Aggressive Ausbrüche 

Schock-Moment: Gütersloher soll Nachbarn eingesperrt haben 

Der psychisch kranke Mann aus Gütersloh soll sich Zugang zur Wohnung seines Nachbarn verschafft, den Schlüssel an sich genommen und den Mann eingeschlossen haben. Und das ist noch nicht alles.

Erst die Mutter des Angeklagten kann ihn dazu bringen, seinen Nachbarn zu befreien. | © Friso Gentsch

08.03.2024 | 08.03.2024, 12:33

Gütersloh/Bielefeld. Er redet schnell und viel, springt gedanklich und thematisch hin und her, korrigiert sich, stellt weitere Ausführungen zu einem bestimmten Aspekt für später in Aussicht: Wortreich hat sich Claus S. (Name geändert) in der Verhandlung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen geäußert.

Der 45-jährige Gütersloher muss sich derzeit wegen einer Reihe von Vorfällen vor dem Bielefelder Landgericht verantworten. Bestraft werden kann er möglicherweise jedoch nicht.

Schon seit etlichen Jahren leidet Claus S. unter einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Lange Zeit kam er, medikamentös eingestellt, mit der Erkrankung wohl auch leidlich zurecht. Doch verschlechterte sich sein Zustand erheblich, so die Anklage der Bielefelder Staatsanwaltschaft, als er Anfang 2022 begann, die notwendigen Medikamente nur noch unregelmäßig einzunehmen.

Gütersloher soll Nachbarn eingeschlossen haben

In der Folgezeit soll es mehrfach zu aggressiven Durchbrüchen des 45-Jährigen gekommen sein. So wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, am Abend des 9. März des vergangenen Jahrs in dem von ihm bewohnten Mehrparteienhaus in die Wohnung eines Nachbarn gegangen zu sein, dort aus dem Hausflur den Wohnungsschlüssel mitgenommen und den Nachbarn eingeschlossen zu haben.

Als dieser telefonisch den Vermieter, bei dem es sich um den Vater von Claus S. handelt, hinzurief, stieß der 45-Jährige seinen Vater beiseite, nahm dessen Zweitschlüssel für die Wohnung des Nachbarn an sich und verschwand.

Erst die ebenfalls darüber informierte Mutter soll es schließlich geschafft haben, S. dazu zu bewegen, den Schlüssel herauszugeben. Laut Anklage wurde die Wohnungstür des eingesperrten Nachbarn schließlich nach drei Stunden gegen 22 Uhr wieder geöffnet.

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Schwester mit Gläsern und scharfkantigen Glasscherben beworfen?

Darüber hinaus wirft die Staatsanwaltschaft Claus S. Weitere Taten vor: So soll er bei einer Gelegenheit versucht haben, seinen Vater von dessen Fahrrad auf die Straße vor vorbeifahrende Fahrzeuge zu stoßen.

Bei anderer Gelegenheit soll S. eine Frau auf dem Gehweg angespuckt und sich laut lachend entfernt haben, am 17. August 2023 soll er schließlich seine im Treppenhaus des von ihm bewohnten Hauses Staub saugende Schwester mit Gläsern und scharfkantigen Glasscherben beworfen haben. Nur durch Zufall soll die Frau dabei nicht getroffen worden sein.

Als der Vorsitzende Richter Kai Niesten-Dietrich den Angeklagten zu Beginn der Verhandlung der XXIV. Großen Strafkammer des Landgerichts darüber belehrt hatte, dass dieser das Recht zu schweigen – oder aber Angaben zu den Vorwürfen zu machen – habe, antwortete S.: „Ich möchte viel dazu sagen.“

Kann Claus S. überhaupt strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden?

Und an diese Ankündigung hielt er sich. Die Quintessenz: Die Vorwürfe seien allesamt unzutreffend, Tatsachen verdreht. Zwar habe es mal eine Rangelei mit dem Nachbarn gegeben, diese sei jedoch im Mai – und nicht im März – gewesen.

Er sei damals zur unter ihm liegenden Wohnung gegangen, weil er weibliche Schreie, „als ob jemand gequält wird“, gehört zu haben meinte. Den Vorfall mit der angespuckten Frau habe es nicht gegeben, seine Schwester hingegen habe ihn seit Monaten provoziert.

Sollten sich die Vorwürfe als zutreffend herausstellen, so ist es dennoch fraglich, ob Claus S. strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Staatsanwaltschaft betreibt neben einer Bestrafung, die mutmaßlich ohnehin nur für die Glas-Attacke auf die Schwester des Angeklagten in Frage kommt, die Unterbringung des Güterslohers in einem psychiatrischen Krankenhaus.