Erschreckende Einblicke von zwei Güterslohern: Ex-Drogensüchtige packen aus

Gütersloh. Dominik Schütze hört Stimmen. Sie sprechen zu ihm. Ziemlich eindringlich. Es sind bekannte Stimmen. Von seiner verstorbenen Oma, von Ex-Freundinnen, von Bekannten. Er hört sie vor allem, wenn es eigentlich still ist, wenn niemand anderes im Raum ist. Dominik Schütze ist der Einzige, der sie hört. Sie sind in seinem Kopf. Und sie werden bleiben. Eine Folge seines jahrelangen Drogen-Konsums. Schütze hat fast alles genommen, auch &bdquo;das richtig harte Zeug“, wie er selbst sagt. Und es hat ihn fast zerstört. Mit 16 raucht der Gütersloher, der in Borgholzhausen aufgewachsen ist, das erste Mal Cannabis. Nur mal so. Um es auszuprobieren. &bdquo;Das war mein jugendlicher Leichtsinn“, sagt Schütze heute, &bdquo;ich habe einen Lachflash bekommen und fand es eigentlich ziemlich cool.“ Sein Herz rast, er ist hellwach - und er liebt das Gefühl Es bleibt nicht dabei. Wenig später probiert er seine erste Pille. Ecstasy. Klein, blau und mit Logo. Was genau drauf stand, weiß er nicht mehr. An die Wirkung kann er sich hingegen noch genau erinnern. &bdquo;Mir war warm, alles wirkte auf einmal so sanft und groß, mein Herz hat gerast – aber auch das fand ich ehrlich gesagt gut. Ich habe damit anfangs wirklich nur Positives verbunden.“ Schütze fängt an das Gefühl zu lieben, hellwach und aktiv zu sein. Er fühlt sich unaufhaltbar. Und das über Stunden. Er will mehr davon. Sieh dir diesen Beitrag auf InstagramanEin Beitrag geteilt von PsychiatriepatientenTV (@psychatriepatiententv) 200 Pillen an einem Abend im Herforder Club verkauft Erst lässt er die Schule schleifen, später seine Nebenjobs. &bdquo;Ich habe zwar immer gearbeitet, bin aber auch oft rausgeflogen, weil ich zu unzuverlässig war.“ Er habe halt tagsüber oft Schlaf nachholen müssen, sagt er heute fast etwas beschämt. Partys und Drogenexzesse bestimmen seinen Alltag. Mit einer Freundin fängt er an, selbst zu dealen. Bis zu 200 Pillen verkauft er an einem Disco-Abend in einem Herforder Club. So lange bis das Duo erwischt wird. Türsteher, Polizei, Zelle – das volle Programm. Schütze bekommt zwei Jahre auf Bewährung. Und Sozialstunden. Sie sind ihm eine Lehre – zumindest fürs Dealen. &bdquo;Ich habe nie wieder etwas verkauft. Dafür aber umso mehr selbst konsumiert.“ Lesen Sie auch: So gefährlich ist die Droge Cannabis wirklich - Gütersloher Psychiater klärt auf Er denkt, er könnte über die Heizung telefonieren Ob seine Eltern nichts mitbekommen haben? &bdquo;Ich habe ein Doppelleben geführt und das ziemlich perfekt“, sagt Schütze, &bdquo;ich war ein Profi im Verstecken.“ Später als der Drogenkonsum und die Folgen offensichtlicher werden, sagt er, er habe eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) – zwischenzeitlich glaubt er es sogar selbst. Doch Ecstasy, Amphetamine und Co. hinterlassen immer krassere Spuren. Dominik Schütze leidet unter heftigen Psychosen, denkt, er werde von der Bundespolizei und Privatermittlern beschattet. Er hört Stimmen aus dem ausgeschalteten Fernsehen, aus dem Radio – denkt, er könne über die Heizung telefonieren. Sein Tiefpunkt. "Es ging mir noch nie so schlecht in meinem Leben" Schütze kann nicht mehr, ist am Boden. &bdquo;Es ging mir noch nie so schlecht in meinem Leben.