Gütersloh. Am Samstag war sie noch in Hagen. Nach ihrem Stopp in Gütersloh Sonntagmittag beim 49. Grünkohlessen des FDP-Kreisverbandes im Brauhaus, ging es für Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit dem 5er-BMW am Nachmittag noch weiter zu Auftritten in Paderborn und Duderstadt. Ihr Kalender ist so voll, dass sie ihren TV-Auftritt bei „Illner“ am Donnerstag fast schon wieder vergessen hat.
Der Grund aller Anstrengungen: Am 9. Juni ist Europawahl und Strack-Zimmermann ist kürzlich mit einer 90-Prozent-Mehrheit zur Spitzenkandidatin ihrer Partei gekürt worden. Seit dem 6. Januar läuft ihr Wahlkampf. Noch 127 Tage sind es bis zum „Finale“, wie sie im Gespräch schnell anmerkt. Ihr Ziel? Ein gutes Ergebnis einfahren, mit besseren Zahlen für die FDP als beim letzten Mal. „Und damit möglichst viele junge Kollegen mitziehen ins EU-Parlament“, ergänzt sie.
Ihr eigener Einzug als Spitzenfrau der „Gelben“ ist so gut wie sicher. Sie kann längst nicht alle Termine wahrnehmen, die ihr angedient werden. Im Wahlkampf setze sie auf Präsenztermine wie jetzt in Gütersloh, auf Fernsehauftritte in Polit-Sendungen und – nicht zuletzt – auf Presse-Interviews. In der nächsten Woche steht sie auf dem Cover des neuen Magazins „Courage“. Im Innenteil findet sich eine große Geschichte.
Europa könnte langfristig ohne die Schutzmacht USA auskommen müssen
Ziele hat sie reichlich: Die Europawahl sei wichtig, weil es in Europa gerade unruhig zugehe. Da kommt eine wie sie, die keine Scheu vor klaren Worten hat, vielleicht gerade richtig. Verteidigungspolitik ist der Schwerpunkt der früheren (ehrenamtlichen) Bürgermeisterin der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf. Seit 2017 sitzt sie im Bundestag. Zuvor hatte sie über 20 Jahre im Verlagswesen gearbeitet.
In einem „Gefahrenszenario“ leben wir, erklärt Strack-Zimmermann die aktuelle Bedrohung, die Frage sei nun, ob Europa in der Lage sei, sich zu schützen. Ohne die Schutzmacht USA „klarkommen“, wie sie die neue, vielleicht künftige Rolle Europas umschreibt, sei für den Kontinent die zentrale Herausforderung. Europa sei eben mit rund 450 Millionen Einwohnern im Vergleich zu China, Indien, Russland, den USA und anderen klein. Der wohlhabendste, zahlenmäßig aber vergleichsweise kleine Kontinent, das sei Europa. „Diesen Stand zu erhalten, ist das Ziel“, sagt die 65-Jährige.
Nur der Schutz aus den Euro-Staaten und der übrigen westlichen Welt könne künftig ausreichend Schutz bieten. „Kein Land ist in der Lage, sich selbst allein zu verteidigen“, erklärt sie. Von den 100 Milliarden Euro aus Scholz „Doppel-Wumms“ für die Bundeswehr, seien, so sagt sie, bereits 55 Milliarden Euro „in Verträge umgesetzt“. Bis 2027 würde die gesamte Summe zur Stärkung der Bundeswehr ausgegeben sein. Danach würde aus dem jährlichen Haushalt finanziert.
Zu jüngeren Zuhörern spreche Strack-Zimmermann anders als zu „Boomern“
Die angestrebten zwei Prozent im Haushalt fürs Militär seien bereits mit 2,1 Prozent erreicht worden. Sie betont die gute militärische Zusammenarbeit mit den Niederlanden und Frankreich. Eine gemeinsame europäische Armee wäre für sie ein Langfrist-Ziel. Ihre Logik: „Wenn wir das Ziel nicht im Auge behalten, werden wir es nie erreichen.“ Auch an die Anforderung an eine 100-Prozent-Zustimmung in der EU möchte sie ran. Jedenfalls würde sie gern für Sicherheitsfragen ein Mehrheitsprinzip einführen, damit nicht einzelne Staaten Beschlüsse blockieren können.
150 Gäste waren zum Grünkohlessen erwartet worden, sagte Alexander Döring vom FDP-Stadtverband. Die Nachfrage sei sogar noch größer gewesen. Strack-Zimmermann sagte im Pressegespräch vorher, dass sie ihre Rede ganz nach dem Publikum ausrichten werde. Zu Jüngeren rede sie anders als zu „Boomern“. Über äußere und innere Sicherheit, über wirtschaftlichen Status und über Cyber-Angriffe, die zu einem immer größeren Problem heranwüchsen, wolle sie reden.
Sie spricht noch schnell über Bedrohungen, die sie selbst über Social Media und X (ehemals Twitter) bekommt. Nicht alles liest sie, dafür hat sie ein Team. Um die schlimmen Fälle kümmert sich ein Anwalt. „Die Polarisierung im Netz ist unvorstellbar“, stellt sie fest. Neulich hat sie jemanden direkt angerufen, der sie beschimpft hatte. „Ich hatte gute Laune“, lacht sie dazu.
Zehn Minuten Telefonat mit dem Autohändler genügten ihr
Ein Autohändler, der sie mit Klarnamen kritisiert und „nach Moskau“ gewünscht hatte, bekam ihre Replik ab. Zehn Minuten Telefonat reichten. „Der war nachher so klein wie eine Erbse.“ Dann ist ihr Small Talk mit der Presse zu Ende. Sie muss rein. „Wie viel Zeit habe ich“, fragt sie Döring und den FDP-Stadtverbandsvorsitzenden Anthony Masaki, als sie dem Saal schnellen Schrittes entgegenstrebt. „Maximal 25 Minuten“, ruft Masaki. Strack-Zimmermann grinst und geht weiter: „Gut, dann mache ich 40.“