Unangekündigte Kontrollen in Gütersloh: Unterwegs mit Polizei, Zoll und Co.

Gütersloh. Kurz vor Mitternacht droht die Stimmung für ein paar Sekunden zu kippen. Leicht genervt richtet einer der vier Männer seinen Blick im fahlen Licht der Kaffeestube in der Gütersloher Innenstadt auf die Beamten. Er sagt: &bdquo;Nicht alle Polizisten sind Rassisten.“ Seine Äußerung lässt sich als Provokation verstehen, doch niemand reagiert. Die Angesprochenen verrichten unbeeindruckt ihren Dienst, nehmen die Personalien auf, es bleibt friedlich. &bdquo;Worum geht es hier eigentlich?“, fragt ein anderer. Es ist der 10. November, Freitagnacht, 23.58 Uhr, nahe des Gütersloher Hauptbahnhofs. Die Polizei überprüft an diesem Abend wieder Kioske, Imbisse und Gaststätten, Shisha-Bars, Wettbüros und Teestuben. Hand in Hand mit dem Zoll, der Steuerfahndung und dem Ordnungsamt werden zwölf Objekte angefahren. Unauffällige Zivil-Fahrzeuge in Gütersloh unterwegs Bei den so genannten kooperativen Kontrollen wird nach Auffälligkeiten gesucht. Es geht um unverzollten Tabak, manipulierte Spielautomaten, hohe Bargeldsummen. Aber auch illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit stehen im Fokus. Die &bdquo;Neue Westfälische“ begleitet die Kontrolleure an diesem Abend auf Schritt und Tritt. Das Protokoll einer Nachtschicht. Ein paar Stunden zuvor, 18.41 Uhr, im westlichen Innenstadtkern von Gütersloh. Das erste Ziel: Die Kontroll-Kolonne, alles unauffällige Zivil-Fahrzeuge, nimmt Kurs auf einen Kiosk. Schnell ist die grell blinkende Bude gefüllt. Fünf Polizeibeamte schauen sich um. Die drei Kollegen vom Zoll nehmen gezielt die Auslage in den Blick. Tabakdosen, Wodkaflaschen, Wasserpfeifen. Der Betreiber wirkt überrumpelt, spricht ein paar Sätze in gebrochenem Deutsch. &bdquo;Darf ich fragen: Sie waren vor einem Monat schon hier. Warum schon wieder?“ Die Antwort gibt es keine drei Minuten später. &bdquo;Jetzt fahren wir zum Bahnhof“ Der Zollbeamte packt E-Zigaretten und Zigaretten ohne Banderolen in einen Umzugskarton. &bdquo;Das ist unversteuerte Ware. Die dürfen sie nicht verkaufen.“ Ein Steuerstrafbestand. Die Polizeibeamten stellen obendrein Cannabis-Blüten sicher. Es besteht der Verdacht auf einen Betäubungsmittel-Verstoß. Den Besitzer des Ladens erwarten mehrere Anzeigen. 19.03 Uhr: Draußen auf dem Bürgersteig versammelt sich die Einsatzkräfte Es nieselt bei acht Grad. Auch der Kiosk-Chef tritt vor die Tür. Erst mal &bdquo;eine durchziehen“. Die Einsatzleiterin blickt auf ihr schwarzes Clipboard. Im Einsatzbefehl sind die Stationen des Abends aufgelistet. &bdquo;Jetzt fahren wir zum Bahnhof.“ Der Bezirk um Kaiserstraße, Strengerstraße und Berliner Straße steht im Fokus der Kooperativen Kontrollen, die seit 2019 durchgeführt werden. Unangekündigt und in unregelmäßigen Abständen sind sie Teil des Konzeptes &bdquo;Sichere Innenstadt“. Während die Kehrmaschine in der Fußgängerzone den Unrat vom Tag entfernt, nimmt die Kontrollfahrt durch das Gütersloher Nachtleben ihren Lauf. Dosen mit Hanfblättern und Tüten 19.28 Uhr: Ankunft auf dem Parkplatz am Hauptbahnhof. Die Einsatzkräfte teilen sich auf. Gleichzeitig werden drei Kioske inspiziert. An einem leuchtet farbenfroh das &bdquo;Open“-Schild in der Tür. Bunt ist auch das Sortiment: Gleich unter Augenbrauen-Trimmern und Flecktarn-Lautsprechern finden sich Feinwaagen, Dosen mit Hanfblättern und Konsumverbrauchstüten. Einen Crusher, ein Gerät zum Zerkleinern für Cannabis-Blüten, gibt es für 4,99 Euro. Der Nutzungszweck ist eindeutig, aber es ist alles legal. Nicole Pollklas, Leiterin des Gütersloher Ordnungsamtes, entdeckt hingegen mit ihren beiden Mitarbeitern reihenweise Getränkeflaschen ohne Preis-Etikette. &bdquo;Das ist ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung. Ein Verfahren wird eingeleitet.