Wirtschaftsstandort Gütersloh: Insgesamt gut, doch ein großes Problem gibt es

Gütersloh. Gütersloh wächst – aber nur leicht. Leben derzeit rund 103.600 Menschen in der Stadt, schätzt die Landesdatenbank NRW die Zahl der Einwohner im Jahr 2050 auf gut 107.000. Gleichzeitig wird die Bevölkerung immer älter. Was das für die Stadt bedeutet und welche Konsequenzen zu ziehen sind, erläuterte Albrecht Pförtner, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Concept GT, im Ausschuss für Digitalisierung, Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing. Pförtners Fazit vorweg: &bdquo;Wir benötigen mehr gesteuerte Zuwanderung.“ Waren 2021 knapp 21.000 Menschen über 64 Jahre alt, werden dies 2050 mehr als 28.000 sein. &bdquo;Das sieht man schon daran, in welchen Branchen die Zahl der Beschäftigten steigt. Unter anderem ist der Gesundheitsbereich ein stark wachsender Markt, weil die älter werdende Gesellschaft mehr Unterstützung braucht“, so Pförtner. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in diesem Zeitraum von knapp 60.000 auf etwa 56.000 Menschen. Immerhin: Bei Zu- und Abwanderungen konstatiert Pförtner ein positives Saldo in Höhe von rund 600 Personen. Das gilt übrigens auch bei der Bildungswanderung: Es ziehen mehr zu, als weg. Gütersloh im Vergleich mit anderen Kommunen - Jammern auf hohem Niveau? Rund 60.000 Menschen waren 2021 in Gütersloh sozialversicherungspflichtig beschäftigt, das sind alle Arbeitnehmer, also auch Pendler, die in Gütersloh arbeiten. Ein Jahr zuvor waren es noch 57.000. Dieser Zuwachs sei ordentlich für Gütersloh. Im Vergleich mit anderen Kommunen des Kreises, die ein noch stärkeres Wachstum verzeichneten, sei dieser Umstand allerdings &bdquo;ein Jammern auf hohem Niveau“. Der Anteil der Frauen an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in der Stadt mit 47 Prozent deutlich höher als im Kreis Gütersloh mit 39,8 Prozent und liegt auch über dem Bundesdurchschnitt (46,3 Prozent). Pförtner begründet den hohen Frauenanteil in der Stadt mit dem großen Gesundheitsbereich, während an einem Produktionsstandort wie Rietberg der Anteil der Frauen lediglich bei rund 30 Prozent liegt. Fachkräfte in Gütersloh Rund 57 Prozent der Stadtbewohner sind Fachkräfte (Kreis: 59 Prozent), 19 Prozent sind gar nicht oder gering qualifiziert (Kreis: 22 Prozent), 24 Prozent sind als Spezialisten und Experten einzustufen (Kreis: 20 Prozent). Im Bereich Fachkräfte hielt Pförtner beunruhigende Zahlen bereit. Laut Arbeitsagentur werden in den nächsten zehn Jahren fast ein Viertel aller Fachkräfte im Kreis Gütersloh in den Ruhestand gehen. Nach wie vor sei es schwieriger, Fachkraftstellen neu zu besetzen als Stellen für Geringqualifizierte. Betroffen seien alle Berufe im Produktions- und Fertigungsbereich, in der Informationstechnik, im Gesundheitswesen, im Handel und Verkauf sowie bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Pförtner: &bdquo;Eigentlich haben alle Bereiche massive Probleme, Nachwuchs zu bekommen.“ Was Pförtner empfiehlt? Den Arbeitgebern, pfleglich mit den Arbeitnehmern umzugehen. Und gutes Standortmarketing zu betreiben. &bdquo;Ich würde das aus der Sicht der Wirtschaftsförderung für Gütersloh extrem begrüßen. Das kostet aber viel Geld, das muss uns allen klar sein.“ Einiges könnten die Unternehmen auch durch Automatisierung abfangen. &bdquo;Aber je mehr es in die Mensch-zu-Mensch-Beziehung geht, also Gesundheit und Erziehung, ist nicht viel Rationalisierung möglich.“ Daher sein Fazit: &bdquo;Wir werden qualitatives, gesteuertes Wachstum durch Zuwanderung benötigen, anders werden wir das Problem nicht lösen können. Dazu gehört das Bekenntnis, dass wir ein Auswanderungsland sind. Da sind aber noch nicht alle so weit.“ Pendler in Gütersloh Was die Pendlerzahlen betrifft, ist das Saldo deutlich im positiven Bereich, auch wenn sich die Zahlen durch Corona leicht angeglichen haben dürften, so Pförtner. 24.000 Auspendlern stehen 42.000 Einpendlern gegenüber. Zurückzuführen seien diese Zahlen auch auf die beiden stärksten Branchen in der Stadt Gütersloh: die Produktion und das Gesundheitswesen. Beide Branchen seien sehr unterschiedlich hinsichtlich Geschlechterverteilung und Beschäftigungsverhältnis (Produktion: viele Männer in Vollzeit; Gesundheit: viele Frauen in Teilzeit). Man müsse also sehr genau auf die einzelne Branchen schauen, wenn man über Dinge wie Arbeitgeberattraktivität oder Homeoffice rede. Ausbildung in Gütersloh Was die Ausbildung angeht, steht die Stadt Gütersloh im Vergleich gar nicht so schlecht da. 586 Ausbildungsbetriebe gibt es in Gütersloh und damit mit Abstand am meisten im gesamten Kreis. Die Ausbildungsquote (Anteil der Auszubildenden an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten) liegt bei 4,4 Prozent und damit leicht überm Bundesdurchschnitt. Dennoch liegt dieser Wert weit unter dem empfohlenen Mindestwert von 7 Prozent. &bdquo;Das ist eine Baustelle“, so Pförtner. Gleichwohl habe er den subjektiven Eindruck, dass Ausbildung wieder an Wert gewänne. Kaufkraft in Gütersloh Beim Thema Kaufkraft steht Gütersloh im Vergleich zu anderen großen Städten in OWL in mehreren Kategorien &bdquo;super“ da: So liegt die einzelhandelsbezogene Kaufkraft (7.500 Euro pro Kopf) deutlich über dem Bundesdurchschnitt. &bdquo;Leider bleibt die Kaufkraft nicht in dieser Stadt, sondern das Geld wird auch in Nachbarkommunen ausgegeben. Diese Baustelle ist aber schon mindestens 20 Jahre alt“, so Pförtner. Immerhin: Lediglich 18 Prozent der Kaufkraft wird im Internet ausgegeben. Die 82 Prozent Kaufkraft für den Einzelhandel, davon 41 Prozent für Lebensmittel, seien immer noch ein guter Wert.

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