Rentnerin rettet Frau bei Überfall in Gütersloh: Hätte mehr Licht die Tat verhindert?

Gütersloh. Es ist um kurz nach vier Uhr an diesem frühen Samstagmorgen des 22. Juli in Gütersloh, als Gabriele Krüger durch markerschütternde Schreie aus dem Schlaf gerissen wird. Mitten auf der Neuenkirchener Straße vor ihrem Haus steht ein Mädchen, das immer wieder panisch um Hilfe ruft. &bdquo;Ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke“, erzählt die 66-Jährige. Die Rentnerin zögert keine Sekunde, eilt hinaus und wird zur Retterin. Denn gemeinsam mit ihrem Mann, Karl-Heinz Burgdörfer (69), holt sie die junge Frau zu sich ins Haus und bringt sie in Sicherheit. Das Mädchen ist, wie sich herausstellt, Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden. &bdquo;Der Täter hat ihr im Schutz der Dunkelheit aufgelauert“, sagt Krüger. Für das Paar steht fest: Mehr Licht hätte den Vorfall verhindern können. Deshalb richten sie sich mit dem dringenden Appell an die Stadt, die Laternen nachts wieder einzuschalten. Tat in Gütersloh ereignete sich gegen 4.10 Uhr Seit dem 11. Oktober 2022 wird die Straßenbeleuchtung in Gütersloh aus Energiespargründen nachts für mehrere Stunden abgestellt. Von montags bis donnerstags zwischen 0 und 4 Uhr sowie freitags bis sonntags zwischen 2 und 5 Uhr. &bdquo;Doch diese Dunkelheit schafft Angstplätze und schwört gefährliche Situationen herauf“, ist Gabriele Krüger überzeugt. Das dramatische Geschehnis vor ihrer Haustür im Juli ist ein gravierendes Beispiel dafür. Die Tat ereignet sich gegen 4.10 Uhr. Die 19-Jährige ist auf dem Heimweg vom Spexarder Schützenfest und fährt die Neuenkirchener Straße mit dem Fahrrad stadteinwärts hoch. In Höhe der gelben Kaffeemühlen-Villa des Paares, 1925 erbaut vom ersten Miele-Verkaufsleiter, passiert es dann. Der Täter kommt aus dem Dunkel: Ein Mann, nach Polizeiangaben 30 bis 35 Jahre alt, etwa 1,70 Meter groß, mit Dreitagebart und bekleidet mit einem dunklen Kapuzenpullover, stellt sich dem Mädchen in den Weg. Er berührt sie unsittlich. &bdquo;Sie hat zum Glück genau richtig reagiert, laut geschrien und den Weg in den Lichtkegel gesucht, den unser eigener LED-Strahler an der Weide vor dem Haus auf die Straße wirft. Wenn sie ins Dunkel gelaufen wäre, hätte sie vermutlich keine Chance gehabt“, sagt Gabriele Krüger. Seit Beginn der Nachtabschaltung haben sie und ihr Mann für eigene Lichtquellen rund um ihr Haus gesorgt. &bdquo;Damit fühlen wir uns sicherer.“ Mehr Licht, mehr Sicherheit? &bdquo;Ja, denn wer das Unheil sieht, kann ihm besser begegnen.“ Die Anwohner holen das völlig aufgelöste Mädchen in ihr Haus, beruhigen es und verständigen die Polizei. Der Täter kann jedoch unerkannt entkommen. Kurios: Ein eigentlich unbeteiligter Passant, der die Rettungsaktion der Rentnerin scheinbar beobachtet hat, klopft kurz danach wild an die Haustür. &bdquo;Er hat wohl gedacht, wir hätten das Mädchen gekidnappt“, vermutet Gabriele Krüger. Als nach wenigen Minuten die Polizei eintrifft, klärt sich die Sache aber. Die 19-Jährige erstattet nach dem Vorfall Anzeige gegen den Angreifer und bedankt sich zwei Tage danach bei dem Gütersloher Paar mit Schokolade für die Hilfe. Auf die Frage, ob der Angriff durch eine eingeschaltete Straßenbeleuchtung, ihrer Ansicht nach hätte verhindert werden können, hat Gabriele Krüger eine eindeutige Antwort: &bdquo;Ja, denn wenn man das Unheil sehen kann, kann man ihm auch besser begegnen oder es abwehren. Es heißt ja: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Situationen lassen sich besser einschätzen, wenn man weit gucken kann.