Ärger in Gütersloh: Nach 24 Jahren darf hier plötzlich schneller gefahren werden

Gütersloh. Der 24. August 2000 ist schon eine ganze Weile her. An den besagten Donnerstag erinnern sich die Anwohner der Brackweder Straße nahe der Ortsgrenze im Gütersloher Stadtteil Friedrichsdorf gerne zurück. Denn damals ordnete die Stadt Gütersloh auf &bdquo;ihrem“ Teilstück der L791 in der langgezogenen Kurve die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 Stundenkilometern an. &bdquo;Diese Regelung hatte immerhin fast 24 Jahre lang bestand. Warum die Stadt sie jetzt geändert hat, ist uns ein Rätsel. Wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen“, kritisiert Daniel Helmig. Seit dem 18. Dezember vergangenen Jahres dürfen Kraftfahrzeuge auf dem im Fokus stehen Straßenstück wieder 70 km/h fahren dürfen. Das ist nicht nur dem Feuerwehrmann und Vorsitzenden des CDU-Ortsverbandes Avenwedde-Friedrichsdorf ein Dorn im Auge. Gemeinsam mit anderen Anwohnern hat er eine Initiative gebildet, die für die Rückkehr zu mehr Langsamkeit kämpft. Täglich kommen viele jüngere Besucher mit dem Fahrrad zum Pferdehof &bdquo;Wir wollen Tempo 50 zurück bekommen. In den letzten Jahren war hier der Verkehrsfluss in Ordnung. Seit der Änderung fahren die Autos und Lkw wieder spürbar schneller. Wir machen uns Sorgen, vor allem um die Sicherheit der Kinder“, erklärt Elke Brachtvogel. Sie ist Eigentümerin eines Pferdehofes, zu dem täglich auch viele jüngere Besucher mit dem Fahrrad kommen. Sie müssen ebenso die Brackweder Straße queren wie die Reiter mit ihren Tieren, die regelmäßig in Richtung Miele-Wald und Bockschatz-Hof unterwegs seien. Lesen Sie auch: Tempo 30 in der Gütersloher Innenstadt und nachts auf der B61 - ist das realistisch? Kein Unfallschwerpunkt: Begründung für Anlieger nicht nachvollziehbar Die 61-Jährige hat im Namen der Anwohner einen Bürgerantrag bei der Stadt Gütersloh eingereicht, in dem sie die Wiedereinführung des Tempolimits von 50 km/h fordert. Außerdem soll die Verwaltung prüfen, ob für den bebauten Abschnitt an der Friedrichsdorfer Ortsgrenze Tempo 30 veranlasst werden könne. Die Stadt Gütersloh hatte als zuständige Straßenverkehrsbehörde das 24 Jahre lang gültige Tempolimit ausgesetzt. Dem soll eine entsprechende Anfrage vom Landesbetrieb Straßen.NRW vorausgegangen sein. Begründet wurde die Entscheidung unter anderem damit, dass die Straße keinen Unfallschwerpunkt mehr bilde. Laut Polizei habe es keine Unfälle dort gegeben, so die Anwohner. &bdquo;Die Beinah-Unfälle werden allerdings nicht erwähnt. Außerdem wurden in den letzten 14 Jahren auf diesem Teilstück keine Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt“, so Daniel Helmig. Somit könne man Aussagen, dass die Geschwindigkeiten überwiegend eingehalten worden seien &bdquo;nur sehr schwer nachvollziehen“. Elf Kinder und Jugendliche leben im betroffenen Bereich Auch Anwohnerin Anke Eichhorn konnte mit der bisherigen Tempo-Begrenzung gut und sicher leben, die seinerzeit nach dem Unfall eines Mädchen eingeführt worden war. Seit damals sei die Anzahl der im betroffenen Siedlungsbereich lebenden Kinder und Jugendlichen auf mittlerweile elf angewachsen. &bdquo;Deshalb waren wir jetzt auch total überrascht, als das Limit wieder erhöht wurde“, sagt die 57-Jährige. Sie selber beobachtet immer wieder, dass an Ort und Stelle aktuell viele Pkw und Lkw zum Teil noch schneller als mit dem derzeit erlaubten Tempo unterwegs sein. &bdquo;Die fahren mit 80 oder 85 km/h hier durch.“ Dadurch sei zum einen das Befahren der Straße aus den Zufahrten der Grundstücke erschwert. Zum anderen seien die Verkehrsteilnehmer auf dem kombinierten Rad- und Fußweg noch mehr gefährdet als ohnehin schon. Anlieger: Lkw fahren seit der Änderung wieder deutlich schneller Gerade die Sicherheit der Kinder, die sich auf dem Radweg teils noch unsicher bewegen würden, sei bei Tempo 70 &bdquo;kaum noch zu gewährleisten“. Dieses Problem bemängelt auch Anwohner Salih Sezer Kocabey (35), Vater von drei Kindern. Seit der Einführung von Tempo 70 würden die Lkw wieder deutlich schneller fahren, Abstände zum Radweg würden nicht eingehalten. &bdquo;Die Sogwirkung ist deutlich zu spüren.