Harsche Kritik am Gütersloher Bürgermeister: "Wir vermissen die klare Vision"

Gütersloh. Das ist gerade noch einmal gut gegangen. Auf diesen Nenner lässt sich der Abschluss der schwierigen Haushaltsberatungen bringen. Denn an einer Haushaltssicherung mit scharfen Ausgabebeschränkungen unter Aufsicht der Bezirksregierung ist die Stadt noch einmal soeben vorbeigeschlittert – trotz eines Defizits im kommenden Jahr von 44,1 Millionen Euro und wohl noch höheren Fehlbeträgen danach. Nur zwei Monate nach der Einbringung wurde am Donnerstag der Haushalt für 2023 inklusive Stellenplan und mittelfristiger Finanzplanung vom Rat verabschiedet, und zwar mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen, BfGT, FDP sowie des Bürgermeisters. Die AfD stimmte dagegen. Ablehnung kam von auch von Peter Kalley (UWG). Camila Cirlini, fraktionsloses Ratsmitglied der Linken, fehlte in der Sitzung, sie hatte sich kurzfristig abgemeldet. Die CDU als größte Fraktion hatte den laufenden Haushalt 2022 noch abgelehnt, unter anderem wegen der von SPD, Grünen und BfGT durchgesetzten Steuererhöhungen. Und in der von der finanzpolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion, Ina Laukötter, gehaltenen Rede deutete sich zunächst eine erneute Ablehnung an. &bdquo;Wir vermissen den Kompass, die Richtung die klare Vision und Strategie für die Stadt. Wo ist das klare Leitbild der Verwaltungsspitze für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt?“ Worte, die vor allem an Bürgermeister Norbert Morkes gerichtet waren. Gütersloh habe dank einer robusten Wirtschaft kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem, meinte Laukötter. Zugleich kritisierte sie &bdquo;ideologiegetriebene Debatten“ über Luftfilter, Schüler-ticket oder die Gestaltung von Schulhöfen. Die zurückliegenden Konsolidierungsgespräche seien aber in eine für die CDU-Fraktion tragbare Richtung gegangen, sagte die Sprecherin. Unter dem Vorbehalt, den notwendigen Restrukturierungsprozess fortzusetzen, stimme die CDU dem Haushalt zu. Konsolidierung Immer wieder wurde in der Debatte deutlich: Die größten Aufgaben stehen noch bevor, um den Etat wieder auf stabile Beine zu stellen und strukturell auszugleichen. Wie berichtet, soll ein frisch eingerichteter interfraktioneller Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung gemeinsam mit dem Bürgermeister und dem neuen Kämmerer vorantreiben und unter anderem eine strenge Aufgabenkritik vornehmen. Der Arbeitskreis werde sich auch mit der Organisationsstruktur der Verwaltung und der Steigerung der Effektivität befassen, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Volker Richter. &bdquo;Grundsätzlich steht alles auf dem Prüfstand.“ Ähnlich äußerten sich die übrigen Fraktionen: &bdquo;Wir werden auch die freiwilligen und steuerbaren Leistungen der Stadt Gütersloh kritisch hinterfragen müssen“, sagte Gitte Trostmann (Bündnis ’90/Die Grünen). Der Prozess werde nicht ohne den einen oder anderen schmerzhaften Verzicht zu machen sein. Dank der ersten Konsolidierungsgespräche in den vergangenen Wochen sei es gelungen, das ursprünglich geplante Defizit von 44,7 Millionen Euro und die geplanten Investitionen von 116 Millionen Euro abzusenken, so die Fraktionsvorsitzende. Kritik Wie Laukötter kritisierte auch Trostmann Norbert Morkes. Die Initiative zur Konsolidierungsrunde, wie viele andere Initiativen zuvor, beruhe nicht auf dem Engagement des Bürgermeisters, sondern auf dem gemeinsamen Einsatz der demokratischen Fraktionen. &bdquo;Wir hätten den Haushaltsentwurf wie ihn der Bürgermeister vorgelegt hat, abgelehnt.“ Auch Sascha Priebe (FDP) nahm Morkes ins Visier. Die Fraktionen hätten bei den Bemühungen um die Rettung des Haushalts vorgelegt. &bdquo;Jetzt ist der Bürgermeister am Zug.“ Ganz anders die BfGT-Fraktionsvorsitzende Christiane Ziegele, die ihre Rede unter das bekannte Motto &bdquo;Wir schaffen das“ stellte und davor warnte, bei allem Krisenmodus die umwelt-, sozial-, jugend-, bildungs- und sportpolitischen Themen aus dem Blick zu verlieren. Sie sagte, ihre Fraktion hätte bereits dem vom Bürgermeister eingebrachten Entwurf zustimmen können. Er sei offensichtlich eine gute Grundlage gewesen, denn durch die Überarbeitung habe der finanzielle Spielraum zwar ein wenig, aber nicht bahnbrechend erhöht werden können. Kritik musste auch der für Digitalisierung zuständige Beigeordnete Carsten Schlepphorst einstecken. Bei den Projekten zur &bdquo;Smart City“ liege weiterhin nichts Konkretes vor, monierte Richter. &bdquo;Wir haben der Schaffung dieser Beigeordnetenstelle vor zwei Jahren nicht zugestimmt und sehen uns hier bestätigt: Und Ziegele rief: &bdquo;Herr Schlepphorst. Sie müssen jetzt liefern.“ Schulen Nicht gespart werden soll bei den Schulen. Hier stehen in den kommenden Jahren die im Vergleich zu den anderen Ressorts höchsten Investitionen an. Allein in den Grundschulausbau fließen unter der Überschrift &bdquo;Zukunftsfähige Schulen“ über 90 Millionen Euro. &bdquo;Das halten wir für unbedingt erforderlich“, so Volker Richter. Viel zu lange seien diese Investitionen aufgeschoben worden. Wie berichtet, stehen auch Sanierungen und Erweiterungen des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums (ESG), der Janusz-Korczak-Gesamtschule, der Anne-Frank-Schule sowie die Fertigstellung der 3. Gesamtschule an. All dies gelte es so zügig wie möglich umzusetzen, &bdquo;damit wir gut gewappnet sind, wenn der Höchststand der Schülerzahl in Kürze erreicht wird“, sagte Trostmann. 2023 sind 53 Millionen Euro an Investitionen auf dem Schulsektor eingeplant. Trägervielfalt Mehrfach zur Sprache kam auch, dass es nicht gelungen ist, den Trägeranteil der freien Kita-Träger zu 100 Prozent zu übernehmen. Die SPD erwarte, dass es im nächsten Jahr eine Regelung geben werde, die den Trägern eine Perspektive eröffnet und die Trägervielfalt in der Stadt sichere, so Volker Richter. Mahnend zu Wort meldete sich auch das fraktionslose Ratsmitglied Peter Kalley (UWG). Entsprechend dem arabischen Basarbrauch sei wie in den Vorjahren um einzelne Stellen und einige Ausgabepositionen gefeilscht worden, &bdquo;mit dem Ergebnis, dass notwendige Ansätze zur Haushaltskonsolidierung ausbleiben“. Der Zusammenbruch werde nur vertagt.

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