Wenn Weihnachten zum Alptraum wird: Warum die Feiertage manchmal einfach nur nerven

Frau Simon, warum kommt es gerade an den Weihnachtstagen häufig zu heftigen Streitigkeiten innerhalb der Familie? ANGELA SIMON: Die Erwartungen an Weihnachten sind sehr unterschiedlich. Die einen wollen ein ganz besonderes Fest mit tollem Essen und viel Trubel – die anderen wollen vielleicht aber lieber ihre Ruhe haben und gerne einfach in Jogginghose auf dem Sofa sitzen, weil sie gestresst von der Arbeit sind. Solche Gegensätze können schon eine gewisse Grundspannung in die ganze Thematik bringen. Hinzu kommt, dass man es gerade an Weihnachten allen recht machen möchte – und weniger auf sich selbst achtet. Über die persönlichen Gefühle wird da meiner Meinung nach zu wenig gesprochen. Hat man vielleicht auch einfach generell zu hohe Erwartungen an das Fest? Ja, das glaube ich schon. Weihnachten ist ein totales Perfektions-Ding geworden. Man kann schon fast von einem Weihnachts-Hype sprechen. In den Geschäften, im Fernsehen, in der Werbung. Überall blinkt es, alles muss in dieser Zeit ganz schön sein – und alles Schwierige darf plötzlich keinen Platz mehr haben. Das funktioniert so aber nicht. Man kann ja nicht plötzlich aus seiner eigenen Haut, nur weil Weihnachten ist. Der gesellschaftliche Druck ist groß. Und den auszuhalten oder sich vielleicht auch mal dagegen zu stellen, ist schwer. Sie meinem im Hinblick auf Traditionen? Genau. Viele versuchen Weihnachten so zu feiern, wie sie es immer gemacht haben – unabhängig von äußeren Umständen. Man könnte sich aber auch im Vorfeld schon austauschen und dann ruhig auch offen zugeben, dass einem beispielsweise die vielen Besuche in diesem Jahr zu viel sind, weil man ohnehin total gestresst ist von den vergangenen Wochen. Lesen Sie auch:Auffälliges Weihnachtshaus im Kreis Gütersloh leuchtet wieder - hier gibt es die schönsten Fotos Damit würde man aber riskieren, jemanden zu enttäuschen. Enttäuschungen kann man nicht immer verhindern. Man kann zwar versuchen, auf die Gefühle aller einzugehen, aber man kann nicht verhindern, dass die oder der andere verletzt oder traurig wegen einer Entscheidung ist. Davon muss man sich auch ein Stück weit frei machen und sich bewusst machen: Man kann nicht alle glücklich machen und man ist nicht dafür verantwortlich, dass es allen gut geht. Wichtig ist, dass man sich selbst nicht verliert. Das Jahr besteht ja auch nicht nur aus Weihnachten. Wir müssen nicht an drei Tagen alles abreißen, sondern können die Besuche beispielsweise auch auf die Zeit zwischen den Jahren schieben. Daraus kann man ja auch eine neue Tradition entwickeln. Je älter man wird, desto eher möchte man vielleicht ohnehin die Weihnachtstage auch mal mit anderen Menschen als der eigenen Familie verbringen. Wie kann das ohne schlechtes Gewissen und ohne den Gegenüber zu verletzten gelingen? Ich würde raten, das auf keinen Fall an Weihnachten zu klären – sondern deutlich eher. Man sollte lieber im Frühjahr oder Sommer, wenn Weihnachten noch weit weg, schonmal überlegen, wie man die Feiertage verbringen möchte. Und dann auch ehrlich kommunizieren, was man will und was nicht. Dann ist es noch nicht so nah, noch nicht so ein bedrohliches Szenario nach dem Motto: &bdquo;Mein schönes Weihnachten geht kaputt, was soll ich denn jetzt machen?“ So hätte dann auch jeder die Chance, eine Alternative zu suchen. Weil der, der gesagt bekommt, dass man nicht zu Besuch kommt, muss ja dann auch schauen, was er stattdessen macht. Diese Zeit ist wichtig. Damit die Nachricht sacken kann – und dann ist auch Platz, um Traurigkeit und Enttäuschung zu besprechen. Besonders in Patchwork- oder Scheidungsfamilien ist es häufig schwer, es allen Beteiligten recht zu machen. Was hilft? Auch das braucht Zeit zum guten Vorplanen. Weil ja verschiedenste Traditionen und Erwartungen aufeinandertreffen. Die müssen erstmal abgeglichen werden. Super wäre ja zum Beispiel, ein Best-of der Traditionen zu machen. Oder man sagt, dass das alles nicht nur neuen Situation passt und man überlegt sich etwas ganz Neues. Auch das kann ja total Spaß machen. Geschenke können schnell zu Enttäuschungen oder gar Auseinandersetzungen führen. Sollte man lieber verschweigen, wenn einem ein Geschenk nicht gefällt, um den Familienfrieden zu wahren? Ich bin ein Freund davon, zu reden und sagen, was Sache ist. Und zwar ehrlich. Es kommt aber natürlich darauf an, wie. Ich kann sagen: &bdquo;Boah, was für ein Mist“ – damit crashe ich Weihnachten. Besser wäre eine vorsichtigere Formulierung. Zum Beispiel: &bdquo;Oh, ich finde es total lieb, dass du an mich gedacht hast, aber das gefällt mir nicht so wirklich“. Man sollte dabei immer wertschätzend bleiben, das ist ganz wichtig. Mein Gegenüber hat sich im besten Fall ja im Vorfeld Gedanken gemacht. Und wenn es doch passiert und die Familie an Weihnachten zerstritten ist – was hilft dann noch, um nicht so ins neue Jahr zu starten? Kommt darauf an, wie zerstritten man ist. War es nur ein Weihnachtsstreit, der total eskaliert ist und danach war wieder alles gut oder ist man wirklich auseinandergegangen nach dem Motto: Du bist für mich gestorben. Gerade im letzteren Fall braucht es vermutlich erstmal Zeit, um die ganzen Gefühle runter zu kochen. In jedem Fall ist es aber wichtig, die Situation nach zu besprechen. Wie habe ich mich gefühlt? Was hat mir nicht gepasst? Was hat mich verletzt? Einen solchen Streit kann man auch zum Anlass nehmen, Traditionen zu ändern. Wenn es jedes Mal droht, zu eskalieren, dann ist das einfach nicht die passende Organisation. Und dann muss man sich vielleicht auch nicht in dieser Zusammensetzung treffen, sondern feiert Weihnachten einfach mal anders. Weil es einfach nicht passt. Das braucht Mut – aber kann helfen.

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