“ Die Kinder und Jugendlichen würden jetzt bei herannahenden Lastern schon automatisch in Richtung der Gärten und Zäune fahren. Für Kocabey ist die Tempo-Erhöhung eine &bdquo;weltfremde bürokratische Entscheidung“, die vermutlich an einem Schreibtisch gefällt worden sei. &bdquo;Aber wir hier vor Ort müssen das ausbaden.“ Das Argument, mit der getroffenen Maßnahme eine Homogenisierung des Verkehrsflusses erzielen zu wollen, stößt bei der Anlieger-Initiative ebenfalls auf Unverständnis. &bdquo;Das ist absoluter Quatsch“, sagt Anke Eichhorn, &bdquo;denn wenn man den weiteren Verlauf der L791 in Richtung Bielefeld verfolgt, hat man mittlerweile insgesamt vier Geschwindigkeiten.“ So gebe es noch Begrenzungen von 60, 50 und 30 km/h. &bdquo;Somit kann davon keine Rede sein.“ So äußert sich die Stadt Gütersloh zum Sachverhalt Dafür ist aus Sicht der Anwohner die Lärmbelästigung deutlich gestiegen. Elke Brachtvogel, Antragstellerin der Bürgereingabe, weist daraufhin, dass die Stadt Gütersloh sich mehrheitlich für ein Klimaschutzkonzept entschieden habe, in dem es eben auch um Geschwindigkeitsreduzierungen aus ökologischen Gründen gehe. Die Initiative Energiewende würde gar mit der Forderung nach Tempo 30 auf der B61 Gehör finden. &bdquo;Aber für die Anwohner der Brackweder Straße gelten auch Lärmbelastungen und wir haben die gleichen Sorgen für die Sicherheit unserer Kinder und Angehörigen.“ Der Bürgerantrag wurde am Montagabend im Hauptausschuss zur Bearbeitung an die Stadtverwaltung verwiesen. &bdquo;Der Fachbereich Ordnung als Straßenverkehrsbehörde wird zum Sachverhalt im nächsten Mobilitätsausschuss am 18. April Stellung nehmen und erläutern“, teilte Stadt-Pressesprecherin Annette Blumenstein. Dem vom Hauptausschuss beschlossenen Weg werde man nicht vorgreifen. Somit blieben weitere Fragen vorerst unbeantwortet. Ausschlaggebend für die Änderung zur Tempo-70-Zone soll eine Anfrage des Landesbetriebs Straßen.NRW bei der Stadt Gütersloh gewesen sein mit der Frage, ob die dortigen Verhältnisse nach wie vor aktuell seien. Dazu erklärte Sprecher Floran Wild am Dienstagnachmittag: &bdquo;Ursächlich war eine Bürgeranfrage bezüglich der geltenden Geschwindigkeitsbeschränkung auf Bielefelder Gebiet.“ Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h sei im Jahr 2000 aufgrund der Unfalllage und zur Schulwegsicherung angeordnet worden. &bdquo;In der Zwischenzeit wurde ein fahrbahnbegleitender Geh- und Radweg angelegt.“ Wie der Landesbetrieb Straßen.NRW die Sache sieht Ferner hätten Verkehrsmessungen ergeben, &bdquo;dass die Geschwindigkeitsbeschränkung von 94,26 Prozent der Verkehrsteilnehmer nicht eingehalten werden“, so Wild weiter. Hinsichtlich des Bürgerantrags würde der Landesbetrieb im Rahmen eines gesetzlich verpflichtenden Anhörverfahrens eine technische Stellungnahme zur Situation vor Ort abgegeben. Könnte Straßen.NRW theoretisch eine Rückkehr zur Tempo-50-Zone in Gang setzen und wäre das nicht sogar sinnvoll? &bdquo;Nein“, sagt der Landesbetriebs-Sprecher, &bdquo;denn in diesem Fall ergab eine Verkehrsmessung, dass 85 Prozent der Verkehrsteilnehmer täglich bereits 70 km/h fahren.“ Eine Rückkehr würde demzufolge bedeuten, dass man den Sachverhalt nicht berücksichtige. Aufgrund der Geschwindigkeitserhebung wurde die Entscheidung zur Umbeschilderung getroffen. Für auf die Landesstraße einfahrende Verkehrsteilnehmer ist dann auch klar, dass mit höheren Geschwindigkeiten zu rechnen ist.

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