Kitas in Gütersloh am Limit: Komplette Gruppen müssen geschlossen werden

Gütersloh. Das Vokabular ändert sich, und leider nicht zum Guten. Bezeichnete die Stadt die Lage bei der Kinderbetreuung vor einem halben Jahr noch als &bdquo;angespannt“, so nennt sie sie nun &bdquo;dramatisch“. Dieses Wort treffe es besser, sagt Guido Bolz, Leiter des Fachbereiches Tagesbetreuung von Kindern. Der Personalmangel in den Kitas, verschärft durch einen &bdquo;immens hohen Krankenstand“ (Bolz), führe inzwischen zu Einschränkungen im Betrieb. Konkret: Kitas machen nachmittags früher zu, manche sehen sich veranlasst, komplette Gruppen zu schließen. Diese Schließungen dauern laut Bolz meistens nur zwei, drei Tage, in Einzelfällen aber zögen sie sich ein bis zwei Wochen hin. Leidtragende sind die Kinder und Eltern. Das Wegbrechen von Betreuung stellt die Familien vor Herausforderungen. Dauern die Einschränkungen Tage und Wochen, baut das für Eltern einen erheblichen Druck auf, erst recht wenn sie in Konflikt mit ihrem Beruf kommen. &bdquo;Das Unverständnis der Eltern nimmt zu“, berichtet Bolz. Im November lief es nur in 6 der 22 Kitas regulär Von den 57 Kindergärten in Gütersloh betreibt die Stadt 22, doch die Notlage betrifft alle. &bdquo;Die Kita-Träger sind gleichermaßen betroffen“, sagt Bolz. Auch bei den anderen würden wegen Fachkräftemangel und Krankheitsfällen Öffnungszeiten gekürzt. Bezifferte der Fachbereichsleiter die Fehlquote beim Fachpersonal vor einem halben Jahr mit beinah 25 Prozent, so nähere man sich diesem Wert erneut an. Eine Grafik zeigt, dass im November in 16 der 22 städtischen Einrichtungen der Betrieb nicht regulär lief. Die Stadt könne nicht anders, so Bolz: Kann der Träger das gesetzlich vorgeschriebene Verhältnis zwischen pädagogisch ausgebildeten Betreuern und den Kindern nicht einhalten, ist er verpflichtet, die Betreuung einzuschränken. Die missliche Lage treffe vor allem die Kinder, sagt Sozialdezernent Henning Matthes. &bdquo;Es geht in der Kita nicht nur ums Betreuen und Bespaßen. Kinder haben ein Recht auf ein hochwertiges Bildungsangebot. Das ist wichtig, um für ihren weiteren Weg in die Schulen vorbereitet zu sein.“ Die aktuelle personelle Lage lasse das aber kaum zu. Das reine Erfüllen der Aufsichtspflicht stehe im Vordergrund. Alltagshelfer sollen Entlastung schaffen Hart sei es auch für das Personal. &bdquo;Die Mitarbeiter stoßen immer häufiger an ihre gesundheitlichen Grenzen“, sagt Bolz. Die psychische Belastung sei enorm, der Druck, trotz fehlender Kollegen den Tag zu gestalten, mache mürbe – zumal sich das oft nur wenig mit dem eigenen pädagogischen Anspruch decke. Entlastung verschaffen die sogenannten Alltagshelfer. Vom Land als Förderprogramm bis 31. Juli 2023 aufgelegt, helfen diese Kräfte etwa beim Mittagessen, Händewaschen, Schuheanziehen, Reinigen, Ausflügen, Veranstaltungen. Die Kita-Leitungen sind zufrieden mit ihnen, was die Stadt veranlasst hat, ihnen ein Angebot zu machen, sich zu &bdquo;Assistenzkräften im nichtpädagogischen Bereich“ fortzubilden. Über dieses Programm habe die Stadt bereits etliche weitere Mitarbeiter gewonnen, heißt es. Fünf, unter ihnen ein Industriekaufmann, haben inzwischen eine Erzieher-Ausbildung begonnen. Auch Einsatz von fachfremdem Personal wie Gartenlandschaftsbauer möglich Weitere Maßnahme: Der Einsatz fachfremden Personals – zum Beispiel Gartenlandschaftsbauer, die mit den Kindern ins Grüne gehen. &bdquo;Naturästhetische Arbeit im Außenbereich“ lautet dafür der Fachbegriff. Aufgestockt hat die Stadt die Zahl der Plätze für die praxisintegrierte Ausbildung zur Kinderpflegerin. Zudem hat sie darauf hingewirkt, dass der Kreis an seinem Reckenberg-Berufskolleg in Wiedenbrück eine weitere Klasse für sozialpädagogische Fachkräfte eingerichtet hat, in der Hoffnung, dass daraus Erzieher erwachsen. Matthes: &bdquo;Wir bemühen uns derzeit um eine weitere Klasse.“ Gespräche seien im Gange. Außerdem verteilt die Stadt im Notfall ihr Personal um. Wo kneift’s? Welche Kita braucht am dringendsten Hilfe? Bei 22 Selbst das Umverteilen von Personal hilft nicht aus der Patsche Einrichtungen fällt der Stadt derlei Flexibilität leichter als den freien Trägern mit nur wenigen Kitas. Über die angespannte, falsch: &bdquo;dramatische“ Lage erstatteten Bolz und Matthes am Abend auch den Ratsfraktionen Bericht. Sie verbanden ihn mit einem Appell: &bdquo;Aus unserer Sicht sind dringend Veränderungen im Kinderbetreuungssystem erforderlich“, sagte Matthes. Der Anspruch auf eine qualitätsvolle Betreuung müsse zu den Personalressourcen passen, und die Eltern bräuchten Verlässlichkeit. Der Appell zielt auf die Verantwortlichen im Land. Im eigenen Revier trommelt die Stadt derweil selbst die Trommel: &bdquo;Erzieher ist ein Job mit Zukunft. Es gibt kaum ein anderes Berufsbild, das so gefragt ist.“

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