“ Das Gütersloher Paar hofft darauf, die Debatte um die Nachtabschaltung wieder anzuregen. &bdquo;Für die Sicherheit insgesamt ist es angebracht“, findet Gabriele Krüger. &bdquo;Es betrifft ja nicht nur junge Leute, die nachts unterwegs sind, sondern etwa auch die Zeitungsboten oder Krankenschwestern.“ Gütersloher stellt Notwendigkeit der Maßnahme infrage Karl-Heinz Burgdörfer fragt sich indes, ob die Nachtabschaltung &bdquo;überhaupt noch nötig“ sei. &bdquo;Die Maßnahme wurde beschlossen, als wir Gasmangel hatten, was ja auch völlig in Ordnung und nachvollziehbar ist“, so Karl-Heinz Burgdörfer. Mittlerweile sei die Situation jedoch eine andere. Obendrein gebe es keine Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Nachtabschaltung, die veröffentlicht worden sei, sagt Burgdörfer. Die Stadt Gütersloh hatte seinerzeit angegeben, durch die Nachtabschaltung Einsparungen in Höhe von monatlich rund 60.000 Kilowattstunden zu erwarten. Seit Beginn sorgt die Maßnahme immer wieder vereinzelt für Kritik, die unter anderem über die Sozialen Netzwerke geäußert wird. In einem Friedrichsdorfer Forum bei Facebook teilte eine Frau Ende Juli mit, dass drei Jugendliche ein rotes Kinderfahrrad zerstört hätten und trotz eines Polizeieinsatzes flüchten konnten. Sie schrieb: &bdquo;Nachdem die Laternen aus waren, waren auch die Jungs weg, bzw. nicht mehr aufzufinden.“ Das &bdquo;Mehr“ an Dunkelheit trübt das Sicherheitsempfinden und sorgt nach Ansicht einiger Bürger für einen Anstieg an Kriminalität. Aber ist das wirklich so? Gütersloher Polizei verbucht keinen Fallanstieg &bdquo;So ein Fall wie an der Neuenkirchener Straße ist sicherlich tragisch. Aber den Zusammenhang mit der zeitweise abgeschalteten Straßenbeleuchtung herzustellen, das ist sicherlich schwierig“, erklärt Polizei-Sprecherin Katharina Felsch. Die Statistik gibt ihr recht, denn die Gütersloher Polizei verbucht nach wie vor keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Nachtabschaltung. Konkret: Es ist kein Fallanstieg zu verzeichnen, weder im Wach- und Wechseldienst noch in die Direktion Kriminalität. Bei einer Auswertung des letzten Monate für den Zeitraum von null bis fünf Uhr morgens wurden stattdessen oft eine nahezu gleichbleibende Anzahl an Straftaten im Gütersloher Stadtgebiet registriert. &bdquo;Im Juli 2022 etwa waren es demzufolge 90 Straftaten, im Juli 2023 ebenfalls“, berichtet Katharina Felsch. Der Februar des vergangenen Jahres hätte 61 Straftaten verzeichnet, im diesjährigen Vergleichszeitraum seien es 59 Fälle gewesen, so die Polizeisprecherin. Stadt Gütersloh will sich im Laufe der Woche äußern Die &bdquo;Neue Westfälische“ hat sich an die Stadt Gütersloh gewandt und unter anderem gefragt, wie sie den Vorfall einschätzt, ob zum Herbst/Winter hinsichtlich der Straßenbeleuchtung Änderungen geplant sind und ob sich konkret beziffern lässt, welchen Nutzen die Stadt aus der Nachtabschaltung zieht? Mit Aussagen der Verwaltung sei im Laufe der Woche zu rechnen, hieß es am Dienstag aus dem Rathaus.

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