Warum Hausbesitzer nicht nur auf Wärmepumpen vertrauen sollten

Herr Lange, zunächst eine Frage aus aktuellen Gründen: Halten Sie es für eine gute Idee, die abgeschalteten Atomkraftwerke als Reserve zu erhalten, wie es FDP und CDU/CSU fordern? JÖRG LANGE: Nein. Die Argumente dagegen haben sich in den letzten 30 Jahren nicht geändert. Es gibt eine lange Liste von guten Gründen, keine Atomkraftwerke mehr in Deutschland zu betreiben. Ein Weiterbetrieb auch Geld blockieren, dass dann für Erneuerbare Energien nicht zur Verfügung stünde. Mittelfristig sind Atomkraftwerke zudem zu unflexibel um Strom aus Sonne und Wind schnell genug auszuregeln. Die EU hat nun das Programm &bdquo;Fit for 55“ beschlossen. Das bedeutet, die Nutzung fossiler Energien wird durch den Zertifikatehandel immer teurer. Gibt das den nötigen Schub für die Energiewende und zu mehr Klimaschutz? Da sprechen Sie natürlich unser Leib- und Magenthema an. Unser Verein hieß ja CO2-Abgabe e.V., wir haben uns dann umbenannt in Klimaschutz im Bundestag e.V.. Das Programm, das die EU am vergangenen Dienstag verabschiedet hat, geht in die richtige Richtung. Dass es ausreichen würde, davon kann man bei weitem nicht reden. Warum nicht? Man muss stark unterscheiden, wo der Emissionshandel schon jetzt etwas bringt. Das ist in den Bereichen Strom und Industrie der Fall, da wird der Preis – 100 Euro für eine Tonne Kohlendioxid, einiges auslösen. Dazu soll bis 2027 jetzt ein neuer Emissionshandel für Gebäude und Verkehr eingeführt werden. Im Grunde soll dabei der Preis bei ungefähr 45 Euro pro Tonne gedeckelt werden. Die CO2-Vermeidungskosten sind in diesen Bereichen aber deutlich höher als die Preise, die dort aufgerufen werden. Das wird also wenig bringen. Wir hätten uns eine ganz andere Lösung vorgestellt, nämlich über eine Steuer, weil die sehr viel transparenter und einfacher ist. Aber die EU hatte sich mit dem Europäischen Emissionshandel schon 2005 anders entschieden, und inzwischen wäre es politisch wohl nicht mehr durchzusetzen, die Dinge umzukehren. Angesichts des Zertifikatehandels: Ist es sinnvoll für Eigenheimbesitzer, jetzt noch schnell in eine Gas- oder Ölheizung zu investieren, bevor diese de facto verboten sind? Nein, definitiv nicht. Die Aufregung in dieser Diskussion ist aus meiner Sicht überflüssig. Es gibt jetzt schon viele Ausnahmen und Übergangsfristen, die sehr weit gefächert sind. Das fängt damit an, dass Eigentümer, die über 80 Jahre alt sind, ohnehin von allen Maßnahmen ausgenommen sind. Dann gibt es Übergangsfristen von zum Teil mehr als drei Jahren, und es gibt Hybridlösungen, die Sinnvolles und Bezahlbares erlauben. Es gibt also genügend technologieoffene Optionen. Und auch die Industrie hat bereits sagt, dass sie in den nächsten Jahren 500.000 Wärmepumpen kostengünstiger als im Moment bereitstellen kann. Ich sehe da kein wirkliches Problem, sondern nur die Notwendigkeit. Und eins ist klar: Auf Dauer weiter auf fossile Energieträger zu setzen, ist am Ende noch viel teurer. Sehen Sie auch keinen personellen Engpass im Handwerk? Den sehe ich natürlich. Aber dafür gibt es ja auch schon Programme, vor allem im Bereich Wärmepumpen. Viele sehen die Wärmepumpe als Ideallösung im Heizungsbereich, Sie auch? Die Wärmepumpe ist nicht das alleinige Heilmittel. Denn eine Lösung fehlt vollständig im Entwurf zum neuen Gebäudeenergiegesetz, und das ist die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Wir