Chance oder Horror: Tempo 30 auf der B61 in Gütersloh?

Gütersloh. Mitten im Vorweihnachtstrubel des vergangenen Jahres hat die Stadt Gütersloh der Öffentlichkeit eine Frist gesetzt. Sie dürfte bei den allermeisten Bürgern unbeachtet durchgerauscht sein: die Möglichkeit, sich mit Anregungen und Vorschlägen an der Lärmaktionsplanung zu beteiligen, endete am 12. Januar. Die Öffentlichkeitsbeteiligung für das Eisenbahnbundesamt zur Erfassung von Lärmproblemen entlang der Haupteisenbahnstrecken endete schon am 2. Januar. Es wurde leise abgehandelt, was ohnehin im Hintergrund stattfindet. Was es hingegen in unser Bewusstsein schafft, ist die Forderung, auf der B 61 in Gütersloh zwischen 22 und 6 Uhr morgens ein nächtliches Tempolimit von 30 km/h einzuführen. Im Schneckentempo durch Gütersloh? Lärm macht krank und schlaflos Ja, sagt die Bürgerinitiative Verkehrswende und würde mit ihren Forderungen gerne noch viel weiter gehen. Nun mag man sich darüber aufregen, dass &bdquo;die Verbote immer schlimmer werden“ und man &bdquo;bald gar nichts mehr darf“, weil &bdquo;Öko-Aktivisten mal wieder zuschlagen“ – oder wir nehmen uns zwei Minuten Zeit, um auf die Hintergründe zu blicken. An welchen Straßen und entlang welcher Zugstrecken ist es in Gütersloh besonders laut? Genau das untersuchen die Stadt Gütersloh und das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) in den jeweiligen Lärmaktionsplänen. Das geschieht nicht freiwillig, das ist eine EU-Vorgabe. Dass Lärm krank und schlaflos macht, ist erwiesen. Je nach Art und Dauer kann er nicht nur das Gehör schädigen, sondern sich auch negativ auf das Herz-Kreislauf-System und die Psyche auswirken. Lärmverursacher Nummer eins ist für 76 Prozent der Deutschen der Verkehr. Lärmschutz ist Gesundheitsschutz. Deshalb sind Kommunen gesetzlich verpflichtet, gegen Verkehrslärm vorzugehen. Die sieben Lärm-Spitzenreiter in Gütersloh Wo der Verkehr am dichtesten ist, entsteht also am meisten Lärm. In Gütersloh sind die Spitzenreiter die Autobahn 2, die B 61, die B 513 (Marienfelder Straße), Brockhäger Straße, Neuenkirchener Straße, Friedrich-Ebert-Straße, Verler Straße. Die Ergebnisse der Lärmkartierung können im Internet auf guetersloh.de eingesehen werden. Das Landesamt für Natur und Umweltschutz (LANUV) hat nun festgestellt, dass in Gütersloh insgesamt fast 17.000 Einwohner zwischen 55 und 70 dB(A) ganztägig und nachts fast 10.000 Einwohner zwischen 50 und 60 dB(A) betroffen sind. Die empfohlenen &bdquo;Auslösewerte“ von 70/60 dB(A) werden für fast 2.000 Personen ganztags und 2.000 Personen nachts überschritten. Und jetzt aufgepasst: Mehr als die Hälfte alle Betroffenheiten in Gütersloh entfällt auf die B 61. Zwei Straßen sollten bei der Diskussion von Maßnahmen in Gütersloh im Vordergrund stehen Die Anwohner am Westring und Nordring bekommen es ziemlich dicke ab. Verwundert das jemanden? Wohl kaum. Allerdings sind die betroffenen Häuser zu zwei Drittel einem allgemeinen Wohngebiet zugeordnet worden. Die Landesstraße L 757 (Friedrich-Ebert-Straße / Verler Straße) stellt mit 22 Prozent den zweitgrößten Anteil der Betroffenheiten dar. &bdquo;Bei der Diskussion von Maßnahmen sollten diese beiden Straßen in Gütersloh im Vordergrund stehen“, so das Fazit der Stadt Gütersloh. Flüsterasphalt auftragen wäre eine Möglichkeit, Kreisverkehre bauen eine weitere. Das dauert alles ewig und ist teuer. In Frankreich und der Schweiz kommen Lärmblitzer zum Einsatz, die zu laute Autos blitzen und stilllegen. Das wird in Deutschland vielleicht auch kommen. Irgendwann. Jeder von uns ist doch froh, wenn er nicht betroffen ist &bdquo;Wir wollen an der Quelle ansetzen, beim Erzeuger des Verkehrslärms“, sagt Kurt Gramlich vom Bündnis Verkehrswende und fordert von der Stadt, Lärmschutzzonen auszuweisen: Tempo 30 innerorts und Tempo 100 auf den Autobahnen. Das bedeute halb so viel Lärm wie derzeit bei Tempo 50 und Tempo 130. &bdquo;Außerdem ist es schnell und günstig umzusetzen.“ Und nachts zwischen 22 und 6 Uhr – so die Forderung – auf der B 61 nur noch Tempo 30. Den Lärm produzieren wir alle zusammen. Also ist es nur folgerichtig, wenn wir ihn gemeinsam reduzieren, um wenigstens diejenigen zu entlasten, bei denen er sich ungefragt vor der Haustür entwickelt. Denn mal ehrlich: Jeder von uns ist doch froh, wenn er nicht betroffen ist. Verkehrslärm kann nicht nur die Gesundheit reduzieren, sondern auch den Wert eines Grundstücks oder einer Immobilie erheblich mindern. Während die anderen vom Gas runter müssen, darf die Stadt und Politik das Tempo anziehen. Wir brauchen mehr Mut bei der innerstädtischen Verkehrsplanung. Als das Tempo auf dem Bielefelder Ostwestfalendamm wegen Lärmschutz von 100 auf 80 reduziert wurde, war der Aufschrei riesig. Interessiert das jetzt noch jemanden? Ja! Die Anwohner.

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