“ Er fasst den Entschluss, aufzuhören. Zwar nicht das erste Mal – aber dieses Mal zieht er es durch. Er macht erst einen kalten Entzug bei seiner Mutter und fleht sie irgendwann an, ihn ins LWL-Klinikum zu bringen. Sechs Wochen bleibt er in der Psychiatrie. &bdquo;Das war mein Glück“, sagt er heute. Er schafft es. Ohne Rückfall. Heute hat er laut seinen Angaben kein Verlangen mehr nach den illegalen Substanzen, auch die Wahnvorstellungen sind verschwunden. Dominik Schütze hat noch Kontakt zu Therapeuten und einer ambulanten Betreuerin. Zur Sicherheit. Es geht ihm gut. Besser denn je. Schon nach dem Aufwachen gibt es den ersten Joint Halt hat er vor allem auch in dem Gütersloher Christian Dorn gefunden. &bdquo;Ich bin froh, dass ich ihn habe“, sagt Schütze. Dorn hat vor einigen Jahren eine Selbsthilfegruppe gegründet. Eigentlich ist es fast seltsam, dass sich die beiden Männer im Kreis Gütersloh nicht schon eher über den Weg gelaufen sind. Denn: Auch Christian Dorn war drogensüchtig. Jahrelang. Beide waren quasi in den gleichen Kreisen unterwegs. Begegnet sind sie sich aber nie. Auch Christian Dorn fängt als Jugendlicher mit Cannabis an. Schnell artet der Konsum aus. Schon nach dem Aufwachen gibt es den ersten Joint. Am Wochenende kommen Ecstasy und Alkohol dazu. "Alle haben gemerkt, dass ich ein Drogenjunkie war" Eine Zeit lang trinkt sich der Gütersloher bis in die Bewusstlosigkeit. Auch Pilze und LSD probiert Dorn aus. &bdquo;Bei mir war es anders als bei Dominik“, sagt er heute reflektierend, &bdquo;bei mir haben alle gemerkt, dass ich ein Drogenjunkie war – das konnte ich nicht verheimlichen.“ Um sich seinen Konsum zu finanzieren fängt auch Dorn an, zu dealen, hauptsächlich mit Cannabis. Er baut selbst an, schmuggelt Stoff . Zeitweise hat er keinen festen Wohnsitz mehr; schlägt sich so durch. In seinem Blickwinkel steht immer ein Mann Irgendwann kommen auch bei ihm die ersten Halluzinationen, die ersten Psychosen. Erst fühlt es sich an, als habe er eine gruselige Maske vor Augen. Später sieht er in seinem Blickwinkel dauerhaft einen Mann. &bdquo;Wenn ich mich zu ihm umgedreht habe, dann ist er mit weitergerückt – das war wirklich gruselig.“ Dorn wird depressiv, weint oft tagelang. Sein Tiefpunkt. Auch er schafft es aber letztlich, sich selbst ins LWL-Klinikum einzuweisen. Während des Aufenthalts wird bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt. Der Grund: gewaltvolle Erfahrungen durch den Vater. Die Störung hat eine Amnesie ausgelöst, sodass sich Dorn bis dato an die Erlebnisse nicht erinnern konnte. &bdquo;Zusätzlich zum Entzug habe ich eine Konfrontationstherapie gemacht. Die war knallhart.“ Geheiratet und Vater geworden Er stellt sich allem. Der Sucht, der Vergangenheit. Doch es bleibt nicht sein einziger Aufenthalt in der Psychiatrie. Der Gütersloher wird mehrfach rückfällig. &bdquo;Ich bin aber immer wieder selbst zurückgegangen und habe mich gestellt.“ Seit 2012 hat Dorn keine Drogen mehr angerührt. Dieses Jahr ist quasi sein kleines Jubiläum. Er ist stolz, auch wenn er das selbst so nicht sagt – man merkt es ihm an. Vor drei Jahren hat Dorn geheiratet. Er hat seine Schulabschlüsse nachgeholt, ist sogar Vater geworden. Die beiden Männer haben es geschafft. Und sie wollen, dass andere es ihnen nachmachen.

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