“ Auch der Zoll wird fündig: Zigaretten aus dem Ausland, versteckt in einer schwarzen Plastiktüte. Dazu E-Zigaretten und Tabak – allesamt unverzollte Ware, erkennbar an der fehlenden Banderole. &bdquo;Die ersten räumen um“ – Einsatz in Gütersloh spricht sich schnell herum Es ist 20.13 Uhr: Die drei Kioske sind durch. Bei einem gibt es nichts zu beanstanden. &bdquo;Das hat man selten“, sagt der Leiter des dreiköpfigen Teams vom Hauptzollamt in Bielefeld. Seine Kollegen verfrachten ihre &bdquo;Ausbeute“ in ihren grauen Mercedes-Lieferwagen. Mittlerweile, so der Zollbeamte, habe sich bereits herumgesprochen, dass an diesem Abend die Kontrolleure in Gütersloh unterwegs sind. &bdquo;Es wird eifrig telefoniert, die ersten räumen gerade ihre Regale um.“ 20.25 Uhr: die Stippvisite in einem Döner-Laden nahe des Rathauses endet schnell. &bdquo;Es gibt nichts zu beanstanden. Kein Bericht“, heißt es einstimmig. Dennoch herrscht Aufregung bei einem jungen Mann. Während drinnen Zoll und Steuerfahndung auf illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit kontrollieren, reißt er draußen hektisch sein Handy hoch. Er telefoniert mit jemandem per Video-Call, richtet die Kamera im Vorbeigehen für Sekunden auf die Szenerie und ruft: &bdquo;Hakan, es ist Razzia. Guck, guck.“ Für Aufsehen sorgt vor allem die Gruppe der Polizisten. Vier Kilo schwere Schutzweste, Dienstwaffe, Handschellen Die Beamten arbeiten in Zivil. Ihre Dienstkleidung sind an diesem Abend Jeans, Pullover, Funktionsjacke und Sneaker. Alles in allem ziemlich leger. Doch zur Ausrüstung gehören auch die knapp vier Kilo schwere Schutzweste, Dienstwaffe im Holster, Handschellen, Funkgerät und so weiter. Von Hektik herrscht bei den Ordnungshütern keine Spur. Dabei müssen sie immer mit Widerstand rechnen. Wie im Oktober, als ein 43-Jähriger in einer Teestube aggressiv reagierte und drei von ihnen verletzte. &bdquo;In der Regel verlaufen die Kontrollen problemlos“, sagt Polizeisprecherin Katharina Felsch, die in dieser Nacht von der &bdquo;Neue Westfälischen“ begleitet wird. &bdquo;Anfangs waren einige unzufrieden. Mit der Zeit ist die Akzeptanz da.“ Manipulierter Spielautomat: Sperrsystem ist dauerhaft freigeschaltet 20.47 Uhr: Halt vor einem Wettbüro. Im Teestübchen dahinter flackern Spielautomaten. Fünf Fernseher hängen an den Wänden. Es läuft Fußball. Türkische Liga und das Freitagabendspiel der Bundesliga, Gladbach führt 1:0. Eine Handvoll Männer hockt, verteilt im Raum, auf verschlissenen Sitzmöbeln. Wer hier auf Toilette muss, hat Pech. Den Weg zum WC versperren Getränkekisten und eine gesicherte Fluchttür. Als die Kontrolleure sie öffnen, löst der Alarm aus. &bdquo;Versperrter Notausgang, ein Klassiker“, sagt Nicole Pollklas. Nächstes Ziel: Ein Gütersloher Café und eine Shisha-Bar Ihre Kollegen vom Fachbereich Ordnung haben noch mehr zu beanstanden. Ein Herr bedient die beiden Spielautomaten gleichzeitig. &bdquo;Das ist nicht erlaubt.