir fahren vorsichtig und diszipliniert.“ Lesen Sie auch: Besonderer Deal mit Unternehmen Claas aus Kreis Gütersloh: Andrang auf neues Produkt Verbandsführer muss auf Einhaltung der Regeln achten Nach einer Anfrage sei vor einigen Jahren mal ein Polizist zu einem Treffen gekommen und habe einige Hinweise gegeben. &bdquo;Das war hilfreich“, sagt Hensdiek. &bdquo;Vielleicht sollte die Polizei offensiv auf anderer Gruppen zugehen und informieren.“ Noch 2023 habe die Polizei im Rahmen der Aktion Radschlag eine Pressemitteilung zu genau diesem Thema heraus gegeben, sagt Polizeisprecherin Katharina Felsch: &bdquo;Gemütliche Radtour in großer Gruppe - Wie funktioniert Radfahren im Verband?“ Wichtig sei beispielsweise, dass derjenige, der den Verband führe, sich gut mit den Sonderrechten auskennen sollte. Er habe die Gruppe zu informieren und darauf zu achten, dass alle die Regeln einhalten. Die Kommunikation während der Fahrt solle über Handzeichen erfolgen. Fahrradfahrer zeigen rabiaten Autofahrer an Die Teilnehmer sollten darauf achten, zwar ausreichend Sicherheitsabstand untereinander zu halten, aber die Lücken nie zu groß werden zu lassen, um als geschlossener Verband erkennbar zu bleiben. Im übrigen stünden die Beamten des Bezirksdienstes und die Kollegen der Verkehrsprävention jederzeit für Fragen zur Verfügung. Bei den Teilnehmern der &bdquo;Critical Mass“, die sich freitags um 17 Uhr am Rathaus treffen, um eine Stunde gemeinsam irgendwo hin zu radeln, nimmt man die Sonderrechte als Verband gerne in Anspruch, sofern die Mindestzahl von 16 erreicht ist. &bdquo;Wir erleben in Gütersloh wenig Ärger“, sagt Felix Kupferschmidt. Die Akzeptanz der Autofahrer sei vergleichsweise hoch. Beim Einscheren auf die Friedrich-Ebert-Straße beispielsweise oder beim Radfahren auf Nord- und Westring komme es so gut wie nie zu verärgerten Reaktionen. Anders auf dem (einspurigen) Stadtring. Dort müsse die Gruppe schon mal mit Gehupe und zornigen Autofahren rechnen. In Nachbarorten wie Verl oder Rheda-Wiedenbrück seien die Reaktionen aber manchmal krass. In einem Fall habe man sich sogar veranlasst gesehen, einen besonders rabiaten Autofahrer anzuzeigen. Forderung: Autofahrer müssen besser informiert werden Der ADFC hingegen verzichtet bei seinen Touren auf die Sonderrechte als geschlossener Verband. &bdquo;Das liegt daran, dass wir als offene Tour immer wieder neue und unerfahrene Teilnehmer dabei haben“, sagt Kreisvorsitzender Daniel Neuhaus. Es könne daher zu brenzlichen Situationen kommen. Hilfreich seien Kurse an, die der ADFC speziell für die Leiter von Fahrradgruppen anbiete; diese würden durchaus rege wahrgenommen. Reinhard Brummel sowie Roland und Monika Hensdiek halten es für genauso wichtig, die Autofahrer besser zu informieren. Vielleicht lasse sich das Wissen über die Rechte von großen Fahrradgruppen in der Fahrschule lehren. Ulrich Klich vom Gütersloher Unterbezirksleiter im Fahrlehrerverband ist in dieser Hinsicht indes eher zögerlich. Es handele sich doch sehr um ein &bdquo;Spezialthema“, so Klich. Das als festen Theoriestoff aufzunehmen, halte er für unwahrscheinlich. Im übrigen stehe über allen Sonderrechten das, was Klich den &bdquo;Mutterparagrafen“ der Straßenverkehrsordnung nennt: das Gebot ständiger Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme. Niemand dürfe geschädigt, gefährdet, behindert werden.

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