Abriss von mehr als 100 Jahre alter Schule: Verein in Gütersloh verliert seine Heimat

Gütersloh. Nein, ihnen geht es nicht darum, den Ausbau der Grundschule Kattenstroth zu verhindern. Die Eheleute Kattenstroth und die Vorsitzende des Stadtteilvereins Sabine Thurow wollen nur daran erinnern, dass demnächst ein wertvolles Zeugnis der Ortsgeschichte verloren geht: Die alte, 1896/97 gebaute Volksschule wird abgerissen. Zugleich verliert damit der Türkisch-Deutsche Hilfs- und Kulturverein seine Heimat. Er hatte den markanten roten Backsteinbau die letzten 44 Jahre genutzt. Beide, der Stadtteilverein und der türkisch-deutsche Verein, bedauern den Abriss. &bdquo;Wir haben eher beiläufig davon erfahren“, sagt Vorstandsmitglied Erika Kattenstroth. &bdquo;Und wir fragen uns, ob es nicht eine Möglichkeit gegeben hätte, das Gebäude in den Schulausbau zu integrieren.“ Auch die türkischstämmigen Migranten sind traurig. &bdquo;Wir haben uns dort all die Zeit gut aufgehoben gefühlt“, sagt Vorsitzender Durak Ünlü. Bislang hat der Verein noch keine neue Bleibe gefunden. Die Planungen seien frühzeitig bekannt gewesen, sagt Bildungsdezernent Henning Matthes. Im Zuge des Ausbaus der Gütersloher Grundschulen habe die Stadt jeden einzelnen Standort genau unter die Lupe genommen und sich mit den Vertretern der Schulgemeinden zusammen gesetzt. Wussten die Fraktionen, was sie beschließen? &bdquo;Am Standort Kattenstroth hat es, wie an den anderen Grundschulen auch, mehrere Varianten zur Schulerweiterung gegeben“, so Matthes. &bdquo;Die Planungen und die Absprachen mit der Schule haben ergeben, dass der Bau auf dem bisherigen Parkplatz die einzig sinnvolle Alternative darstellt.“ Gründe seien unter anderem die Nähe zur Bestandsschule und die geringeren Eingriffe in den Baumbestand. Ende November wurden die Entscheidungen für alle Standorte den Fraktionen im Fachausschuss vorgestellt. Wie die Niederschrift dieser Sitzung zeigt, gingen Verwaltung und Politik allerdings nicht ins Detail. Eine Diskussion über die einzelnen Standorte entwickelte sich nicht, daher ist ungewiss, ob den Fraktionen klar war, dass sie mit ihrer Gesamtentscheidung zugleich den Abriss der alten Kattenstrother Volksschule beschlossen. Eine Nachfrage der Eheleute Kattenstroth bei der CDU legt diese Zweifel nahe. Der Ausbauplan sieht vor, die neuen Schulmodule im Winkel von Diek- und Ludwigstraße zu platzieren – neben der Sporthalle und genau dort, wo heute Parkplatz und alte Volksschule sind. Die Module werden sich dreigeschossig stapeln: unten die Mensa, darüber zwei Unterrichtsetagen. Zusammen mit dem 1950 errichten Bestandsbau machen sie die Schule größer, dreizügig. Das entspreche dem Bedarf. Die türkischstämmigen Bürger finden, es kommt im Moment etwas dicke Mit dem türkisch-deutschen Verein sei die Stadt seit längerem im Gespräch, sagt Matthes. &bdquo;Wenn man das Gebäude kennt und weiß, dass der Verein seit bald 45 Jahren dort beheimatet ist, kann man sich vorstellen, dass wir uns die Entscheidung alles andere als leicht gemacht haben.“ Dem Verein sei nach vorheriger Absprache ordnungsgemäß zum 31. Dezember vergangenen Jahres gekündigt worden. Das Mietverhältnis (über eine Fläche von 153 Quadratmetern) sei damit beendet. Allerdings habe die Stadt mit dem Verein vereinbart, die Räume noch eine Weile nutzen zu können, &bdquo;sofern dies die anstehenden Projekte nicht beeinträchtigt.“ Im Januar habe die Stadt ein weiteres Gespräch mit dem Vorstand des Vereins geführt. Matthes: &bdquo;Es gibt inzwischen gute Raumalternativen, die wir dem Verein anbieten konnten.“ Dessen Vorsitzender Ünlü bestätigt das. &bdquo;Aber wir haben bislang noch nicht den Eindruck, das Geeignete gefunden zu haben.“ Der Verein stehe unter Druck, so Ünlü; spätestens im Juli müsse man das Haus wohl verlassen. Gesucht werde ein Gebäude mit rund 200 Quadratmetern, das auch Platz für die Frauengruppe und die Sportabteilung von Türkgücu biete – eine der Mannschaften, die auf dem Sportplatz Kamphof kicken, wo die Stadt seit Jahren den Bau einer neuen Umkleide vor sich her schiebt. Ünlü: &bdquo;Im Augenblick kommt es etwas dicke. Wir haben das Gefühl, wenig beachtet zu werden, das ist nicht schön.“ Der Verein zählt inklusive Frauen und Fußballern 150 Mitglieder. 1973 gründete er sich, um den Gastarbeitern ein Stück türkische Heimat zu bieten und zugleich die Integration zu erleichtern. "Da steckt ganz viel Erinnerung drin" Die Türken und die Ur-Kattenstrother: Beide trauern sie schon jetzt um ihren Treff- und Identifikationspunkt. &bdquo;Hier geht ein Stück Kattenstrother Bildungsgeschichte verloren“, sagt Sabine Thurow, Vorsitzende des Stadtteilvereins. Womöglich, aber genau wisse sie das nicht, habe sich die Stadt zu wenig bemüht, das Gebäude zu erhalten. Gerhard Kattenstroth, Poahlbürger und Landwirt des Meierhofes, unterstreicht seine Bindung zu dem Gebäude mit einer Anekdote, die sein Vater Hans immer erzählt habe. Als Kind sei dieser gefragt worden: &bdquo;Wie heißt du? Kattenstroth. Auf welche Schule gehst du? Kattenstroth? Wie heißt dein Lehrer? Kattenstroth.“ Zwar sei der erste Hauptlehrer wohl keine direkte Verwandschaft, aber es schmerze, wenn genau dieses Gebäude nun abgerissen werde. "Für viele ältere Kattenstrother steckt da ganz viel Erinnerung drin."

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