Güterslohs Bürgermeister zeigt Beigeordneten an: „Norbert Morkes demontiert sich selbst“

Gütersloh. Was das Schreiben seiner fünf Beigeordneten mit ihm gemacht habe, will am Mittwoch ein Journalist von Norbert Morkes in seiner selbst einberufenen Pressekonferenz wissen. Ob er auch selbstkritisch mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen umgehe oder diese nur rundheraus abwehre. Bevor der Bürgermeister auch nur Luft holen kann, hat sein Anwalt Holger Rostek (&bdquo;Vielleicht darf ich antworten.“) schon erklärt, dass für ihn von Anfang an fest stand, dass die Vorwürfe gegen seinen Mandanten haltlos sind. Rostek (79) ist ein alter Fahrensmann der Justiz und er weiß, wann man seinem Mandanten das Wort besser mal abschneidet. Der Bielefelder Strafverteidiger kümmert sich ansonsten um Mord und Totschlag und alles, was viel Aufmerksamkeit erzeugt. Jetzt ist es ein Bürgermeister, dem vom Verwaltungsvorstand persönlich allerlei Vergehen vorgeworfen werden, unter anderem sexistisches Verhalten gegenüber Mitarbeiterinnen in zahlreichen Fällen. Das gibt’s nicht oft. Fernsehteams sind anwesend, der Bild-Reporter auch. Man kennt sich. &bdquo;Ich kann mich an keinen einzigen dieser Fälle erinnern“, erklärt Morkes. Keinen einzigen von fast 20 aufgelisteten sexistischen Äußerungen? &bdquo;Es gibt diese Vorfälle nicht“, betont Morkes. Holger Rostek nennt es deshalb einen Skandal, der durch die Medienberichte ausgelöst wurde, wörtlich spricht er von &bdquo;Hexenjagd“. Das ist auch das Lieblingswort von Donald Trump. Anzeige gegen Matthes soll nur der Anfang sein Und noch eine Antwort hätten die Journalisten gerne: &bdquo;Wie wollen Sie nach der Strafanzeige gegen Ihren Ersten Beigeordneten demnächst im Rathaus wieder konstruktiv zusammenarbeiten?“ Es gebe ja nicht nur den Verwaltungsvorstand, &bdquo;wir haben fähige Mitarbeiter“ und überhaupt sei er als Bürgermeister bereit, die Hand zu reichen. Da hatte man schon fast vergessen, dass Rostek wenige Minuten zuvor angekündigt hatte, dass die Strafanzeige gegen Henning Matthes nur der Anfang sei. Es würden wohl weitere folgen (müssen), wenn klar sei, wer sonst noch alles hinter der Verleumdungs-Kampagne stecke. Er ist am Mittwoch erreicht, der &bdquo;Point of no return“. Es gibt kein zurück mehr. Nicht zum respektvollen Miteinander und auch nicht ins Rathaus. Es ist vorbei. Norbert Morkes demontiert sich selbst, indem er zeigt, dass Eitelkeit mächtiger ist als Scham. Der Gütersloher Bürgermeister zeigt seinen Ersten Beigeordneten an. Wie konnte es soweit kommen? Norbert Morkes: &bdquo;Ich bin Bürgermeister-Azubi“ Vier mal hat sich Morkes zur Wahl für das Bürgermeisteramt gestellt. Eine Art sturer Kampfgeist darf ihm als Charaktereigenschaft unterstellt werden. 2020 hat’s geklappt im Duell gegen seinen Amtsvorgänger Henning Schulz (CDU). Was hat ihn ins Amt gespült? Proteststimmung vielleicht? Aber Protest gegen was? Gegen die da oben? Gegen das Gefühl, ausgeliefert zu sein, gegen Politiker, die man für unnahbar hält und die sich vermeintlich kein bisschen dafür interessieren, was man meint und denkt? Morkes selbst konnte es kaum glauben, als er am Ziel seiner Träume war. Mit der BfGT – der von ihm selbst gegründeten politischen Vereinigung – an die Spitze der Stadt. Das fühlt sich gut an. Das heißt aber auch, mit 69 Jahren in die berufliche Festanstellung, repräsentieren, unzählige Termine abarbeiten, abends Sitzungen leiten, alles mögliche unterschreiben, entscheiden, besprechen. Und