Betreiber verzweifelt

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Combi-Markt kündigt Mieter: Einzige Eisdiele verschwindet aus Gütersloher Dorf

Der Combi-Markt in Friedrichsdorf benötigt offenbar mehr Platz. Pech für Avni Dernjani, der seit Februar das Eiscafé Amigelato auf dem Supermarkt-Parkplatz als Unterpächter betreibt. Weil dem erkrankten Hauptmieter gekündigt wurde, muss das Gebäude bis Montag geräumt werden.

Avni Dernjani betreibt seit Februar als Unterpächter das einzige Eiscafé in Friedrichsdorf. | © Andreas Frücht

Christian Bröder
17.09.2023 | 17.09.2023, 10:15

Gütersloh. „Einmal Cookies und Drachenfrucht in der Waffel, bitte.“ Vater und Sohn sind offensichtlich Stammkunden. Jedenfalls reicht ihnen Avni Dernjani an diesem Nachmittag eine extra große Portion über die Ladentheke. Die Kugeln könnten zu den letzten gehören, die im „Amigelato“ verkauft werden, denn schon nächste Woche dürfte das Eiscafé an der Brackweder Straße in Friedrichsdorf Geschichte sein. Die einzige Eisdiele im nord-östlichen Gütersloher Stadtteil mit 1.600 Einwohnern droht komplett von der Bildfläche zu verschwinden und abgerissen zu werden.

Der Grund: Der Combi-Markt, der Eigentümer des Gebäudes auf dem Parkplatz des Verbrauchermarktes ist, hat dem Hauptmieter fristlos gekündigt und beabsichtigt dem Vernehmen nach eine bauliche Erweiterung seines Standortes. Vom Eigenbedarf des Nahversorgers ist neben dem Mieter auch der jetzige Betreiber Avni Dernjani kalt erwischt worden. „Denn bis Montag muss ich den Laden räumen.“

Die Sache ist kompliziert: Seit Anfang Februar managt der 43-Jährige aus Brackwede die Geschäfte in der traditionellen Eisdiele, die zuvor 13 Jahre lang von seinem Geschäftspartner Niko A. betrieben wurde. „Er hat einen Teilhaber gesucht, weil er erkrankt war“, erzählt Avni Dernjani, der eigentlich aus der Finanzbranche kommt.

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Geschäftspartner auf Intensivstation: Wie es zur fristlosen Kündigung kam

Rund 110 Quadratmeter Fläche misst das Gebäude, das postalisch an der Brackweder Straße 33 liegt. - © Andreas Frücht
Rund 110 Quadratmeter Fläche misst das Gebäude, das postalisch an der Brackweder Straße 33 liegt. | © Andreas Frücht

Weil er selber Lust auf die Eis-Branche verspürte, sei er als Unterpächter eingestiegen. „Der Mietvertrag lief jedoch weiter über meinen Geschäftspartner. Ich habe ihm meinen Teil der Summe immer gezahlt“, erzählt der Bielefelder. Er selber habe sich fortan hauptsächlich allein um das Tagesgeschäft gekümmert, sämtliche der insgesamt 30 Sorten selber hergestellt und versucht, den Geschmack der Kunden zu treffen. Soweit alles okay. Dann jedoch sei sein Partner so schwer erkrankt, dass er wochenlang auf der Intensivstation gelegen habe.

„In dieser Zeit hat er die Miete nicht überweisen können und es ist zu Rückständen gekommen“, räumt Avni Dernjani ein. Die folgenreichen Ereignisse hätten vermutlich zu einem unterkühlten Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter (die Combi Verbrauchermarkt Einkaufsstätte GmbH & Co. KG zählt zur norddeutschen Bünting AG) geführt. Anders sei es für ihn zumindest nicht zu erklären, weshalb dem immer noch erkrankten Niko A. vor einigen Wochen die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ins Haus geflattert sei. Weil auch dem Unterpächter mit dem Aus der Eisdiele das Ende seiner beruflichen Existenz droht, hat sich Avni Dernjani mit dem Bielefelder Anwalt Tobias Hippe einen Rechtsbeistand genommen.

Betreiber bietet Ausgleich an: Bünting AG zeigt sich nicht gesprächsbereit

Es kam zum Schriftverkehr. „Ich habe angeboten, sämtliche Mietrückstände auszugleichen und die Miete im Voraus bis Dezember zu bezahlen. Denn ich habe immer noch großes Interesse, hier weiterzumachen“, sagt Avni Dernjani. Doch die rechtlichen Vertreter des Handelsunternehmens aus Ostfriesland zeigten sich nicht gesprächsbereit. Mittlerweile vermutet der Eisdielen-Betreiber, dass ein anderer Hauptgrund hinter der Kündigung steckt. „Im Dorf erzählt man sich, dass der Combi-Markt sich räumlich erweitern und seinen Getränkemarkt ausbauen möchte.“ Um die dafür erforderliche Baugenehmigung zu erhalten, müsse eine ausreichende Anzahl an Parkplätzen zur Verfügung stehen. „Dafür soll wohl die Eisdiele weichen.“

Teile der Supermarkt-Belegschaft hätten ihm bestätigt, dass die alte Immobilie mit der Hausnummer 33 abgerissen werden solle. Was sagt der Eigentümer? Gegenüber der „Neuen Westfälischen“ ließ die Unternehmenskommunikation der Bünting AG entsprechende Fragen vom vergangenen Dienstag zur Eisdielen-Immobilie oder etwaigen Erweiterungsplänen unbeantwortet und eine Frist verstreichen. Die Medienabteilung reagierte auch auf mehrmalige telefonische und schriftliche Anfragen nicht. Für Avni Dernjani lässt das Verhalten nur einen einzigen Schluss zu. „Die Bünting AG ist nicht gesprächs- und kompromissbereit“, klagt der zweifache Familienvater: „Die interessiert das Schicksal eines einzelnen, der eine Familie ernähren muss, nicht. Sie verfolgen nur ihre eigenen Interessen.“

Wie der Anwalt die rechtliche Situation einschätzt

Ein Einlenken scheint nicht in Sicht. Auch eine Vergleichs-Option wurde nicht in Betracht gezogen. Für Rechtsanwalt Tobias Hippe von der Bielefelder Kanzlei „Jungmann & Hippe“ sind die Fronten verhärtet. Der Jurist befürchtet: „So wie es aussieht, muss das Gebäude bis Montag geräumt werden. Wir haben alles versucht, aber leider erfolglos.“ Weil Avni Dernjani nur Unterpächter und auch erst wenige Monate vor Ort ist, hat er kein Mitspracherecht. Mit der massiven Zahlungsverzögerung durch den Hauptmieter ist die Kündigung gerechtfertigt und die Situation für den Betreiber rein rechtlich ausweglos.

An anderer Stelle im Ort weiterzumachen, kommt für Avni Dernjani nicht infrage. „Es ist keine geeignete Immobilie zu finden“, sagt er und verschränkt die Arme. Der 43-Jährige fühlt sich ungerecht behandelt. „Denn ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen.“ Eigentlich hatte er vor, das Angebot des Eiscafés weiter auszubauen und einen gemütlichen Treffpunkt für Alt und Jung mitten im Friedrichsdorfer Ortskern zu schaffen. Seine Pläne sind nicht etwa auf Eis gelegt, sondern komplett weggeschmolzen. „Am Montag kann ich das Gewerbe abmelden, und dann muss ich zum Arbeitsamt.“