sehen – insbesondere für Mehrfamiliengebäude und Gebäudekomplexe – die Kombination aus Wärmepumpe, Photovoltaik auf dem eigenen Dach und einer KWK-Anlage als eine ökologisch, wie ökonomisch interessante Option. In einer KWK-Anlage wird auf effiziente Weise jeder Energieträger, sei es Erdgas oder erneuerbare Gase, wie grüner Wasserstoff oder Biogas zu nahezu 100 Prozent in Strom und Wärme umgewandelt. Warum braucht es die Kraft-Wärme-Kopplung? Weil in vielen dicht besiedelten Bereichen es aus Platz- und/oder Lärm- oder Kostengründen oft nicht möglich ist, mit einer Wärmepumpe die gesamte Wärmeleistung an kalten Tagen zu 100 Prozent bereit zu stellen. Zudem verbrauchen Wärmepumpen an vielen kalten Tagen Strom, wenn vor allem Strom aus Erneuerbaren Energien, wie Wind und Sonne noch knapp ist. Die Kraft-Wärme-Kopplung ist in diesen Fällen, das optimale Pendant zur Wärmepumpe. Können Sie eine Beispielrechnung geben? Wenn ich an kalten Tagen eine Leistung von 100 KW als Wärmeleistung benötige, die Wärmepumpe aber nur 30 KW leistet, kann ich trotzdem davon ausgehen, dass ich zwei Drittel der Wärmemenge über das Jahr mit der Wärmepumpe effizient erzeugen kann. Es heißt, Kraft-Wärme-Kopplung lohnt sich vor allem in größeren Wohneinheiten? Warum dort besonders? Wir haben 3,5 Millionen Gebäude in Deutschland, die drei oder mehr Wohnungen haben. In diesen Wohnungen leben mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland. Bei diesen Wohnungen gibt es das Problem, dass man nicht, aus Gründen, die ich eben geschildert habe, die volle Wärmeleistung mit der Wärmepumpe abdecken kann. Dann gibt es laut Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz die Möglichkeit, sich an ein Wärmenetz anschließen zu lassen. Da kommt dann die Frage auf, woher die Wärme in diesem Netz kommt. Natürlich sollte man alle verfügbaren erneuerbaren Wärmequellen vor Ort nutzen. Aber es wird insbesondere im dicht besiedelten Bereich nicht immer genug nutzbare Umwelt- oder nachhaltige Abwärme aus der Industrie geben. Das zweite große Problem ist: Wenn alle Eigenheimbesitzer Wärmepumpen einbauen und nicht darauf achten, woher der Strom kommt, bekommen wir ein Problem mit der sogenannten Residuallast. Was ist das? Die Residuallast ist der Stromverbrauch zu einem bestimmten Zeitpunkt abzüglich des Anteils des erneuerbar erzeugten Stroms. Es geht also um den Restbedarf an Strom, der nicht zum Beispiel durch Wind- und Solarenergie abgedeckt werden kann, sondern immer zeitgleich auf andere Weise erzeugt werden muss. Dieses Problem, neben den Erneuerbaren zeitweise auch anderweitig erzeugten Strom zu benötigen, werden wir auch noch in 10 oder 15 Jahren haben. Denn es wird immer Zeiten geben, wo es wenig Sonne und wenig Wind hat. In diesen Zeiten kann Kraft-Wärme-Kopplung auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, vor allem wenn sie langfristig von zum Beispiel Erdgas auf Erneuerbare Gase umzustellen ist. Auch wenn diese Anlagen dann vielleicht nur noch 1.000 Stunden im Jahr benötigt werden. Unter welchen Umständen? Die Bundesregierung muss sich überlegen, ob sie die Residuallast wie bisher über große Kraftwerke auf der grünen Wiese ausgleichen will. Das werden dann auch erst einmal Gaskraftwerke sein und keine Wasserstoffkraftwerke, weil man Wasserstoff noch gar nicht hat. Oder will man es möglichst effizient machen in sogenannten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen vor Ort? Das kann in Nahwärmenetzen sein oder aber auch dezentral in großen Gebäuden. Was macht die Kraft-Wärme-Kopplung so effizient? Sie ist deutlich effizienter, weil der Anteil an Energie, der sonst bei großen Gas- oder Kohlekraftwerken über die Abwärme in die Flüsse gerät oder in die Atmosphäre, noch genutzt wird als Wärme. Die Kombination aus Photovoltaik, Wärmepumpe und Kraft-Wärme-Kopplung ist auch deshalb so interessant, weil sie hoch flexibel einsetzbar ist. Also wenn ich beispielsweise ein Signal aus dem Stromnetz bekommen würde, das mir bei sehr viel Erneuerbarer Energie im Netz sagt, dass es gut wäre, wenn ich meine Wärme nur mit der Wärmepumpe erzeuge. Ist hingegen der Anteil der Residuallast hoch, der womöglich noch aus fossilen Quellen kommt, dann erzeuge ich meine Wärme besser mit der KWK-Anlage. Eventuell mit Unterstützung der Wärmepumpe, aber dann mit dem Überschussstrom aus der KWK-Anlage. In einem solchen Fall ist beides sehr effizient und die Nutzenergien Strom und Wärme mit dem geringstmöglichen Ausstoß von Treibhausgasen erzeugt. Und darauf kommt es ja schließlich an. Ist dazu ein Smart Meter in jeder Wohnung notwendig, also ein intelligenter, digitaler Zähler, der eigene Verbrauchsdaten an Energieanbieter und Netzbetreiber weiterleitet und den Verbraucher über den günstigsten Strom in Echtzeit informiert? Nein. Erstmal kann ich in größeren Gebäuden schon sehr viel tun. Wenn ich Photovoltaik auf dem Dach habe, kann ich aus der Kombination mit der KWK-Anlage und der Wärmepumpe schon selber sehr vernünftig entscheiden, was ich tue, ohne dass ich ein Stromsignal aus dem Netz habe. Das gibt es ja aktuell auch noch gar nicht. Die Bundesregierung will aber den Einbau neuer Stromzähler vorantreiben. Im Moment wird sehr viel diskutiert. Die Bundesregierung plant ja nicht nur, das Gebäudeenergiegesetz neu zu regulieren, sondern sie will auch eine Kraftwerksstrategie entwickeln. Auch das Strommarktdesign soll sich ändern, zudem eine Netzentgeltreform kommen. Früher oder später wird es das Stromsignal geben. Dann ist dieses hoffentlich so gestaltet, dass ich vor Ort dann weiß, ob mir das Netz gerade 100-prozentig Erneuerbaren Strom liefern kann oder nicht und ob es sinnvoll ist, den eigenerzeugten Strom selbst zu nutzen oder einzuspeisen. Was halten Sie von heimischen Speicheranlagen? Ich bin kein Fan von solchen Home-Lösungen. Ich denke, in Zukunft ist es deutlich besser, wenn die Batteriespeicher im Quartier stehen und vom Netzbetreiber betrieben werden. Aber ich weiß natürlich, dass viele Menschen solche Speicheranlagen im Keller haben, schon aus dem Autarkie-Gedanken heraus. Aber aus energiewirtschaftlicher Sicht wäre die Quartierslösung sinnvoller. Im Moment wären diese Speicher ohnehin noch unnötig, zumindest in Süddeutschland, weil wir nur wenig Zeiten haben, wo zu 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren Quellen im Netz ist und Speicher ja Verluste haben. Wie sieht es mit Energie aus Biomasse aus? Unser Netzwerk hat zu diesem Thema mal eine Online-Veranstaltung gemacht, bei der auch ein Logistiker für Biomasse dabei war. Der hat damals gesagt, dass es schon jetzt schwierig sei, an genug Biomasse heranzukommen. Er sieht auch für die Anlagen, die im Moment für größere Nahwärmenetze geplant sind – also wesentlich Holzhackschnitzel-Anlagen, die Wärme produzieren können – dass diese Anlage in Zukunft genügend Biomasse