morgens wieder pünktlich um 9 Uhr im Büro sitzen. Lesen Sie auch: Gütersloher Bürgermeister Norbert Morkes vorläufig suspendiert Morkes erkennt die Dimension sehr wohl. &bdquo;Ich bin Bürgermeister-Azubi“ mit diesem tausendfach zitierten Spruch im ersten Amtsjahr sucht er sich zu schützen und kokettiert mit seiner Unkenntnis. &bdquo;Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ heißt es im Volksmund. Und wenn doch? Demut gehört wahrlich nicht zu seinen Tugenden, Morkes will mitmischen, mag im Rathaus niemandem so recht trauen, und berichtet den anderen, den Bürgern, gerne von der Unfähigkeit zahlloser Gütersloher Beamter. Maria Unger hatte auch nie einen Referenten Später ist der fehlende Referent schuld. Weil die Politik – allen voran die CDU – ihm einen persönlichen Mitarbeiter verweigert, könne er, Morkes, nicht ordentlich arbeiten. &bdquo;Er hat ja auch keinen Referenten“ verfängt sich als Schutzargument bis heute in den Köpfen vieler Bürger. Am Mittwoch waren wieder die anderen schuld. Seit rund 20 Jahren sei er Ratsmitglied in Gütersloh gewesen, so Morkes. Der Verwaltung sei er von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen, &bdquo;der Stachel im Fleisch, weil ich bürgernah bin und nicht die Verwaltungssprache spreche.“ Auch diese Aussage wird sich in vielen Köpfen verfangen – obwohl es grober Unfug ist. Man macht sich bei Politik und Verwaltung unbeliebt, weil man bürgernah ist? Kaum jemand hat sich bürgernäher gegeben als Altbürgermeisterin Maria Unger. Ist sie deshalb unbeliebt? Wohl kaum. Und hatte sie jemals einen persönlichen Referenten? Nein. Sie hatte Beigeordnete wie etwa Markus Kremer, die ihr als Quereinsteigerin den Rücken frei hielten. Norbert Morkes geriert sich als Opfer. Damit polarisiert er die Gütersloher Gesellschaft auf nie dagewesene Weise. Die berufliche Beschädigung von Henning Matthes nimmt er billigend in Kauf. Matthes wird als möglicher CDU-Kandidat für die nächste Bürgermeisterwahl 2025 gehandelt. Die Fraktionen stellen sich mehrheitlich hinter die Beigeordneten und wissen sich zugleich doch nicht mehr zu helfen. Der Rat ist ratlos. Das Zaudern der SPD löst Kopfschütteln aus. 50.000 Euro Gehalt in den vier Monaten Immer wieder wird der Ruf laut, dass bis zur Aufklärung des Falls die Unschuldsvermutung gilt. Das ist falsch. Die Fraktionen haben den Fall Morkes politisch zu bewerten, nicht juristisch. Es geht um die Frage: Was ist wichtiger für Gütersloh? Ein Bürgermeister, der seit vier Monaten arbeitsunfähig geschrieben ist und somit seine Amtsgeschäfte nicht führen kann, oder fünf Beigeordnete, die die Stadtverwaltung am Laufen halten. Es geht um das Wohl der Stadt Gütersloh und nicht um das Wohl einer einzelnen Person. Alleine für den Zeitraum Dezember bis März hat der Bürgermeister ein Gehalt von rund 50.000 Euro erhalten. Eine Leistung hat er dafür nicht erbracht. Er sei psychisch angeschlagen, wie er am Mittwoch vor laufender Kamera erklärt. Die Kreisverwaltung als Aufsichtsbehörde hat am Freitag gehandelt und Morkes vorübergehend vom Amt suspendiert – vermutlich bis das disziplinarrechtliche Ermittlungsverfahren beendet ist. Gut so. Wer sonst hätte die Möglichkeit gehabt, diese unwürdige Schlammschlacht zu unterbinden. Man darf sicher sein, dass Landrat Adenauer sich der Tragweite dieser Entscheidung bewusst ist. Es muss ein Ende haben. Wie denken Sie darüber? Ich freue mich auf Ihre Meinung unter salzmann@nw.de

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