“ Die Geräte werden auch von den Steuerfahndern ins Visier genommen. Sie scheinen zwar zugelassen zu sein. Doch schnell wird klar, dass zumindest das Sperrsystem &bdquo;Oasis“, das Spielsüchtige am &bdquo;Zocken“ hindern soll, dauerhaft freigeschaltet ist. &bdquo;Probleme mit dem Router“, will sich der Chef raus reden. Keine Chance. Anzeige. 22.16 Uhr: Nach einer Pause fährt die Wagenkolonne durch den Stadtteil Blankenhagen. Die Straßen sind menschenleer. Das Ziel: ein Café und eine Shisha-Bar. Für die Ermittler keine unbekannten Örtlichkeiten, denn hier wurden sie erst vor einigen Wochen fündig. In der einen Lokalität mit Milchglasscheiben, vier Schokoriegeln und drei Dosen Erdnüssen in der Auslage spielen vier Männer Karten, trinken Radler und Energy-Drink. Eine höhere Bargeldsumme, ein Indikator für illegales Glücksspiel, taucht nicht auf. Ein Mann bedient zwei Glücksspielautomaten, es bleibt bei einer Ordnungswidrigkeit. Arbeitserlaubnis fehlt und ein Haufen rohes Fleisch liegt herum 22.51 Uhr: Ein Imbiss in Spexard. Mit der Stille ist es im Innern der Küche vorbei. &bdquo;Where is your working-permission?“ Zum sechsten Mal fragt der Zollbeamte nach der Arbeitserlaubnis. Der Mann, der ihm gegenübersteht, spricht kein Deutsch und hat seine Unterlagen angeblich in Detmold. Es riecht nach Fett, auf dem Boden stehen Tomaten und Salat. Auf einer Ablage liegt ein Haufen Tennisball großer Fleischbällchen. Fertig zur Bearbeitung, aber roh und ungeschützt, etwa 40 bis 50 Stück. &bdquo;Das ist widerwärtig“, entfährt es dem Mann vom Zoll. Die Lebensmittelüberwachung ist diesmal nicht dabei, doch wegen der hygienisch fragwürdigen Zustände wird eine Nachkontrolle veranlasst. Mittlerweile ist ein Kurierfahrer herbei geeilt, der für den Koch übersetzen will. Doch es bleibt dabei, auch 20 Minuten später fehlt die Arbeitserlaubnis. Der Zoll leitet zwei Verfahren ein – gegen den Mann selbst und gegen seinen Arbeitgeber. 23.40 Uhr: Die Kontrolleure und Polizisten stehen vor der verschlossenen Tür einer unscheinbaren Teestube nahe der Innenstadt. In den Räumen, wo vor Wochen noch Bargeld beschlagnahmt und Strafverfahren wegen illegalen Glücksspiels eingeleitet wurde, ist es nun stockfinster. Keiner da. Schulterzucken. Also geht es weiter zur letzten Station. Kurz vor Mitternacht: Gastwirt und Gäste reagieren wenig erfreut Es ist 23.48 Uhr: Als der Kontrolltrupp an der Kaffeestube nahe des Güterslohers Bahnhofs eintrifft. Die Freude darüber hält sich beim Gastwirt und seinen drei Gästen spürbar in Grenzen. Einer telefoniert: &bdquo;Wenn ich keinen Haftbefehl kriege, komme ich gleich heim.“ Wieder werden Spielautomaten kontrolliert, auch im Untergeschoss. &bdquo;Der Keller ist sauber“, sagt der Mitarbeiter vom Ordnungsamt. Auch hier: kein Befund. 0.08 Uhr: Die Einsatzleiterin versammelt alle Kräfte um sich herum im Kreis auf dem Bürgersteig. Der Regen hat nachgelassen. &bdquo;Es war heute eher ruhig und nicht so erfolgreich“, bilanziert sie. Alles eine Frage der Sichtweise: Weniger Verstöße bedeuten eben auch ein Mehr an Rechtschaffenheit. Dann bedankt sich die Polizistin bei allen Beteiligten. Einsatzende. Es geht zurück zur Wache der Kreispolizeibehörde an der Herzebrocker Straße. Die Uhr steht bei 0.35 Uhr. Für den Journalisten jetzt Feierabend, für die Polizisten geht die Nachtschicht munter weiter. Auch ohne Razzia.

Meistgelesen