bekommen können. Zudem hat die sogenannte nachhaltige Waldwirtschaft durch die letzten Dürresommer einen Knacks bekommen hat, weil der Zuwachs an Biomasse im Wald inzwischen abnimmt. Wie sinnvoll ist vor diesem Hintergrund eine Holzpelletheizung? Eine schwierige Frage: In unserer Stellungnahme zum Gebäudeenergiegesetz haben wir geschrieben, die Nutzung einzuschränken. Denn die Pellets wird’s nicht unbegrenzt geben oder höchstens auf Kosten der Umwelt, weil sie von weither antransportiert werden müssten. Biomasse wird in Zukunft ein knappes Gut werden. In der Bundesregierung gibt es ein Bestreben, eine Biomassestrategie zu erarbeiten. Es könnte sein, dass die Forderung nach stofflicher Nutzung in der Industrie, um fossile Grundstoffe zu ersetzen, oder in der Bauindustrie, so groß sein wird, dass für die Verbrennung von Holz nicht mehr sehr viel übrig bleibt. Bevor man sich eine neue Heizung holt, soll man erst sein Haus dämmen, heißt es immer. Sehen Sie das auch so? Diese Ansicht dreht sich gerade in Praktikerkreisen. Alle wissen, dass wir nur eine gewisse Anzahl an Fachkräften haben. Man muss sich nun überlegen, wie man am schnellsten mit möglichst effizienten Mitteln die meisten Treibhausgase einsparen kann. Deshalb plädiere ich dafür, die sogenannten Sanierungsfahrpläne zu standardisieren. Auf Grundlage von Quartiersplänen, die es mit der kommunalen Wärmeleitplanung in Zukunft geben wird, kann man den Eigentümern nach Gebäudetypen diese standardisierten Energiesanierungsfahrpläne zur Verfügung stellen. Wie sieht das konkret aus? Da steht dann: Schau dir dein Dach an. Wenn das in den nächsten zehn Jahren sanierungsbedürftig wird, dann fange zuerst damit an. Die nächste Maßnahme ist dann: Sofern geeignet, sofort Photovoltaik aufs Dach. Und wenn du das gemacht hast, bietet es sich an, deinen Heizkessel mit einer Wärmepumpe zu ergänzen. Es ist also ein schrittweises Vorgehen, das wir empfehlen und nicht erstmal das gesamte Gebäude zu dämmen bevor man sich an die Energieerzeugung traut, wie es leider noch viele Energieberater empfehlen. Erst das Dach, den Keller, die Wände zu dämmen und dann erst an die Heizung zu gehen, ist nicht die schnellste Art und Weise, am schnellsten von den Treibhausgas-Emissionen herunterzukommen. Und wenn ich weiß, dass mein Dach noch 20 Jahre hält, dann ist eine PV-Anlage und gleichzeitig die bestehende Heizungsanlage, was immer ich habe, mit einer Wärmepumpe zu ergänzen, eigentlich eine günstige Lösung, um Treibhausgasemissionen einzusparen. Langfristig kommt man bei vielen Gebäuden natürlich auch um eine Dämmung nicht herum, um die Treibhausgasemissionen am Ende auf Null zu senken. Ist das Handwerk denn auf solche Kombinationslösungen vorbereitet? Können die das? Von den rund 50.000 Heizungsinstallateuren werben in Deutschland im Moment nur knapp 2.900 für sich als &bdquo;Wärmepumpenbetriebe“. Das ist ein Riesenproblem und das muss sich schnell ändern. Aber, wie gesagt, ein entsprechendes Aufbauprogramm Wärmepumpe soll da greifen. Wird der Einbau einer Hybridheizung gefördert? Falls nicht, was mache ich dann? Abwarten? Im Moment gibt es für die Hybridheizung keine Förderung, das wird aber im Zuge des Gebäudeenergiegesetzes sicher eingeführt. Sollte die Hybridheizung eine geeignete Option sein, so kann ja auf die konkrete Ausgestaltung der Förderbedingungen noch gewartet werden.

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